From 2db90bfe4b174570424c408f04000902411d8755 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Joshua Baer Date: Mon, 12 Apr 2021 21:51:55 +0200 Subject: update to current state of book --- buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex | 1762 +++++++++++++++--------------- 1 file changed, 881 insertions(+), 881 deletions(-) (limited to 'buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex') diff --git a/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex b/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex index d6fc007..2c88b76 100644 --- a/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex +++ b/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex @@ -1,881 +1,881 @@ -% -% lie-gruppen.tex -- Lie-Gruppebn -% -% (c) 2020 Prof Dr Andreas Müller, Hochschule Rapperswil -% -\section{Lie-Gruppen -\label{buch:section:lie-gruppen}} -\rhead{Lie-Gruppen} -Die in bisherigen Beispielen untersuchten Matrizengruppen zeichnen sich -durch zusätzliche Eigenschaften aus. -Die Gruppe -\[ -\operatorname{GL}_n(\mathbb{R}) -= -\{ A \in M_n(\mathbb{R})\;|\; \det A \ne 0\} -\] -besteht aus den Matrizen, deren Determinante nicht $0$ ist. -Da die Menge der Matrizen mit $\det A=0$ eine abgeschlossene Menge -in $M_n(\mathbb{R}) \simeq \mathbb{R}^{n^2}$ ist, ist -$\operatorname{GL}_n(\mathbb{R})$ eine offene Teilmenge in $\mathbb{R}^{n^2}$, -sie besitzt also automatisch die Struktur einer $n^2$-Mannigfaltigkeit. -Dies gilt jedoch auch für alle anderen Matrizengruppen, die in diesem -Abschnitt genauer untersucht werden sollen. - -\subsection{Mannigfaltigkeitsstruktur der Matrizengruppen -\label{buch:subsection:mannigfaltigkeitsstruktur-der-matrizengruppen}} -Eine Matrizengruppe wird automatsich zu einer Mannigfaltigkeit, -wenn es gelingt, eine Karte für eine Umgebung des neutralen Elements -zu finden. -Dazu muss gezeigt werden, dass sich aus einer solchen Karte für jedes -andere Gruppenelement eine Karte für eine Umgebung ableiten lässt. -Sei also $\varphi_e\colon U_e\mathbb{R}^N$ eine Karte für die Umgebung -$U_e\subset G$ von $e\in G$. -Für $g\in G$ ist dann die Abbildung -\[ -\varphi_g -\colon -U_g -= -gU_e -\to -\mathbb{R} -: -h\mapsto \varphi_e(g^{-1}h) -\] -eine Karte für die Umgebung $U_g$ des Gruppenelementes $g$. -schreibt man $l_{g}$ für die Abbildung $h\mapsto gh$, dann -kann man die Kartenabbildung auch $\varphi_g = \varphi_e\circ l_{g^{-1}}$ -schreiben. - -\subsubsection{Kartenwechsel} -Die Kartenwechsel-Abbildungen für zwei Karten $\varphi_{g_1}$ -und $\varphi_{g_2}$ ist die Abbildung -\[ -\varphi_{g_1,g_2} -= -\varphi_{g_1}\circ \varphi_{g_2}^{-1} -= -\varphi_e\circ l_{g_1^{-1}} \circ (\varphi_e\circ l_{g_2^{-1}})^{-1} -= -\varphi_e\circ l_{g_1^{-1}} \circ l_{g_2^{-1}}^{-1} \varphi_e^{-1} -= -\varphi_e\circ l_{g_1^{-1}} \circ l_{g_2}\varphi_e^{-1} -= -\varphi_e\circ l_{g_1^{-1}g_2}\varphi_e^{-1} -\] -mit der Ableitung -\[ -D\varphi_e\circ Dl_{g_1^{-1}g_2} D\varphi_e^{-1} -= -D\varphi_e\circ Dl_{g_1^{-1}g_2} (D\varphi_e)^{-1}. -\] -Die Abbildung $l_{g_1^{-1}g_2}$ ist aber nur die Multiplikation mit -einer Matrix, also eine lineare Abbildung, so dass der Kartenwechsel -nichts anderes ist als die Darstellung der Matrix der Linksmultiplikation -$l_{g_1^{-1}g_2}$ im Koordinatensystem der Karte $U_e$ ist. -Differenzierbarkeit der Kartenwechsel ist damit sichergestellt, -die Matrizengruppen sind automatisch differenzierbare Mannigfaltigkeiten. - -Die Konstruktion aller Karten aus einer einzigen Karte für eine -Umgebung des neutralen Elements zeigt auch, dass es für die Matrizengruppen -reicht, wenn man die Elemente in einer Umgebung des neutralen -Elementes parametrisieren kann. -Dies ist jedoch nicht nur für die Matrizengruppen möglich. -Wenn eine Gruppe gleichzeitig eine differenzierbare Mannigfaltigkeit -ist, dann können Karten über die ganze Gruppe transportiert werden, -wenn die Multiplikation mit Gruppenelementen eine differenzierbare -Abbildung ist. -Solche Gruppen heissen auch Lie-Gruppen gemäss der folgenden Definition. - -\begin{definition} -\index{Lie-Gruppe}% -Eine {\em Lie-Gruppe} ist eine Gruppe, die gleichzeitig eine differenzierbare -Mannigfaltigkeit ist derart, dass die Abbildungen -\begin{align*} -G\times G \to G &: (g_1,g_2)\mapsto g_1g_2 -\\ -G\to G &: g \mapsto g^{-1} -\end{align*} -differenzierbare Abbildungen zwischen Mannigfaltigkeiten sind. -\end{definition} - -Die Abstraktheit dieser Definition täuscht etwas über die -Tatsache hinweg, dass sich mit Hilfe der Darstellungstheorie -jede beliebige Lie-Gruppe als Untermannigfaltigkeit einer -Matrizengruppe verstehen lässt. -Das Studium der Matrizengruppen erlaubt uns daher ohne grosse -Einschränkungen ein Verständnis für die Theorie der Lie-Gruppen -zu entwickeln. - -\subsubsection{Tangentialvektoren und die Exponentialabbildung} -Die Matrizengruppen sind alle in der -$n^2$-dimensionalen Mannigfaltigkeit $\operatorname{GL}_n(\mathbb{R})$ -enthalten. -Diffferenzierbare Kurven $\gamma(t)$ in $\operatorname{GL}_n(\mathbb{R})$ -haben daher in jedem Punkt Tangentialvektoren, die als Matrizen in -$M_n(\mathbb{R})$ betrachtet werden können. -Wenn $\gamma(t)$ die Matrixelemente $\gamma_{ij}(t)$ hat, dann ist der -Tangentialvektor im Punkt $\gamma(t)$ durch -\[ -\frac{d}{dt} -\gamma(t) -= -\begin{pmatrix} -\dot{\gamma}_{11}(t)&\dots &\dot{\gamma}_{1n}(t)\\ -\vdots &\ddots&\vdots \\ -\dot{\gamma}_{n1}(t)&\dots &\dot{\gamma}_{nn}(t) -\end{pmatrix} -\] -gegeben. - -Im Allgemeinen kann man Tangentialvektoren in verschiedenen Punkten -einer Mannigfaltigkeit nicht miteinander vergleichen. -Die Multiplikation $l_g$, die den Punkt $e$ in den Punkt $g$ verschiebt, -transportiert auch die Tangentialvektoren im Punkt $e$ in -Tangentialvektoren im Punkt $g$. - -\begin{aufgabe} -Gibt es eine Kurve $\gamma(t)\in\mathbb{GL}_n(\mathbb{R})$ mit -$\gamma(0)=e$ derart, dass der Tangentialvektor im Punkt $\gamma(t)$ -für $t>0$ derselbe ist wie der Tangentialvektor im Punkt $e$, transportiert -durch Matrixmultiplikation mit $\gamma(t)$? -\end{aufgabe} - -Eine solche Kurve muss die Differentialgleichung -\begin{equation} -\frac{d}{dt}\gamma(t) -= -\gamma(t)\cdot A -\label{buch:gruppen:eqn:expdgl} -\end{equation} -erfüllen, wobei $A\in M_n(\mathbb{R})$ der gegebene Tangentialvektor -in $e=I$ ist. - -Die Matrixexponentialfunktion -\[ -e^{At} -= -1+At+\frac{A^2t^2}{2!