From 0ead33dd72a7dd09ab8f855e672cb81e38623ef1 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: =?UTF-8?q?Andreas=20M=C3=BCller?= Date: Sun, 22 Aug 2021 21:43:09 +0200 Subject: euler char, traces, telescoping sums --- buch/chapters/95-homologie/homologieketten.tex | 281 +++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 281 insertions(+) create mode 100644 buch/chapters/95-homologie/homologieketten.tex (limited to 'buch/chapters/95-homologie/homologieketten.tex') diff --git a/buch/chapters/95-homologie/homologieketten.tex b/buch/chapters/95-homologie/homologieketten.tex new file mode 100644 index 0000000..9874ddd --- /dev/null +++ b/buch/chapters/95-homologie/homologieketten.tex @@ -0,0 +1,281 @@ +\subsection{Homologie eines Kettenkomplexes +\label{buch:subsection:homologie-eines-kettenkomplexes}} +Wegzusammenhang lässt sich untersuchen, indem man in der Triangulation +nach Linearkombinationen von Kanten sucht, die als Rand die beiden Punkte +haben. +Zwei Punkte sind also nicht verbindbar und liegen damit in verschiedenen +Komponenten, wenn die beiden Punkte nicht Rand irgend einer +Linearkombination von Kanten sind. +Komponenten können also identifiziert werden, indem man unter allen +Linearkombinationen von Punkten, also $C_0$ all diejenigen ignoriert, +die Rand einer Linearkombinationv on Kanten sind, also $\partial_1C_1$. +Der Quotientenraum $H_0=C_0/\partial_1C_1$ enthält also für jede Komponente +eine Dimension. + +Eine Dimension höher könnten wir danach fragen, ob sich ein geschlossener +Weg zusammenziehen lässt. +In der Triangulation zeichnet sich ein geschlossener Weg dadurch aus, +dass jedes Ende einer Kante auch Anfang einer Folgekante ist, dass also +der Rand der Linearkombination von Kanten 0 ist. +Algebraisch bedeutet dies, dass wir uns für diejenigen Linearkombinationen +$z\in C_1$ interessieren, die keinen Rand haben, für die also $\partial_1z=0$ +gilt. + +\begin{definition} +Die Elemente von +\[ +Z_k += +Z_k^C += +\{z\in C_k\;|\; \partial_k z = 0\} += +\ker \partial_k +\] +heissen die {\em ($k$-dimensionalen) Zyklen} von $C_*$. +\end{definition} + +In einem Dreieck ist der Rand ein geschlossener Weg, der sich zusammenziehen +lässt, indem man ihn durch die Dreiecksfläche deformiert. +Entfernt man aber die Dreiecksfläche, ist diese Deformation nicht mehr +möglich. +Einen zusammenziehbaren Weg kann man sich also als den Rand eines Dreiecks +einer vorstellen. +``Löcher'' sind durch geschlossene Wege erkennbar, die nicht Rand eines +Dreiecks sein können. +Wir müssen also ``Ränder'' ignorieren. + +\begin{definition} +Die Elemente von +\[ +B_k += +B_k^C += +\{\partial_{k+1}z\;|\; C_{k+1}\} += +\operatorname{im} \partial_{k+1} +\] +heissen die {\em ($k$-dimensionalen) Ränder} von $C_*$. +\end{definition} + +Algebraisch ausgedrückt interessieren uns also nur