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authorReto <reto.fritsche@ost.ch>2021-08-31 23:42:02 +0200
committerReto <reto.fritsche@ost.ch>2021-08-31 23:42:02 +0200
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-rw-r--r--buch/chapters/05-zahlen/komplex.tex120
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index 4ccea89..0f7e7f7 100644
--- a/buch/chapters/05-zahlen/komplex.tex
+++ b/buch/chapters/05-zahlen/komplex.tex
@@ -6,7 +6,8 @@
\section{Komplexe Zahlen
\label{buch:section:komplexe-zahlen}}
\rhead{Komplexe Zahlen}
-In den reellen Zahlen lassen sich viele algebraische Gleichungen lösen.
+In den reellen Zahlen lassen sich viele algebraische Gleichungen lösen,
+die in $\mathbb{Q}$ nicht lösbar waren.
Andere, z.~B.~die Gleichung
\begin{equation}
x^2+1=0,
@@ -15,6 +16,7 @@ x^2+1=0,
haben weiterhin keine Lösung.
Der Grund dafür ist das Bestreben bei der Konstruktion der reellen Zahlen,
die Ordnungsrelation zu erhalten.
+\index{Ordnungsrelation}%
Diese ermöglicht, Näherungsintervall und Intervallschachtelungen
zu definieren.
@@ -37,16 +39,18 @@ Die erste Komponente soll die bekannten reellen Zahlen darstellen,
deren Quadrat positiv ist.
Die zweite Komponente soll für die Zahlen verwendet werden, deren Quadrat
negativ ist.
-Die Zahl, deren Quadrat $-1$ sein soll, bezeichnen wir auch mit dem
+Die Zahl, deren Quadrat $-1$ sein soll, bezeichnen wir mit dem
Paar $(0,1)$ und schreiben dafür auch $i=(0,1)$ mit $i^2=-1$.
+Das Paar $i=(0,1)$ heisst auch die {\em imaginäre Einheit}.
+\index{imaginäre Einheit}%
Die Rechenregeln sollen weiterhin erhalten bleiben, sie müssen daher
wie folgt definiert werden:
\begin{equation}
\begin{aligned}
-(a,b) + (c,d) &= (a+c,b+d) & (a+bi) + (c+di) &= (a+c) + (b+d)i
+(a,b) + (c,d) &= (a+c,b+d) &&& (a+bi) + (c+di) &= (a+c) + (b+d)i
\\
-(a,b) \cdot (c,d) & (ad-bd, ad+bc) & (a+bi)\cdot(c+di) &= ac-bd + (ad+bc)i.
+(a,b) \cdot (c,d) &= (ad-bd, ad+bc) &&& (a+bi)\cdot(c+di) &= ac-bd + (ad+bc)i.
\end{aligned}
\label{buch:zahlen:cregeln}
\end{equation}
@@ -65,8 +69,10 @@ Die Menge $\mathbb{C}$ verhält sich daher wie eine zweidimensionaler
reeller Vektorraum.
\subsubsection{Real- und Imaginärteil}
-Ist $z=a+bi$ eine komplexe Zahl, dann heisst $a$ der Realteil $a=\Re z$
-und $b$ heisst der Imaginärteil $\Im z$.
+Ist $z=a+bi$ eine komplexe Zahl, dann heisst $a$ der {\em Realteil} $a=\Re z$
+\index{Realteil}%
+und $b$ heisst der {\em Imaginärteil} $\Im z$.
+\index{Imaginärteil}%
Real- und Imaginärteil sind lineare Abbildungen $\mathbb{C}\to\mathbb{R}$,
sie projizieren einen Punkt auf die Koordinatenachsen, die entsprechend
auch die reelle und die imaginäre Achse heissen.
@@ -86,13 +92,43 @@ a
\Re z.
\]
Zusätzlich kehrt das Vorzeichen der einen Komponente.
