% % rational.tex -- rationale Zahlen % % (c) 2021 Prof Dr Andreas Müller, OST Ostschweizer Fachhochschule % \section{Rationale Zahlen \label{buch:section:rationale-zahlen}} \rhead{Rationale Zahlen} In den ganzen Zahlen sind immer noch nicht alle linearen Gleichungen lösbar, es gibt keine ganze Zahl $x$ mit $3x=1$. Die nötige Erweiterung der ganzen Zahlen lernen Kinder noch bevor sie die negativen Zahlen kennenlernen. \subsubsection{Brüche} Rationale Zahlen sind Paare von ganzen Zahlen $a$ und $b\ne 0$, die in der speziellen Schreibweise $\frac{a}{b}$ dargestellt werden. Die Rechenregeln für Addition und Multiplikation sind \begin{align*} \frac{a}{b}+\frac{c}{d} &= \frac{ad+bc}{bd}, \\ \frac{a}{b}\cdot\frac{c}{d} &= \frac{ac}{bd}. \end{align*} Die speziellen Brüche $\frac{0}{b}$ und $\frac{1}{1}$ erfüllen die Regeln \begin{align*} \frac{a}{b}+\frac{0}{d} &= \frac{ad}{bd} \\ \frac{a}{b}\cdot \frac{0}{c} &= \frac{0}{bc} \\ \frac{a}{b}\cdot \frac{1}{1} &= \frac{a}{b}. \end{align*} Wir sind uns gewohnt, die Brüche $\frac{0}{b}$ mit der Zahl $0$ und $\frac{1}{1}$ mit der Zahl $1$ zu identifizieren. \subsubsection{Kürzen} Wie bei den ganzen Zahlen entstehen durch die Rechenregeln viele Brüche, denen wir den gleichen Wert zuordnen möchten Zum Beispiel folgt \[ \frac{ac}{bc} - \frac{a}{b} = \frac{abc-abc}{b^2c} = \frac{0}{b^2c}, \] wir müssen also die beiden Brüche als gleichwertig betrachten. Allgemein gelten die zwei Brüche $\frac{a}{b}$ und $\frac{c}{d}$ als äquivalent, wenn $ad-bc= 0$ gilt. Die Definition bestätigt, dass die beiden Brüche \[ \frac{ac}{bc} \qquad\text{und}\qquad \frac{a}{b} \] als gleichwertig zu betrachten sind. Der Übergang von links nach rechts heisst {\em Kürzen}, \index{Kürzen}% der Übergang von rechts nach links heisst {\em Erweitern}. \index{Erweitern}% Eine rationale Zahl ist also eine Menge von Brüchen, die durch Kürzen und Erweitern ineinander übergeführt werden können. Die Menge der Äquivalenzklassen von Brüchen ist die Menge $\mathbb{Q}$ der rationalen Zahlen. In $\mathbb{Q}$ sind Addition, Subtraktion und Multiplikation mit den gewohnten Rechenregeln, die bereits in $\mathbb{Z}$ gegolten haben, uneingeschränkt möglich. \subsubsection{Kehrwert} Zu jedem Bruch $\frac{a}{b}$ lässt sich der Bruch $\frac{b}{a}$, der sogenannte {\em Kehrwert} \index{Kehrwert} konstruieren. Er hat die Eigenschaft, dass \[ \frac{a}{b}\cdot\frac{b}{a} = \frac{ab}{ba} = 1 \] gilt. Der Kehrwert ist also das multiplikative Inverse, jede von $0$ verschiedene rationale Zahl hat eine Inverse. \subsubsection{Lösung von linearen Gleichungen} Mit dem Kehrwert lässt sich jetzt jede lineare Gleichung lösen. Die Gleichung $ax=b$ hat die Lösung \[ ax = \frac{a}{1} \frac{u}{v} = \frac{b}{1} \qquad\Rightarrow\qquad \frac{1}{a} \frac{a}{1} \frac{u}{v} = \frac{1}{a}\frac{b}{1} \qquad\Rightarrow\qquad \frac{u}{v} = \frac{b}{a}. \] Dasselbe gilt auch für rationale Koeffizienten $a$ und $b$. In der Menge $\mathbb{Q}$ kann man also beliebige lineare Gleichungen lösen. \subsubsection{Körper} $\mathbb{Q}$ ist ein Beispiel für einen sogenannten {\em Körper}, in dem die arithmetischen Operationen Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division möglich sind mit der einzigen Einschränkung, dass nicht durch $0$ dividiert werden kann. Körper sind die natürliche Bühne für die lineare Algebra, da sich lineare Gleichungssysteme ausschliesslich mit den Grundoperation lösen lassen.