Zyklen, die selbst +keine Ränder sind. +Der Quotientenraum $Z_1/B_1$ ignoriert unter den Zyklen diejenigen, die +Ränder sind, drückt also algebraisch die Idee des eindimensionalen +Zusammenhangs aus. +Wir definieren daher + +\begin{definition} +Die $k$-dimensionale Homologiegruppe des Kettenkomplexes $C_*$ ist +\[ +H_k(C) = Z_k/B_k = \ker \partial_k / \operatorname{im} \partial_{k+1}. +\] +Wenn nur von einem Kettenkomplex die Rede ist, kann auch $H_k(C)=H_k$ +abgekürzt werden. +\end{definition} + +% XXX Visualisierung Zyklen/Ränder, Klassen von Zyklen, die sich um einen +% XXX Rand unterscheiden + +Die folgenden zwei ausführlichen Beispiele sollen zeigen, wie die +Homologiegruppe $H_2$ die Anwesenheit eines Hohlraumes detektieren kann, +der entsteht, wenn man aus einem Tetraeder das innere entfernt. + +\begin{beispiel} +\begin{figure} +\centering +XXX Bild eines Tetraeders mit Bezeichnung der Ecken und Kanten +\caption{Triangulation eines Tetraeders, die Orientierung von Kanten +und Seitenflächen ist immer so gewählt, dass die Nummern der Ecken +aufsteigend sind. +\label{buch:homologie:tetraeder:fig}} +\end{figure} +Ein Tetraeder ist ein zweidmensionales Simplex, wir untersuchen seinen +Kettenkomplex und bestimmen die zugehörigen Homologiegruppen. +Zunächst müssen wir die einzelnen Mengen $C_k$ beschreiben und verwenden +dazu die Bezeichnungen gemäss Abbildung~\ref{buch:homologie:tetraeder:fig}. +$C_0$ ist der vierdimensionale Raum aufgespannt von den vier Ecken +$0$, $1$, $2$ und $3$ des Tetraeders. +$C_1$ ist der sechsdimensionale Vektorraum der Kanten +\[ +k_0 = [0,1],\quad +k_1 = [0,2],\quad +k_2 = [0,3],\quad +k_3 = [1,2],\quad +k_4 = [1,3],\quad +k_5 = [2,3] +\] +Der Randoperator $\partial_1$ hat die Matrix +\[ +\partial_1 += +\begin{pmatrix*}[r] +-1&-1&-1& 0& 0& 0\\ + 1& 0& 0&-1&-1& 0\\ + 0& 1& 0& 1& 0&-1\\ + 0& 0& 1& 0& 1& 1 +\end{pmatrix*}. +\] + +Wir erwarten natürlich, dass sich zwei beliebige Ecken verbinden lassen, +dass es also nur eine Komponente gibt und dass damit $H_1=\Bbbk$ ist. +Dazu beachten wir, dass das Bild von $\partial_1$ genau aus den Vektoren +besteht, deren Komponentensumme $0$ ist. +Das Bild $B_0$ von $\partial_1$ ist daher die Lösungsmenge der einen +Gleichung +\( +x_0+x_1+x_2+x_3=0. +\) +Der Quotientenraum $H_0=Z_0/B_0 = C_0/\operatorname{im}\partial_1$ +ist daher wie erwartet eindimensional. + +Wir bestimmen jetzt die Homologiegruppe $H_1$. +Da sich im Tetraeder jeder geschlossene Weg zusammenziehen lässt, +erwarten wir $H_1=0$. + +Die Menge der Zyklen $Z_1$ wird bestimmt, indem man die Lösungsmenge +des Gleichungssystems $\partial_1z=0$ bestimmt. +Der Gauss-Algorithmus für die Matrix $\partial_1$ liefert das +Schlusstableau +\[ +\begin{tabular}{|>{$}c<{$}>{$}c<{$}>{$}c<{$}>{$}c<{$}>{$}c<{$}>{$}c<{$}|} +\hline +k_0&k_1&k_2&k_3&k_4&k_5\\ +\hline + 1& 0& 