}+\frac{A^3t^3}{3!}+\frac{A^4t^4}{4!}+\dots -\] -liefert eine Einparametergruppe -$\mathbb{R}\to \operatorname{GL}_n(\mathbb{R})$ mit der Ableitung -\[ -\frac{d}{dt} e^{At} -= -\lim_{h\to 0} \frac{e^{A(t+h)}-e^{At}}{h} -= -\lim_{h\to 0} e^{At}\frac{e^{Ah}-I}{h} -= -e^{At} A. -\] -Sie ist also Lösung der Differentialgleichung~\eqref{buch:gruppen:eqn:expdgl}. - -\subsection{Drehungen in der Ebene -\label{buch:gruppen:drehungen2d}} -Die Drehungen der Ebene sind die orientierungserhaltenden Symmetrien -des Einheitskreises, der in Abbildung~\ref{buch:gruppen:fig:kartenkreis} -als Mannigfaltigkeit erkannt wurde. -Sie bilden eine Lie-Gruppe, die auf verschiedene Arten als Matrix -beschrieben werden kann. - -\subsubsection{Die Untergruppe -$\operatorname{SO}(2)\subset \operatorname{GL}_2(\mathbb{R})$} -Drehungen der Ebene können in einer orthonormierten Basis durch -Matrizen der Form -\[ -D_{\alpha} -= -\begin{pmatrix} -\cos\alpha&-\sin\alpha\\ -\sin\alpha& \cos\alpha -\end{pmatrix} -\] -dargestellt werden. -Wir bezeichnen die Menge der Drehmatrizen in der Ebene mit -$\operatorname{SO}(2)\subset\operatorname{GL}_2(\mathbb{R})$. -Die Abbildung -\[ -D_{\bullet} -\colon -\mathbb{R}\to \operatorname{SO}(2) -: -\alpha \mapsto D_{\alpha} -\] -hat die Eigenschaften -\begin{align*} -D_{\alpha+\beta}&= D_{\alpha}D_{\beta} -\\ -D_0&=I -\\ -D_{2k\pi}&=I\qquad \forall k\in\mathbb{Z}. -\end{align*} -Daraus folgt zum Beispiel, dass $D_{\bullet}$ eine $2\pi$-periodische -Funktion ist. -$D_{\bullet}$ bildet die Menge der Winkel $[0,2\pi)$ bijektiv auf -die Menge der Drehmatrizen in der Ebene ab. - -Für jedes Intervall $(a,b)\subset\mathbb{R}$ mit Länge -$b-a < 2\pi$ ist die Abbildung $\alpha\mapsto D_{\alpha}$ umkehrbar, -die Umkehrung kann als Karte verwendet werden. -Zwei verschiedene Karten $\alpha_1\colon U_1\to\mathbb{R}$ und -$\alpha_2\colon U_2\to\mathbb{R}$ bilden die Elemente $g\in U_1\cap U_2$ -in Winkel $\alpha_1(g)$ und $\alpha_2(g)$ ab, für die -$D_{\alpha_1(g)}=D_{\alpha_2(g)}$ gilt. -Dies ist gleichbedeutend damit, dass $\alpha_1(g)=\alpha_2(g)+2\pi k$ -mit $k\in \mathbb{Z}$. -In einem Intervall in $U_1\cap U_2$ muss $k$ konstant sein. -Die Kartenwechselabblidung ist also nur die Addition eines Vielfachen -von $2\pi$, mit der identischen Abbildung als Ableitung. -Diese Karten führen also auf besonders einfache Kartenwechselabbildungen. - -\subsubsection{Die Untergruppe $S^1\subset\mathbb{C}$} -Ein alternatives Bild für die Drehungen der Ebene kann man in der komplexen -Ebene $\mathbb{C}$ erhalten. -Die Multiplikation mit der komplexen Zahl $e^{i\alpha}$ beschreibt eine -Drehung der komplexen Ebene um den Winkel $\alpha$. -Die Zahlen der Form $e^{i\alpha}$ haben den Betrag $1$ und die Abbildung -\[ -f\colon \mathbb{R}\to \mathbb{C}:\alpha \mapsto e^{i\alpha} -\] -hat die Eigenschaften -\begin{align*} -f(\alpha+\beta) &= f(\alpha)f(\beta) -\\ -f(0)&=1 -\\ -f(2\pi k)&=1\qquad\forall k\in\mathbb{Z}, -\end{align*} -die zu den Eigenschaften der Abbildung $\alpha\mapsto D_{\alpha}$ -analog sind. - -Jede komplexe Zahl $z$ vom Betrag $1$ kann geschrieben werden in der Form -$z=e^{i\alpha}$, die Abbildung $f$ ist also eine Parametrisierung des -Einheitskreises in der Ebene. -Wir bezeichen $S^1=\{z\in\mathbb{C}\;|\; |z|=1\}$ die komplexen Zahlen vom -Betrag $1$. -$S^1$ ist eine Gruppe bezüglich der Multiplikation, da für jede Zahl -$z,w\in S^1$ gilt -$|z^{-1}|=1$ und $|zw|=1$ und damit $z^{-1}\in S^1$ und $zw\in S^1$. - -Zu einer komplexen Zahl $z\in S^1$ gibt es einen bis auf Vielfache -von $2\pi$ eindeutigen Winkel $\alpha(z)$ derart, dass $e^{i\alpha(z)}=z$. -Damit kann man jetzt die Abbildung -\[ -\varphi -\colon -S^1\to \operatorname{SO}(2) -: -z\mapsto D_{\alpha(z)} -\] -konstruieren. -Da $D_{\alpha}$ $2\pi$-periodisch ist, geben um Vielfache -von $2\pi$ verschiedene Wahlen von $\alpha(z)$ die gleiche -Matrix $D_{\alpha(z)}$, die Abbildung $\varphi$ ist daher -wohldefiniert. -$\varphi$ erfüllt ausserdem die Bedingungen -\begin{align*} -\varphi(z_1z_2) -&= -D_{\alpha(z_1z_2)} -= -D_{\alpha(z_1)+\alpha(z_2)} -= -D_{\alpha(z_1)}D_{\alpha(z_2)} -= -\varphi(z_1)\varphi(z_2) -\\ -\varphi(1) -&= -D_{\alpha(1)} -= -D_0 -= -I -\end{align*} -Die Abbildung $\varphi$ ist ein Homomorphismus der Gruppe $S^1$ -in die Gruppe $\operatorname{SO}(2)$. -Die Menge der Drehmatrizen in der Ebene kann also mit dem Einheitskreis -in der komplexen Ebene identifiziert werden. - -\subsubsection{Tangentialvektoren von $\operatorname{SO}(2)$} -Da die Gruppe $\operatorname{SO}(2)$ eine eindimensionale Gruppe -ist, kann jede Kurve $\gamma(t)$ durch den Drehwinkel $\alpha(t)$ -mit $\gamma(t) = D_{\alpha(t)}$ beschrieben werden. -Die Ableitung in $M_2(\mathbb{R})$ ist -\begin{align*} -\frac{d}{dt} \gamma(t) -&= -\frac{d}{d\alpha} -\begin{pmatrix} -\cos\alpha(t) & - \sin\alpha(t)\\ -\sin\alpha(t) & \cos\alpha(t) -\end{pmatrix} -\cdot -\frac{d\alpha}{dt} -\\ -&= -\begin{pmatrix} --\sin\alpha(t)&-\cos\alpha(t)\\ - \cos\alpha(t)&-\sin\alpha(t) -\end{pmatrix} -\cdot -\dot{\alpha}(t) -\\ -&= -\begin{pmatrix} -\cos\alpha(t) & - \sin\alpha(t)\\ -\sin\alpha(t) & \cos\alpha(t) -\end{pmatrix} -\begin{pmatrix} -0&-1\\ -1&0 -\end{pmatrix} -\cdot -\dot{\alpha}(t) -= -D_{\alpha(t)}J\cdot\dot{\alpha}(t). -\end{align*} -Alle Tangentialvektoren von $\operatorname{SO}(2)$ im Punkt $D_\alpha$ -entstehen aus $J$ durch Drehung mit der Matrix $D_\alpha$ und Skalierung -mit $\dot{\alpha}(t)$. - -% -% Isometrien von R^n -% -\subsection{Isometrien von $\mathbb{R}^n$ -\label{buch:gruppen:isometrien}} - -\subsubsection{Skalarprodukt} -Lineare