-Wir kommen auf diese Eigenschaft zurück, wenn wir später in Abschnitt~XXX
+Wir kommen auf diese Eigenschaft zurück, wenn wir später in
+Abschnitt~\ref{buch:grundlagen:subsection:ringe}
komplexe Zahlen als Matrizen beschreiben.
+\subsubsection{Gausssche Zahlenebene}
+Beschränkt man die Multiplikation auf einen reellen Faktor, wird $\mathbb{C}$
+zu einem zweidimensionalen reellen Vektorraum.
+Man kann die komplexe Zahl $a+bi$ daher auch als Punkt $(a,b)$ in der
+sogenannten {\em Gaussschen Ebene} betrachten (Abbildung~\ref{buch:zahlen:cfig}).
+\index{Gaussche Zahlenebene}%
+Die Addition von komplexen Zahlen ist in diesem Bild die vektorielle
+Addition, die Multiplikation mit reellen Zahlen werden wir weiter unten
+genauer untersuchen müssen.
+
+\begin{figure}
+\centering
+\includegraphics{chapters/05-zahlen/images/komplex.pdf}
+\caption{Argument und Betrag einer komplexen Zahl $z=a+ib$ in der
+Gaussschen Zahlenebene
+\label{buch:zahlen:cfig}}
+\end{figure}%
+
+Die Zahlenebene führt auf eine weitere mögliche Parametrisierung einer
+komplexen Zahl.
+Ein Punkt $z$ der Ebene kann in Polarkoordinaten auch durch den {\em Betrag}
+\index{Betrag}%
+\index{Polarkoordinaten}%
+und den Winkel zwischen der reellen Achse und dem Radiusvektor zum Punkt,
+dem sogenannten {\em Argument},
+charakterisiert werden.
+
\subsubsection{Komplexe Konjugation}
Der komplexen Zahl $u=a+bi$ ordnen wir die sogenannte
{\em komplex konjugierte} Zahl $\overline{z} = a-bi$.
Mit Hilfe der komplexen Konjugation kann man den Real- und Imaginärteil
+\index{komplexe Konjugation}%
+\index{Konjugation, komplexe}%
algebraisch ausdrücken:
\[
\Re z
@@ -124,7 +160,8 @@ Wenn $x\ge 0$ ist und $x\le 0$, dann ist $x=0$.
In $\mathbb{C}$ steht diese Ordnungsrelation nicht mehr zur Verfügung.
Eine komplexe Zahl ist von $0$ verschieden, wenn die Länge des Vektors in der
Zahlenebene verschieden von $0$ ist.
-Wir definieren daher den Betrag einer komplexen Zahl $z=a+bi$ als
+Wir definieren daher den {\em Betrag} einer komplexen Zahl $z=a+bi$ als
+\index{Betrag}
\[
|z|^2
=
@@ -158,7 +195,7 @@ Produkt der komplexen Zahlen sein.
Wie berechnet man den Quotienten $\frac{z}{w}$ für zwei beliebige komplexe
Zahlen $z=a+bi$ und $w=c+di$ mit $w\ne 0$?
-Dazu erweitert man den Bruch mit der komplex konjugierten des Nenners:
+Dazu erweitert man den Bruch mit der komplex Konjugierten des Nenners:
\begin{align*}
\frac{z}{w}
&=
@@ -169,7 +206,7 @@ Dazu erweitert man den Bruch mit der komplex konjugierten des Nenners:
Da der Nenner $|w|^2>0$ eine reelle Zahl ist, ist die Division einfach,
es ist die Multiplikation mit der reellen Zahl $1/|w|^2$.
-Wir können den Quotienten auch in Komponenten ausdrücken:
+Wir können den Quotienten auch durch Real- und Imaginärteil ausdrücken:
\begin{align*}
\frac{z}{w}
&=
@@ -180,38 +217,20 @@ Wir können den Quotienten auch in Komponenten ausdrücken:
\frac{ac-bd +(ad+bc)i}{c^2+d^2}.
\end{align*}
-\subsubsection{Gausssche Zahlenebene}
-Beschränkt man die Multiplikation auf einen reellen Faktor, wird $\mathbb{C}$
-zu einem zweidimensionalen reellen Vektorraum.