0& -1& -1& 0\\ + 0& 1& 0& 1& 0& -1\\ + 0& 0& 1& 0& 1& 1\\ + 0& 0& 0& 0& 0& 0\\ +\hline +\end{tabular} +\] +Daraus lassen sich drei linear unabhängig eindimensionale Zyklen ablesen, +die zu den Lösungsvektoren +\[ +z_1 += +\begin{pmatrix*}[r] +1\\ +-1\\ +0\\ +1\\ +0\\ +0 +\end{pmatrix*}, +\qquad +z_2 += +\begin{pmatrix*}[r] +1\\ +0\\ +-1\\ +0\\ +1\\ +0 +\end{pmatrix*}, +\qquad +z_3 += +\begin{pmatrix*}[r] +0\\ +1\\ +-1\\ +0\\ +0\\ +1 +\end{pmatrix*} +\] +gehören. + +$C_2$ hat die vier Seitenflächen +\[ +f_0=[0,1,2],\quad +f_1=[0,1,3],\quad +f_2=[0,2,3],\quad +f_3=[1,2,3] +\] +als Basis. +Der zweidimensionale Randoperator ist die $6\times 4$-Matrix +\[ +\partial_2 += +\begin{pmatrix*}[r] + 1& 1& 0& 0\\ +-1& 0& 1& 0\\ + 0&-1&-1& 0\\ + 1& 0& 0& 1\\ + 0& 1& 0&-1\\ + 0& 0& 1& 1 +\end{pmatrix*}. +\] +Man kann leicht nachrechnen, dass $\partial_1\partial_2=0$ ist, wie es +für einen Kettenkomplex sein muss. + +Um nachzurechnen, dass die Homologiegruppe $H_1=0$ ist, müssen wir jetzt +nachprüfen, ob jeder Zyklus in $Z_1$ auch Bild der Randabbildung $\partial_2$ +ist. +Die ersten drei Spalten von $\partial_2$ sind genau die drei Zyklen +$z_1$, $z_2$ und $z_3$. +Insbesondere lassen sich alle Zyklen als Ränder darstellen, die +Homologiegruppe $H_1=0$ verschwindet. + +Die Zyklen in $C_2$ sind die Lösungen von $\partial_2z=0$. +Der Gauss-Algorithmus für $\partial_2$ liefert das -Tableau +\[ +\begin{tabular}{|>{$}c<{$}>{$}c<{$}>{$}c<{$}>{$}c<{$}|} +\hline +f_0&f_1&f_2&f_3\\ +\hline +1&0&0& 1\\ +0&1&0&-1\\ +0&0&1& 1\\ +0&0&0& 0\\ +0&0&0& 0\\ +0&0&0& 0\\ +\hline +\end{tabular} +\] +Daraus liest man ab, dass es genau einen Zyklus nämlich +\[ +z += +\begin{pmatrix} +-1\\1\\-1\\1 +\end{pmatrix} +\] +$Z_2$ besteht also aus Vielfachen des Vektors $z$. + +Da es nur ein zweidimensionales Simplex gibt, ist $C_3$ eindimensional. +Die Randabbildung $\partial_3$ hat die Matrix +\[ +\partial_3 += +\begin{pmatrix} +1\\ +-1\\ +1\\ +-1 +\end{pmatrix}. +\] +Die Zyklen $Z_2$ und die Ränder $B_2$ bilden also dieselbe Menge, auch +die Homologie-Gruppe $H_2$ ist $0$. + +Da es keine vierdimensionalen Simplizes gibt, ist $B_3=0$. +Die Zyklen $Z_3$ bestehen aus den Lösungen von $\partial_3w=0$, da +aber $\partial_3$ injektiv ist, ist $Z_3=0$. +Daher ist auch $H_3=0$. +\end{beispiel} + +\begin{beispiel} +Für dieses Beispiel entfernen wir das Innere des Tetraeders, es entsteht +ein Hohlraum. +Am Kettenkomplex der Triangulation ändert sich nur, dass $C_3$ jetzt +nur noch den $0$-Vektor enthält. +Das Bild $B_2=\operatorname{im}\partial_3$ wird damit auch $0$-dimensional, +während es im vorigen Beispiel eindimensional war. +Die einzige Änderung ist also in der Homologiegruppe +$H_2 = Z_2/B_2 = Z_2 / \{0\} \simeq \Bbbk$. +Die Homologiegruppe $H_2$ hat jetzt Dimension $1$ und zeigt damit den +Hohlraum an. +\end{beispiel} -- cgit v1.2.1