From 15b6405261f267d24c509ed8f356d4eaffda1794 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: =?UTF-8?q?Andreas=20M=C3=BCller?= Date: Thu, 9 Sep 2021 16:25:47 +0200 Subject: Kapitel 7 --- buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex | 287 ++++++++++++++++++++++--------- 1 file changed, 203 insertions(+), 84 deletions(-) (limited to 'buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex') diff --git a/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex b/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex index e92c254..860f27d 100644 --- a/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex +++ b/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex @@ -16,11 +16,13 @@ Die Gruppe \] besteht aus den Matrizen, deren Determinante nicht $0$ ist. Da die Menge der Matrizen mit $\det A=0$ eine abgeschlossene Menge -in $M_n(\mathbb{R}) \simeq \mathbb{R}^{n^2}$ ist, ist +in $M_n(\mathbb{R}) \cong \mathbb{R}^{n^2}$ ist, ist $\operatorname{GL}_n(\mathbb{R})$ eine offene Teilmenge in $\mathbb{R}^{n^2}$, sie besitzt also automatisch die Struktur einer $n^2$-Mannigfaltigkeit. -Dies gilt jedoch auch für alle anderen Matrizengruppen, die in diesem -Abschnitt genauer untersucht werden sollen. +Doch auch alle anderen Matrizengruppen, +die in diesem Abschnitt genauer untersucht werden sollen, +stellens ich als Untermannigfaltigkeiten von +$\operatorname{GL}_n(\mathbb{R})$ heraus. \subsection{Mannigfaltigkeitsstruktur der Matrizengruppen \label{buch:subsection:mannigfaltigkeitsstruktur-der-matrizengruppen}} @@ -74,8 +76,9 @@ Die Abbildung $l_{g_1^{-1}g_2}$ ist aber nur die Multiplikation mit einer Matrix, also eine lineare Abbildung, so dass der Kartenwechsel nichts anderes ist als die Darstellung der Matrix der Linksmultiplikation $l_{g_1^{-1}g_2}$ im Koordinatensystem der Karte $U_e$ ist. -Differenzierbarkeit der Kartenwechsel ist damit sichergestellt, -die Matrizengruppen sind automatisch differenzierbare Mannigfaltigkeiten. +Differenzierbarkeit der Kartenwechsel ist damit sichergestellt. +Somit sind +die Matrizengruppen automatisch differenzierbare Mannigfaltigkeiten. Die Konstruktion aller Karten aus einer einzigen Karte für eine Umgebung des neutralen Elements zeigt auch, dass es für die Matrizengruppen @@ -115,7 +118,7 @@ enthalten. Diffferenzierbare Kurven $\gamma(t)$ in $\operatorname{GL}_n(\mathbb{R})$ haben daher in jedem Punkt Tangentialvektoren, die als Matrizen in $M_n(\mathbb{R})$ betrachtet werden können. -Wenn $\gamma(t)$ die Matrixelemente $\gamma_{ij}(t)$ hat, dann ist der +Wenn $\gamma(t)$ die Matrixelemente $\gamma_{i\!j}(t)$ hat, dann ist der Tangentialvektor im Punkt $\gamma(t)$ durch \[ \frac{d}{dt} @@ -152,7 +155,8 @@ Eine solche Kurve muss die Differentialgleichung erfüllen, wobei $A\in M_n(\mathbb{R})$ der gegebene Tangentialvektor in $e=I$ ist. -Die Matrixexponentialfunktion +Die {\em Matrixexponentialfunktion} +\index{Matrixexponentialfunktion}% \[ e^{At} = @@ -184,7 +188,7 @@ $\operatorname{SO}(2)\subset \operatorname{GL}_2(\mathbb{R})$} Drehungen der Ebene können in einer orthonormierten Basis durch Matrizen der Form \[ -D_{\alpha} +R_{\alpha} = \begin{pmatrix} \cos\alpha&-\sin\alpha\\ @@ -196,36 +200,39 @@ Wir bezeichnen die Menge der Drehmatrizen in der Ebene mit $\operatorname{SO}(2)\subset\operatorname{GL}_2(\mathbb{R})$. Die Abbildung \[ -D_{\bullet} +R_{\bullet} \colon \mathbb{R}\to \operatorname{SO}(2) : -\alpha \mapsto D_{\alpha} +\alpha \mapsto R_{\alpha} \] hat die Eigenschaften -\begin{align*} -D_{\alpha+\beta}&= D_{\alpha}D_{\beta} +\begin{equation} +\begin{aligned} +R_{\alpha+\beta}&= R_{\alpha}R_{\beta} \\ -D_0&=I +R_0&=I \\ -D_{2k\pi}&=I\qquad \forall k\in\mathbb{Z}. -\end{align*} -Daraus folgt zum Beispiel, dass $D_{\bullet}$ eine $2\pi$-periodische +R_{2k\pi}&=I\qquad \forall k\in\mathbb{Z}. +\end{aligned} +\label{buch:lie:so2matrizen} +\end{equation} +Daraus folgt zum Beispiel, dass $R_{\bullet}$ eine $2\pi$-periodische Funktion ist. -$D_{\bullet}$ bildet die Menge der Winkel $[0,2\pi)$ bijektiv auf +$R_{\bullet}$ bildet die Menge der Winkel $[0,2\pi)$ bijektiv auf die Menge der Drehmatrizen in der Ebene ab. Für jedes Intervall $(a,b)\subset\mathbb{R}$ mit Länge -$b-a < 2\pi$ ist die Abbildung $\alpha\mapsto D_{\alpha}$ umkehrbar, +$b-a < 2\pi$ ist die Abbildung $\alpha\mapsto R_{\alpha}$ umkehrbar, die Umkehrung kann als Karte verwendet werden. Zwei verschiedene Karten $\alpha_1\colon U_1\to\mathbb{R}$ und $\alpha_2\colon U_2\to\mathbb{R}$ bilden die Elemente $g\in U_1\cap U_2$ in Winkel $\alpha_1(g)$ und $\alpha_2(g)$ ab, für die -$D_{\alpha_1(g)}=D_{\alpha_2(g)}$ gilt. +$R_{\alpha_1(g)}=R_{\alpha_2(g)}$ gilt. Dies ist gleichbedeutend damit, dass $\alpha_1(g)=\alpha_2(g)+2\pi k$ mit $k\in \mathbb{Z}$. In einem Intervall in $U_1\cap U_2$ muss $k$ konstant sein. -Die Kartenwechselabblidung ist also nur die Addition eines Vielfachen +Die Kartenwechselabbildung ist also nur die Addition eines Vielfachen von $2\pi$, mit der identischen Abbildung als Ableitung. Diese Karten führen also auf besonders einfache Kartenwechselabbildungen. @@ -239,22 +246,27 @@ Die Zahlen der Form $e^{i\alpha}$ haben den Betrag $1$ und die Abbildung f\colon \mathbb{R}\to \mathbb{C}:\alpha \mapsto e^{i\alpha} \] hat die Eigenschaften -\begin{align*} +\begin{equation} +\begin{aligned} f(\alpha+\beta) &= f(\alpha)f(\beta) \\ f(0)&=1 \\ f(2\pi k)&=1\qquad\forall k\in\mathbb{Z}, -\end{align*} -die zu den Eigenschaften der Abbildung $\alpha\mapsto D_{\alpha}$ +\end{aligned} +\label{buch:lie:so2komplex} +\end{equation} +die zu den Eigenschaften +\eqref{buch:lie:so2matrizen} der Abbildung $\alpha\mapsto R_{\alpha}$ analog sind. Jede komplexe Zahl $z$ vom Betrag $1$ kann geschrieben werden in der Form -$z=e^{i\alpha}$, die Abbildung $f$ ist also eine Parametrisierung des +$z=e^{i\alpha}$. +Die Abbildung $f$ ist also eine Parametrisierung des Einheitskreises in der Ebene. Wir bezeichen $S^1=\{z\in\mathbb{C}\;|\; |z|=1\}$ die komplexen Zahlen vom Betrag $1$. -$S^1$ ist eine Gruppe bezüglich der Multiplikation, da für jede Zahl +$S^1$ ist eine Gruppe bezüglich der Multiplikation, da für alle Zahlen $z,w\in S^1$ gilt $|z^{-1}|=1$ und $|zw|=1$ und damit $z^{-1}\in S^1$ und $zw\in S^1$. @@ -266,32 +278,32 @@ Damit kann man jetzt die Abbildung \colon S^1\to \operatorname{SO}(2) : -z\mapsto D_{\alpha(z)} +z\mapsto R_{\alpha(z)} \] konstruieren. -Da $D_{\alpha}$ $2\pi$-periodisch ist, geben um Vielfache +Da $R_{\alpha}$ $2\pi$-periodisch ist, geben um Vielfache von $2\pi$ verschiedene Wahlen von $\alpha(z)$ die gleiche -Matrix $D_{\alpha(z)}$, die Abbildung $\varphi$ ist daher +Matrix $R_{\alpha(z)}$, die Abbildung $\varphi$ ist daher wohldefiniert. $\varphi$ erfüllt ausserdem die Bedingungen \begin{align*} \varphi(z_1z_2) &= -D_{\alpha(z_1z_2)} +R_{\alpha(z_1z_2)} = -D_{\alpha(z_1)+\alpha(z_2)} +R_{\alpha(z_1)+\alpha(z_2)} = -D_{\alpha(z_1)}D_{\alpha(z_2)} +R_{\alpha(z_1)}R_{\alpha(z_2)} = -\varphi(z_1)\varphi(z_2) +\varphi(z_1)\varphi(z_2), \\ \varphi(1) &= -D_{\alpha(1)} +R_{\alpha(1)} = -D_0 +R_0 = -I +I. \end{align*} Die Abbildung $\varphi$ ist ein Homomorphismus der Gruppe $S^1$ in die Gruppe $\operatorname{SO}(2)$. @@ -301,7 +313,7 @@ in der komplexen Ebene identifiziert werden. \subsubsection{Tangentialvektoren