Abbildungen des Raumes $\mathbb{R}^n$ können durch -$n\times n$-Matrizen beschrieben werden. -Die Matrizen, die das Standardskalarprodukt $\mathbb{R}^n$ erhalten, -bilden eine Gruppe, die in diesem Abschnitt genauer untersucht werden soll. -Eine Matrix $A\in M_{n}(\mathbb{R})$ ändert das Skalarprodukt, wenn -für jedes beliebige Paar $x,y$ von Vektoren gilt -$\langle Ax,Ay\rangle = \langle x,y\rangle$. -Das Standardskalarprodukt kann mit dem Matrixprodukt ausgedrückt werden: -\[ -\langle Ax,Ay\rangle -= -(Ax)^tAy -= -x^tA^tAy -= -x^ty -= -\langle x,y\rangle -\] -für jedes Paar von Vektoren $x,y\in\mathbb{R}$. - -Mit dem Skalarprodukt kann man auch die Matrixelemente einer Matrix -einer Abbildung $f$ in der Standardbasis bestimmen. -Das Skalarprodukt $\langle e_i, v\rangle$ ist die Länge der Projektion -des Vektors $v$ auf die Richtung $e_i$. -Die Komponenten von $Ae_j$ sind daher $a_{ij}=\langle e_i,f(e_j)\rangle$. -Die Matrix $A$ der Abbildung $f$ hat also die Matrixelemente -$a_{ij}=e_i^tAe_j$. - -\subsubsection{Die orthogonale Gruppe $\operatorname{O}(n)$} -Die Matrixelemente von $A^tA$ sind -$\langle A^tAe_i, e_j\rangle =\langle e_i,e_j\rangle = \delta_{ij}$ -sind diejenigen der Einheitsmatrix, -die Matrix $A$ erfüllt $AA^t=I$ oder $A^{-1}=A^t$. -Dies sind die {\em orthogonalen} Matrizen. -Die Menge $\operatorname{O}(n)$ der isometrischen Abbildungen besteht -daher aus den Matrizen -\[ -\operatorname{O}(n) -= -\{ A\in M_n(\mathbb{R})\;|\; AA^t=I\}. -\] -Die Matrixgleichung $AA^t=I$ liefert $n(n+1)/2$ unabhängige Bedingungen, -die die orthogonalen Matrizen innerhalb der $n^2$-dimensionalen -Menge $M_n(\mathbb{R})$ auszeichnen. -Die Menge $\operatorname{O}(n)$ der orthogonalen Matrizen hat daher -die Dimension -\[ -n^2 - \frac{n(n+1)}{2} -= -\frac{2n^2-n^2-n}{2} -= -\frac{n(n-1)}2. -\] -Im Spezialfall $n=2$ ist die Gruppe $O(2)$ eindimensional. - -\subsubsection{Tangentialvektoren} -Die orthogonalen Matrizen bilden eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit -von $\operatorname{GL}_n(\mathbb{R})$, nicht jede Matrix $M_n(\mathbb{R})$ -kann also ein Tangentialvektor von $O(n)$ sein. -Um herauszufinden, welche Matrizen als Tangentialvektoren in Frage -kommen, betrachten wir eine Kurve $\gamma\colon\mathbb{R}\to O(n)$ -von orthogonalen Matrizen mit $\gamma(0)=I$. -Orthogonal bedeutet -\[ -\begin{aligned} -&& -0 -&= -\frac{d}{dt}I -= -\frac{d}{dt} -(\gamma(t)^t\gamma(t)) -= -\dot{\gamma}(t)^t\gamma(t)) -+ -\gamma(t)^t\dot{\gamma}(t)) -\\ -&\Rightarrow& -0 -&= -\dot{\gamma}(0)^t \cdot I + I\cdot \dot{\gamma(0)} -= -\dot{\gamma}(0)^t + \dot{\gamma}(0) -= -A^t+A=0 -\\ -&\Rightarrow& -A^t&=-A -\end{aligned} -\] -Die Tangentialvektoren von $\operatorname{O}(n)$ sind also genau -die antisymmetrischen Matrizen. - -Für $n=2$ sind alle antisymmetrischen Matrizen Vielfache der Matrix -$J$, wie in Abschnitt~\ref{buch:gruppen:drehungen2d} -gezeigt wurde. - -Für jedes Paar $i0$ derselbe ist wie der Tangentialvektor im Punkt $e$, transportiert +durch Matrixmultiplikation mit $\gamma(t)$? +\end{aufgabe} + +Eine solche Kurve muss die Differentialgleichung +\begin{equation} +\frac{d}{dt}\gamma(t) += +\gamma(t)\cdot A +\label{buch:gruppen:eqn:expdgl} +\end{equation} +erfüllen, wobei $A\in M_n(\mathbb{R})$ der gegebene Tangentialvektor +in $e=I$ ist. + +Die Matrixexponentialfunktion +\[ +e^{At} += +1+At+\frac{A^2t^2}{2!