From 6c6543a136f7e18bfb002f6cc72381c8d33d1c14 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: =?UTF-8?q?Andreas=20M=C3=BCller?= Date: Fri, 15 Jan 2021 17:04:33 +0100 Subject: =?UTF-8?q?Einleitung=20und=20Kapitel=201=20hinzugef=C3=BCgt?= MIME-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=UTF-8 Content-Transfer-Encoding: 8bit --- buch/chapters/05-zahlen/reell.tex | 88 +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 88 insertions(+) create mode 100644 buch/chapters/05-zahlen/reell.tex (limited to 'buch/chapters/05-zahlen/reell.tex') diff --git a/buch/chapters/05-zahlen/reell.tex b/buch/chapters/05-zahlen/reell.tex new file mode 100644 index 0000000..1f241a2 --- /dev/null +++ b/buch/chapters/05-zahlen/reell.tex @@ -0,0 +1,88 @@ +% +% reell.tex -- reelle Zahlen +% +% (c) 2021 Prof Dr Andreas Müller, OST Ostschweizer Fachhochschule +% +\section{Reelle Zahlen +\label{buch:section:reelle-zahlen}} +\rhead{Reelle Zahlen} +In den rationalen Zahlen lassen sich algebraische Gleichungen höheren +Grades immer noch nicht lösen. +Dass die Gleichung $x^2=2$ keine rationale Lösung hat, ist schon den +Pythagoräern aufgefallen. +Die geometrische Intuition der Zahlengeraden führt uns dazu, nach +Zahlen zu suchen, die gute Approximationen für $\sqrt{2}$ sind. +Wir können zwar keine Bruch angeben, dessen Quadrat $2$ ist, aber +wenn es eine Zahl $\sqrt{2}$ mit dieser Eigenschaft git, dann können +wir dank der Ordnungsrelation feststellen, dass sie in all den folgenden, +kleiner werdenden Intervallen +\[ +\biggl[1,\frac32\biggr],\; +\biggl[\frac75,\frac{17}{12}\biggr],\; +\biggl[\frac{41}{29},\frac{99}{70}\biggr],\; +\biggl[\frac{239}{169},\frac{577}{408}\biggr],\; +\dots +\] +enthalten sein muss\footnote{Die Näherungsbrüche konvergieren sehr +schnell, sie sind mit der sogenannten Kettenbruchentwicklung der +Zahl $\sqrt{2}$ gewonnen.}. +Jedes der Intervalle enthält auch das nachfolgende Intervall, und +die intervalllänge konvergiert gegen 0. +Eine solche Intervallschachtelung beschreibt also genau eine Zahl, +aber möglicherweise keine, die sich als Bruch schreiben lässt. + +Die Menge $\mathbb{R}$ der reellen Zahlen kann auch als die Menge +aller Cauchy-Folgen $(a_n)_{n\in\mathbb{N}}$. +Eine Folge ist eine Cauchy-Folge, wenn für jedes $\varepsilon>0$ +es eine Zahl $N(\varepsilon)$ gibt derart, dass $|a_n-a_m|<\varepsilon$ +für $n,m>N(\varepsilon)$. +Ab einer geeigneten Stelle $N(\varepsilon)$ sind die Folgenglieder also +mit Genauigkeit $\varepsilon$ nicht mehr unterscheidbar. + +Nicht jede Cauchy-Folge hat eine rationale Zahl als Grenzwert. +Da wir für solche Folgen noch keine Zahlen als Grenzwerte haben, +nehmen wir die Folge als eine mögliche Darstellung der Zahl. +Die Folge kann man ja auch verstehen als eine Vorschrift, wie man +Approximationen der Zahl berechnen kann. + +Zwei verschiedene Cauchy-Folgen $(a_n)_{n\in\mathbb{N}}$ und +$(b_n)_{n\in\mathbb{N}}$ +können den gleichen Grenzwert haben. +So sind +\[ +\begin{aligned} +a_n&\colon&& +1,\frac32,\frac75,\frac{17}{12},\frac{41}{29},\frac{99}{70},\frac{239}{169}, +\frac{577}{408},\dots +\\ +b_n&\colon&& +1,1.4,1.41,1.412,1.4142,1.41421,1.414213,1.4142135,\dots +\end{aligned} +\] +beide Folgen, die die Zahl $\sqrt{2}$ approximieren. +Im Allgemeinen tritt dieser Fall ein, wenn $|a_n-b_n|$ eine +Folge mit Grenzwert $0$ oder Nullfolge ist. +Eine reelle Zahl ist also die Menge aller rationalen Cauchy-Folgen, +deren Differenzen Nullfolgen sind. + +Die Menge $\mathbb{R}$ der reellen Zahlen kann man also ansehen +als bestehend aus Mengen von Folgen, die alle den gleichen Grenzwert +haben. +Die Rechenregeln der Analysis +\[ +\lim_{n\to\infty} (a_n + b_n) += +\lim_{n\to\infty} a_n + +\lim_{n\to\infty} b_n +\qquad\text{und}\qquad +\lim_{n\to\infty} a_n \cdot b_n += +\lim_{n\to\infty} a_n \cdot +\lim_{n\to\infty} b_n +\] +stellen sicher, dass sich die Rechenoperationen von den rationalen +Zahlen auf die reellen Zahlen übertragen lassen. + + + + -- cgit v1.2.1