von $\operatorname{SO}(2)$} Da die Gruppe $\operatorname{SO}(2)$ eine eindimensionale Gruppe ist, kann jede Kurve $\gamma(t)$ durch den Drehwinkel $\alpha(t)$ -mit $\gamma(t) = D_{\alpha(t)}$ beschrieben werden. +mit $\gamma(t) = R_{\alpha(t)}$ beschrieben werden. Die Ableitung in $M_2(\mathbb{R})$ ist \begin{align*} \frac{d}{dt} \gamma(t) @@ -334,24 +346,27 @@ Die Ableitung in $M_2(\mathbb{R})$ ist \cdot \dot{\alpha}(t) = -D_{\alpha(t)}J\cdot\dot{\alpha}(t). +R_{\alpha(t)}J\cdot\dot{\alpha}(t). \end{align*} -Alle Tangentialvektoren von $\operatorname{SO}(2)$ im Punkt $D_\alpha$ -entstehen aus $J$ durch Drehung mit der Matrix $D_\alpha$ und Skalierung -mit $\dot{\alpha}(t)$. +Alle Tangentialvektoren von $\operatorname{SO}(2)$ im Punkt $R_\alpha$ +entstehen aus $J$ durch Drehung mit der Matrix $R_\alpha$ und Skalierung +mit der Winkelgeschwindigkeit $\dot{\alpha}(t)$. +\index{Winkelgeschwindigkeit}% % % Isometrien von R^n % \subsection{Isometrien von $\mathbb{R}^n$ \label{buch:gruppen:isometrien}} +Isometrien von $\mathbb{R}^n$ führen automatisch auf eine interessante +Lie-Gruppe. \subsubsection{Skalarprodukt} Lineare Abbildungen des Raumes $\mathbb{R}^n$ können durch $n\times n$-Matrizen beschrieben werden. Die Matrizen, die das Standardskalarprodukt $\mathbb{R}^n$ erhalten, bilden eine Gruppe, die in diesem Abschnitt genauer untersucht werden soll. -Eine Matrix $A\in M_{n}(\mathbb{R})$ ändert das Skalarprodukt, wenn +Eine Matrix $A\in M_{n}(\mathbb{R})$ ändert das Skalarprodukt nicht, wenn für jedes beliebige Paar $x,y$ von Vektoren gilt $\langle Ax,Ay\rangle = \langle x,y\rangle$. Das Standardskalarprodukt kann mit dem Matrixprodukt ausgedrückt werden: @@ -372,17 +387,20 @@ Mit dem Skalarprodukt kann man auch die Matrixelemente einer Matrix einer Abbildung $f$ in der Standardbasis bestimmen. Das Skalarprodukt $\langle e_i, v\rangle$ ist die Länge der Projektion des Vektors $v$ auf die Richtung $e_i$. -Die Komponenten von $Ae_j$ sind daher $a_{ij}=\langle e_i,f(e_j)\rangle$. -Die Matrix $A$ der Abbildung $f$ hat also die Matrixelemente -$a_{ij}=e_i^tAe_j$. +Die Komponenten von $Ae_j$ sind daher $a_{i\!j}=\langle e_i,f(e_j)\rangle$. +Die Matrix $A$ der Abbildung $f$ hat folglich die Matrixelemente +$a_{i\!j}=e_i^tAe_j$. \subsubsection{Die orthogonale Gruppe $\operatorname{O}(n)$} Die Matrixelemente von $A^tA$ sind -$\langle A^tAe_i, e_j\rangle =\langle e_i,e_j\rangle = \delta_{ij}$ -sind diejenigen der Einheitsmatrix, -die Matrix $A$ erfüllt $AA^t=I$ oder $A^{-1}=A^t$. +$\langle A^tAe_i, e_j\rangle =\langle e_i,e_j\rangle = \delta_{i\!j}$ +also die der Einheitsmatrix. +Die Matrix $A$ erfüllt $AA^t=I$ oder $A^{-1}=A^t$. Dies sind die {\em orthogonalen} Matrizen. -Die Menge $\operatorname{O}(n)$ der isometrischen Abbildungen besteht +\index{orthogonale Matrix}% +Die Menge $\operatorname{O}(n)$ der isometrischen Abbildungen +\index{O(n)@$\operatorname{O}(n)$}% +von $\mathbb{R}^n$ besteht daher aus den Matrizen \[ \operatorname{O}(n) @@ -401,7 +419,7 @@ n^2 - \frac{n(n+1)}{2} = \frac{n(n-1)}2. \] -Im Spezialfall $n=2$ ist die Gruppe $O(2)$ eindimensional. +Im Spezialfall $n=2$ ist die Gruppe $\operatorname{O}(2)$ eindimensional. \subsubsection{Tangentialvektoren} Die orthogonalen Matrizen bilden eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit @@ -440,16 +458,17 @@ A^t&=-A \] Die Tangentialvektoren von $\operatorname{O}(n)$ sind also genau die antisymmetrischen Matrizen. +\index{antisymmetrisch}% Für $n=2$ sind alle antisymmetrischen Matrizen Vielfache der Matrix $J$, wie in Abschnitt~\ref{buch:gruppen:drehungen2d} gezeigt wurde. -Für jedes Paar $i