}+\frac{A^3t^3}{3!}+\frac{A^4t^4}{4!}+\dots +\] +liefert eine Einparametergruppe +$\mathbb{R}\to \operatorname{GL}_n(\mathbb{R})$ mit der Ableitung +\[ +\frac{d}{dt} e^{At} += +\lim_{h\to 0} \frac{e^{A(t+h)}-e^{At}}{h} += +\lim_{h\to 0} e^{At}\frac{e^{Ah}-I}{h} += +e^{At} A. +\] +Sie ist also Lösung der Differentialgleichung~\eqref{buch:gruppen:eqn:expdgl}. + +\subsection{Drehungen in der Ebene +\label{buch:gruppen:drehungen2d}} +Die Drehungen der Ebene sind die orientierungserhaltenden Symmetrien +des Einheitskreises, der in Abbildung~\ref{buch:gruppen:fig:kartenkreis} +als Mannigfaltigkeit erkannt wurde. +Sie bilden eine Lie-Gruppe, die auf verschiedene Arten als Matrix +beschrieben werden kann. + +\subsubsection{Die Untergruppe +$\operatorname{SO}(2)\subset \operatorname{GL}_2(\mathbb{R})$} +Drehungen der Ebene können in einer orthonormierten Basis durch +Matrizen der Form +\[ +D_{\alpha} += +\begin{pmatrix} +\cos\alpha&-\sin\alpha\\ +\sin\alpha& \cos\alpha +\end{pmatrix} +\] +dargestellt werden. +Wir bezeichnen die Menge der Drehmatrizen in der Ebene mit +$\operatorname{SO}(2)\subset\operatorname{GL}_2(\mathbb{R})$. +Die Abbildung +\[ +D_{\bullet} +\colon +\mathbb{R}\to \operatorname{SO}(2) +: +\alpha \mapsto D_{\alpha} +\] +hat die Eigenschaften +\begin{align*} +D_{\alpha+\beta}&= D_{\alpha}D_{\beta} +\\ +D_0&=I +\\ +D_{2k\pi}&=I\qquad \forall k\in\mathbb{Z}. +\end{align*} +Daraus folgt zum Beispiel, dass $D_{\bullet}$ eine $2\pi$-periodische +Funktion ist. +$D_{\bullet}$ bildet die Menge der Winkel $[0,2\pi)$ bijektiv auf +die Menge der Drehmatrizen in der Ebene ab. + +Für jedes Intervall $(a,b)\subset\mathbb{R}$ mit Länge +$b-a < 2\pi$ ist die Abbildung $\alpha\mapsto D_{\alpha}$ umkehrbar, +die Umkehrung kann als Karte verwendet werden. +Zwei verschiedene Karten $\alpha_1\colon U_1\to\mathbb{R}$ und +$\alpha_2\colon U_2\to\mathbb{R}$ bilden die Elemente $g\in U_1\cap U_2$ +in Winkel $\alpha_1(g)$ und $\alpha_2(g)$ ab, für die +$D_{\alpha_1(g)}=D_{\alpha_2(g)}$ gilt. +Dies ist gleichbedeutend damit, dass $\alpha_1(g)=\alpha_2(g)+2\pi k$ +mit $k\in \mathbb{Z}$. +In einem Intervall in $U_1\cap U_2$ muss $k$ konstant sein. +Die Kartenwechselabblidung ist also nur die Addition eines Vielfachen +von $2\pi$, mit der identischen Abbildung als Ableitung. +Diese Karten führen also auf besonders einfache Kartenwechselabbildungen. + +\subsubsection{Die Untergruppe $S^1\subset\mathbb{C}$} +Ein alternatives Bild für die Drehungen der Ebene kann man in der komplexen +Ebene $\mathbb{C}$ erhalten. +Die Multiplikation