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diff --git a/buch/chapters/60-gruppen/symmetrien.tex b/buch/chapters/60-gruppen/symmetrien.tex index e7c3240..7364c85 100644 --- a/buch/chapters/60-gruppen/symmetrien.tex +++ b/buch/chapters/60-gruppen/symmetrien.tex @@ -136,7 +136,7 @@ den Nullpunkt. Ein Homomorphismus $\varphi\colon\mathbb{R}\to\operatorname{GL}_n(\mathbb{R})$ von der additiven Gruppe $\mathbb{R}$ in die allgemeine lineare Gruppe heisst eine {\em Einparameter-Untergruppe} von -$\operatorname{GL}(\mathbb{R})$. +$\operatorname{GL}_n(\mathbb{R})$. \end{definition} Die Abbildung @@ -468,18 +468,22 @@ Die Kreislinie in in der Ebene ist eine $1$-dimensionale Mannigfaltigkeit. Natürlich kann sie nicht mit einer einzigen Karte beschrieben werden, da es keine umkehrbaren Abbildungen zwischen $\mathbb{R}$ und der Kreislinie gibt. -Man kann aber die folgenden vier Karten verwenden: +Die Projektionen auf die einzelnen Koordinaten liefern die folgenden +vier Karten: \begin{align*} -\varphi_1&\colon U_{x>0}\{(x,y)\;|\;x^2+y^2=1\wedge x>0\} \to +\varphi_1&\colon U_{x>0}\{(x,y)\;|\;x^2+y^2=1\wedge x>0\} \to\mathbb{R} : -(x,y) \mapsto y\\ -\varphi_2&\colon U_{x<0}\{(x,y)\;|\;x^2+y^2=1\wedge x<0\} \to +(x,y) \mapsto y +\\ +\varphi_2&\colon U_{x<0}\{(x,y)\;|\;x^2+y^2=1\wedge x<0\} \to\mathbb{R} : -(x,y) \mapsto y\\ -\varphi_3&\colon U_{y>0}\{(x,y)\;|\;x^2+y^2=1\wedge y>0\} \to +(x,y) \mapsto y +\\ +\varphi_3&\colon U_{y>0}\{(x,y)\;|\;x^2+y^2=1\wedge y>0\} \to\mathbb{R} : -(x,y) \mapsto x\\ -\varphi_4&\colon U_{y<0}\{(x,y)\;|\;x^2+y^2=1\wedge y<0\} \to +(x,y) \mapsto x +\\ +\varphi_4&\colon U_{y<0}\{(x,y)\;|\;x^2+y^2=1\wedge y<0\} \to\mathbb{R} : (x,y) \mapsto x \end{align*} @@ -493,13 +497,47 @@ Dasselbe gilt für $\varphi_3$ und $\varphi_4$. Die nichtleeren Schnittmengen der verschiedenen Kartengebiete beschreiben jeweils die Punkte der Kreislinie in einem Quadranten. -Die Umrechnung zwischen den Koordinaten erfolgt je nach Quadrant durch -\[ -x\mapsto y=\pm\sqrt{1-x^2\mathstrut} -\qquad\text{oder}\qquad -y\mapsto x=\pm\sqrt{1-y^2\mathstrut}, -\] -diese Abbildungen sind im offenen Intervall $(-1,1)$ differenzierbar, +Die Umrechnung zwischen den Koordinaten und ihre Ableitung +ist je nach Quadrant durch +\begin{align*} +&\text{1.~Quadrant}& +\varphi_{31} +&= +\varphi_3\circ\varphi_1^{-1}\colon y\mapsto\phantom{-}\sqrt{1-y^2\mathstrut} +& +D\varphi_{31} +&= +-\frac{y}{\sqrt{1-y^2\mathstrut}} +\\ +&\text{2.~Quadrant}& +\varphi_{24} +&= +\varphi_3\circ\varphi_1^{-1}\colon x\mapsto\phantom{-}\sqrt{1-x^2\mathstrut} +& +D\varphi_{24} +&= +-\frac{x}{\sqrt{1-x^2\mathstrut}} +\\ +&\text{3.~Quadrant}& +\varphi_{42} +&= +\varphi_3\circ\varphi_1^{-1}\colon y\mapsto-\sqrt{1-y^2\mathstrut} +& +D\varphi_{42} +&= +\phantom{-}\frac{y}{\sqrt{1-y^2\mathstrut}} +\\ +&\text{4.~Quadrant}& +\varphi_{14} +&= +\varphi_3\circ\varphi_1^{-1}\colon x\mapsto-\sqrt{1-x^2\mathstrut} +& +D\varphi_{14} +&= +\phantom{-}\frac{x}{\sqrt{1-x^2\mathstrut}} +\end{align*} +gegeben. +Diese Abbildungen sind im offenen Intervall $(-1,1)$ differenzierbar, Schwierigkeiten mit der Ableitungen ergeben sich nur an den Stellen $x=\pm1$ und $y=\pm 1$, die in einem Überschneidungsgebiet von Karten nicht vorkommen können. @@ -572,7 +610,9 @@ folgt durch Ableitung nach dem Kurvenparameter $t$, dass \[ \frac{d}{dt}\gamma_\beta(t) = -D\varphi_{\beta\alpha} \frac{d}{dt}\gamma_\alpha(t). +D\varphi_{\beta\alpha} +\cdot +\frac{d}{dt}\gamma_\alpha(t). \] Die Ableitung $D\varphi_{\beta\alpha}$ von $\varphi_{\beta\alpha}$ an der Stelle $\gamma_\alpha(t)$ berechnet also aus dem Tangentialvektor @@ -589,6 +629,91 @@ mit dem die Unmöglichkeit einer globalen Besschreibung einer Mannigfaltigkeit $M$ mit einem einzigen globalen Koordinatensystem ohne Singularitäten umgangen werden kann. +\begin{beispiel} +Das Beispiel des Kreises in Abbildung~\ref{buch:gruppen:fig:kartenkreis} +zeigt, dass die Tangentialvektoren je nach Karte sehr verschieden +aussehen können. +Der Tangentialvektor der Kurve $\gamma(t) = (x(t), y(t))$ im Punkt +$\gamma(t)$ ist $\dot{y}(t)$ in den Karten $\varphi_1$ und $\varphi_2$ +und $\dot{x}(t)$ in den Karten $\varphi_3$ und $\varphi_4$. + +Die spezielle Kurve $\gamma(t) = (\cos t,\sin t)$ hat in einem Punkt +$t\in (0,\frac{\pi}2)$. +in der Karte $\varphi_1$ den Tangentialvektor $\dot{y}(t)=\cos t$, +in der Karte $\varphi_3$ aber den Tangentialvektor $\dot{x}=-\sin t$. +Die Ableitung des Kartenwechsels in diesem Punkt ist die $1\times 1$-Matrix +\[ +D\varphi_{31}(\gamma(t)) += +-\frac{y(t)}{\sqrt{1-y(t)^2}} += +-\frac{\sin t}{\sqrt{1-\sin^2 t}} += +-\frac{\sin t}{\cos t} += +-\tan t. +\] +Die Koordinatenumrechnung ist gegeben durch +\[ +\dot{x}(t) += +D\varphi_{31}(\gamma(t)) +\dot{y}(t) +\] +wird für die spezielle Kurve $\gamma(t)=(\cos t,\sin t)$ wird dies zu +\[ +D\varphi_{31}(\gamma(t)) +\cdot +\dot{y}(t) += +-\tan t\cdot \cos t += +-\frac{\sin t}{\cos t}\cdot \cos t += +-\sin t += +\dot{x}(t). +\qedhere +\] +\end{beispiel} + +Betrachtet man die Kreislinie als Kurve in $\mathbb{R}^2$, +dann ist der Tangentialvektor durch +$\dot{\gamma}(t)=(\dot{x}(t),\dot{y}(t))$ gegeben. +Da die Karten Projektionen auf die $x$- bzw.~$y$-Achsen sind, +entsteht der Tangentialvektor in der Karte durch Projektion +von $(\dot{x}(t),\dot{y}(t))$ auf die entsprechende Komponente. + +Die Tangentialvektoren in zwei verschiedenen Punkten der Kurve können +im Allgemeinen nicht miteinander verglichen werden. +Darüber hinweg hilft auch die Tatsache nicht, dass die Kreislinie +in den Vektorraum $\mathbb{R}^2$ eingebettet sind, wo sich Vektoren +durch Translation miteinander vergleichen lassen. +Ein nichtverschwindender Tangentialvektor im Punkt $(1,0)$ hat, +betrachtet als Vektor in $\mathbb{R}^2$ verschwindende $x$-Komponente, +für Tangentialvektoren im Inneren eines Quadranten ist dies nicht +der Fall. + +Eine Möglichkeit, einen Tangentialvektor in $(1,0)$ mit einem +Tangentialvektor im Punkt $(\cos t,\sin t)$ zu vergleichen, besteht +darin, den Vektor um den Winkel $t$ zu drehen. +Dies ist möglich, weil die Kreislinie eine kontinuierliche Symmetrie, +nämlich die Drehung um den Winkel $t$ hat, die es erlaubt, den Punkt $(1,0)$ +in den Punkt $(\cos t,\sin t)$ abzubilden. +Erst diese Symmetrie ermöglicht den Vergleich. +Dieser Ansatz ist für alle Matrizen erfolgreich, wie wir später sehen werden. + +Ein weiterer Ansatz, Tangentialvektoren zu vergleichen, ist die Idee, +einen sogenannten Zusammenhang zu definieren, eine Vorschrift, wie +Tangentialvektoren infinitesimal entlang von Kurven in der Mannigfaltigkeit +transportiert werden können. +Auf einer sogenannten {\em Riemannschen Mannigfaltigkeit} ist zusätzlich +zur Mannigfaltigkeitsstruktur die Längenmessung definiert. +Sie kann dazu verwendet werden, den Transport von Vektoren entlang einer +Kurve so zu definieren, dass dabei Längen und Winkel erhalten bleiben. +Dieser Ansatz ist die Basis der Theorie der Krümmung sogenannter +Riemannscher Mannigfaltigkeiten. + \subsection{Der Satz von Noether \label{buch:subsection:noether}} |