-Man kann die komplexe Zahl $a+bi$ daher auch als Punkt $(a,b)$ in der
-sogenannten Gaussschen Ebene betrachten.
-Die Addition von komplexen Zahlen ist in diesem Bild die vektorielle
-Addition, die Multiplikation mit reellen Zahlen werden wir weiter unten
-genauer untersuchen müssen.
-
-\begin{figure}
-\centering
-\includegraphics{chapters/05-zahlen/images/komplex.pdf}
-\caption{Argument und Betrag einer komplexen Zahl $z=a+ib$ in der
-Gaussschen Zahlenebene
-\label{buch:zahlen:cfig}}
-\end{figure}
-Die Zahlenebene führt auf eine weitere Parametrisierung einer
-komplexen Zahl.
-Ein Punkt $z$ der Ebene kann in Polarkoordinaten auch durch den Betrag
-und den Winkel zwischen der reellen Achse und dem Radiusvektor zum Punkt
-beschrieben werden.
-
\subsubsection{Geometrische Interpretation der Rechenoperationen}
-Die Addition kompelxer Zahlen wurde bereits als Vektoraddition
-in der Gausschen Zahlenebene.
+Die Addition komplexer Zahlen wurde bereits als Vektoraddition
+in der Gausschen Zahlenebene interpretiert.
Die Multiplikation ist etwas komplizierter, wir berechnen Betrag
und Argument von $zw$ separat.
Für den Betrag erhalten wir
\begin{align*}
|zw|^2
&=
+zw\overline{(zw)}
+=
+zw\overline{z}\overline{w}
+=
z\overline{z}w\overline{w}
=
|z|^2|w|^2
@@ -252,6 +271,7 @@ und $c\ne 0$, was uns ermöglicht, den Bruch durch $ac$ zu kürzen:
\bigr).
\end{align*}
Im letzten Schritt haben wir die Additionsformel für den Tangens verwendet.
+\index{Additionstheorem für Tangens}%
Daraus liest man ab, dass das Argument eines Produkts die Summe der
Argumente ist.
Die Multiplikation mit einer festen komplexen Zahl führt also mit der ganzen
@@ -263,7 +283,7 @@ wenn wir die komplexen Zahlen als Matrizen beschreiben wollen.
Die komplexen Zahlen $\mathbb{C}$ sind als Erweiterung von $\mathbb{R}$
so konstruiert worden, dass die Gleichung $x^2+1=0$ eine Lösung hat.
Etwas überraschend ist dagegen, dass in dieser Erweiterung jetzt jede
-beliebige algebraische Gleichung lösbar geworden.
+beliebige algebraische Gleichung lösbar geworden ist.
Dies ist der Inhalt des Fundamentalsatzes der Algebra.
\begin{satz}[Fundamentalsatz der Algebra]
@@ -273,7 +293,7 @@ Jede algebraische Gleichung der Form
p(x)=x^n + a_{n-1}x^{n-1}+a_1x+a_0=0,\qquad a_k\in\mathbb{C}
\]
mit komplexen Koeffizienten hat $n$ möglicherweise mit Vielfachheit
-gezähle Nullstellen $\alpha_1,\dots,\alpha_m$, d.~h.~das Polynom $p(x)$
+gezählte Nullstellen $\alpha_1,\dots,\alpha_m$, d.~h.~das Polynom $p(x)$
lässt sich in Linearfaktoren
\[
p(x)
@@ -281,12 +301,12 @@ p(x)
(x-\alpha_1)^{k_1}(x-\alpha_2)^{k_2}\cdot\ldots\cdot(x-\alpha_m)^{k_m}
\]
zerlegen, wobei $k_1+k_2+\dots+k_m=n$.
-Die Zahlen $k_j$ heisst die {\em Vielfachheit} der Nullstelle $\alpha_j$.
+Die Zahl $k_j$ heisst die {\em Vielfachheit} der Nullstelle $\alpha_j$.