mit der komplexen Zahl $e^{i\alpha}$ beschreibt eine +Drehung der komplexen Ebene um den Winkel $\alpha$. +Die Zahlen der Form $e^{i\alpha}$ haben den Betrag $1$ und die Abbildung +\[ +f\colon \mathbb{R}\to \mathbb{C}:\alpha \mapsto e^{i\alpha} +\] +hat die Eigenschaften +\begin{align*} +f(\alpha+\beta) &= f(\alpha)f(\beta) +\\ +f(0)&=1 +\\ +f(2\pi k)&=1\qquad\forall k\in\mathbb{Z}, +\end{align*} +die zu den Eigenschaften der Abbildung $\alpha\mapsto D_{\alpha}$ +analog sind. + +Jede komplexe Zahl $z$ vom Betrag $1$ kann geschrieben werden in der Form +$z=e^{i\alpha}$, die Abbildung $f$ ist also eine Parametrisierung des +Einheitskreises in der Ebene. +Wir bezeichen $S^1=\{z\in\mathbb{C}\;|\; |z|=1\}$ die komplexen Zahlen vom +Betrag $1$. +$S^1$ ist eine Gruppe bezüglich der Multiplikation, da für jede Zahl +$z,w\in S^1$ gilt +$|z^{-1}|=1$ und $|zw|=1$ und damit $z^{-1}\in S^1$ und $zw\in S^1$. + +Zu einer komplexen Zahl $z\in S^1$ gibt es einen bis auf Vielfache +von $2\pi$ eindeutigen Winkel $\alpha(z)$ derart, dass $e^{i\alpha(z)}=z$. +Damit kann man jetzt die Abbildung +\[ +\varphi +\colon +S^1\to \operatorname{SO}(2) +: +z\mapsto D_{\alpha(z)} +\] +konstruieren. +Da $D_{\alpha}$ $2\pi$-periodisch ist, geben um Vielfache +von $2\pi$ verschiedene Wahlen von $\alpha(z)$ die gleiche +Matrix $D_{\alpha(z)}$, die Abbildung $\varphi$ ist daher +wohldefiniert. +$\varphi$ erfüllt ausserdem die Bedingungen +\begin{align*} +\varphi(z_1z_2) +&= +D_{\alpha(z_1z_2)} += +D_{\alpha(z_1)+\alpha(z_2)} += +D_{\alpha(z_1)}D_{\alpha(z_2)} += +\varphi(z_1)\varphi(z_2) +\\ +\varphi(1) +&= +D_{\alpha(1)} += +D_0 += +I +\end{align*} +Die Abbildung $\varphi$ ist ein Homomorphismus der Gruppe $S^1$ +in die Gruppe $\operatorname{SO}(2)$. +Die Menge der Drehmatrizen in der Ebene kann also mit dem Einheitskreis +in der komplexen Ebene identifiziert werden. + +\subsubsection{Tangentialvektoren von $\operatorname{SO}(2)$} +Da die Gruppe $\operatorname{SO}(2)$ eine eindimensionale Gruppe +ist, kann jede Kurve $\gamma(t)$ durch den Drehwinkel $\alpha(t)$ +mit $\gamma(t) = D_{\alpha(t)}$ beschrieben werden. +Die Ableitung in $M_2(\mathbb{R})$ ist +\begin{align*} +\frac{d}{dt} \gamma(t) +&= +\frac{d}{d\alpha} +\begin{pmatrix} +\cos\alpha(t) & - \sin\alpha(t)\\ +\sin\alpha(t) & \cos\alpha(t) +\end{pmatrix} +\cdot +\frac{d\alpha}{dt} +\\ +&= +\begin{pmatrix} +-\sin\alpha(t)&-\cos\alpha(t)\\ + \cos\alpha(t)&-\sin\alpha(t) +\end{pmatrix} +\cdot +\dot{\alpha}(t) +\\ +&= +\begin{pmatrix} +\cos\alpha(t) & - \sin\alpha(t)\\ +\sin\alpha(t) & \cos\alpha(t) +\end{pmatrix} +\begin{pmatrix} +0&-1\\ +1&0 +\end{pmatrix} +\cdot +\dot{\alpha}(t) += +D_{\alpha(t)}J\cdot\dot{\alpha}(t). +\end{align*} +Alle Tangentialvektoren von $\operatorname{SO}(2)$ im Punkt $D_\alpha$ +entstehen aus $J$ durch Drehung mit der Matrix $D_\alpha$ und Skalierung +mit $\dot{\alpha}(t)$. + +% +% Isometrien von R^n +% +\subsection{Isometrien von $\mathbb{R}^n$ +\label{buch:gruppen:isometrien}} + +\subsubsection{Skalarprodukt} +Lineare Abbildungen des Raumes $\mathbb{R}^n$ können durch +$n\times n$-Matrizen beschrieben werden. +Die Matrizen, die das Standardskalarprodukt $\mathbb{R}^n$ erhalten, +bilden eine Gruppe, die in diesem Abschnitt genauer untersucht werden soll. +Eine Matrix $A\in M_{n}(\mathbb{R})$ ändert das Skalarprodukt, wenn +für jedes beliebige Paar $x,y$ von Vektoren gilt +$\langle Ax,Ay\rangle = \langle x,y\rangle$. +Das Standardskalarprodukt kann mit dem Matrixprodukt ausgedrückt werden: +\[ +\langle Ax,Ay\rangle += +(Ax)^tAy += +x^tA^tAy += +x^ty += +\langle x,y\rangle +\] +für jedes Paar von Vektoren $x,y\in\mathbb{R}$. + +Mit dem Skalarprodukt kann man auch die Matrixelemente einer Matrix +einer Abbildung $f$ in der Standardbasis bestimmen. +Das Skalarprodukt $\langle e_i, v\rangle$ ist die Länge der Projektion +des Vektors $v$ auf die Richtung $e_i$. +Die Komponenten von $Ae_j$ sind daher $a_{ij}=\langle e_i,f(e_j)\rangle$. +Die Matrix $A$ der Abbildung $f$ hat also die Matrixelemente +$a_{ij}=e_i^tAe_j$. + +\subsubsection{Die orthogonale Gruppe $\operatorname{O}(n)$} +Die Matrixelemente von $A^tA$ sind +$\langle A^tAe_i, e_j\rangle =\langle e_i,e_j\rangle = \delta_{ij}$ +sind diejenigen der Einheitsmatrix, +die Matrix $A$ erfüllt $AA^t=I$ oder $A^{-1}=A^t$. +Dies sind die {\em orthogonalen} Matrizen. +Die Menge $\operatorname{O}(n)$ der isometrischen Abbildungen besteht +daher aus den Matrizen +\[ +\operatorname{O}(n) += +\{ A\in M_n(\mathbb{R})\;|\; AA^t=I\}. +\] +Die Matrixgleichung $AA^t=I$ liefert $n(n+1)/2$ unabhängige Bedingungen, +die die orthogonalen Matrizen innerhalb der $n^2$-dimensionalen +Menge $M_n(\mathbb{R})$ auszeichnen. +Die Menge $\operatorname{O}(n)$ der orthogonalen Matrizen hat daher +die Dimension +\[ +n^2 - \frac{n(n+1)}{2} += +\frac{2n^2-n^2-n}{2} += +\frac{n(n-1)}2. +\] +Im Spezialfall $n=2$ ist die Gruppe $O(2)$ eindimensional. + +\subsubsection{Tangentialvektoren} +Die orthogonalen Matrizen bilden eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit +von $\operatorname{GL}_n(\mathbb{R})$, nicht jede Matrix $M_n(\mathbb{R})$ +kann also ein Tangentialvektor von $O(n)$ sein. +Um herauszufinden, welche Matrizen als Tangentialvektoren in Frage +kommen, betrachten wir eine Kurve $\gamma\colon\mathbb{R}\to O(n)$ +von orthogonalen Matrizen mit $\gamma(0)=I$. +Orthogonal bedeutet +\[ +\begin{aligned} +&& +0 +&= +\frac{d}{dt}I += +\frac{d}{dt} +(\gamma(t)^t\gamma(t)) += +\dot{\gamma}(t)^t\gamma(t)) ++ +\gamma(t)^t\dot{\gamma}(t)) +\\ +&\Rightarrow& +0 +&= +\dot{\gamma}(0)^t \cdot I + I\cdot \dot{\gamma(0)} += +\dot{\gamma}(0)^t + \dot{\gamma}(0) += +A^t+A=0 +\\ +&\Rightarrow& +A^t&=-A +\end{aligned} +\] +Die Tangentialvektoren von $\operatorname{O}(n)$ sind also genau +die antisymmetrischen Matrizen. + +Für $n=2$ sind alle antisymmetrischen Matrizen Vielfache der Matrix +$J$, wie in Abschnitt~\ref{buch:gruppen:drehungen2d} +gezeigt wurde. + +Für jedes Paar $i