\end{satz}
Der Fundamentalsatz der Algebra wurde erstmals von Carl Friedrich Gauss
\index{Gauss, Carl Friedrich}%
-bewiesen.
+vollständig bewiesen.
Seither sind viele alternative Beweise mit Methoden aus den verschiedensten
Gebieten der Mathematik gegeben worden.
Etwas salopp könnten man sagen, dass der Fundamentalsatz ausdrückt, dass
@@ -304,10 +324,11 @@ Da Drehungen um verschiedene Achsen nicht vertauschen, kann eine solche
Erweiterung nicht mehr kommutativ sein.
William Rowan Hamilton propagierte ab 1843 eine Erweiterung von $\mathbb{C}$
+\index{Hamilton, William Rowan}%
mit zwei zusätzlichen Einheiten $j$ und $k$ mit den nichtkommutativen
Relationen
\begin{equation}
-i^2 = j^2 = k^2 = ijk = -1.
+i^2 = j^2 = k^2 = i\!jk = -1.
\label{buch:zahlen:eqn:quaternionenregeln}
\end{equation}
Er nannte die Menge aller Linearkombinationen
@@ -319,6 +340,9 @@ die {\em Quaternionen}, die Einheiten $i$, $j$ und $k$ heissen auch
Einheitsquaternionen.
\index{Einheitsquaternionen}%
Konjugation, Betrag und Division können ganz ähnlich wie bei den
+\index{Konjugation von Quaternionen}%
+\index{Betrag einer Quaternion}%
+\index{Division durch eine Quaternion}%
komplexen Zahlen definiert werden und machen $\mathbb{H}$ zu einer
sogenannten {\em Divisionsalgebra}.
\index{Divisionsalgebra}%
@@ -331,24 +355,24 @@ Aus den Regeln für die Quadrate der Einheiten in
$i^{-1}=-i$, $j^{-1}=-j$ und $k^{-1}=-k$.
Die letzte Bedingung liefert daraus
\[
-ijk=-1
+i\!jk=-1
\qquad\Rightarrow\qquad
\left\{
\quad
\begin{aligned}
-ij
+i\!j
&=
-ijkk^{-1}=-1k^{-1}=k
+i\!jkk^{-1}=-1k^{-1}=k
\\
-i^2jk&=-i=-jk
+i^2\!jk&=-i=-jk
\\
-j^2k&=-ji=k
\end{aligned}
\right.
\]
Aus den Relationen~\eqref{buch:zahlen:eqn:quaternionenregeln}
-folgt also insbesondere auch, dass $ij=-ji$.
-Ebenso kann abgeleitet werden, dass $jk=-kj$ und $ik=-ki$.
+folgt also insbesondere auch, dass $i\!j=-ji$.
+Ebenso kann abgeleitet werden, dass $jk=-k\!j$ und $ik=-ki$.
Man sagt, die Einheiten sind {\em antikommutativ}.
\index{antikommutativ}%
@@ -358,9 +382,15 @@ Komponenten $a_0,\dots,a_3$ vollständig beschrieben ist.
Eine Transformationsmatrix des dreidimensionalen Raumes enthält
dagegen neun Koeffizienten, die vergleichsweise komplizierte
Abhängigkeiten erfüllen müssen.
+Kapitel~\ref{chapter:clifford} behandelt nicht nur die Beschreibung
+von Drehungen des dreidimensionalen Raumes sondern eine weitreichende
+Verallgemeinerung dieser Idee, die sogenannte {\em geometrische Algebra}.
+\index{geometrische Algebra}%
Quaternionen haben auch in weiteren Gebieten interessante Anwendungen,
zum Beispiel in der Quantenmechanik, wo antikommutierende Operatoren
+\index{Quantenmechanik}%
bei der Beschreibung von Fermionen eine zentrale Rolle spielen.
+\index{Fermion}%
Aus rein algebraischer Sicht kann man die Frage stellen, ob es eventuell
auch noch grössere Divisionsalgebren gibt, die $\mathbb{H}$ erweitern.