% % galois.tex -- Abschnitt über Galois-Körper % % (c) 2020 Prof Dr Andreas Müller, Hochschule Rapperswil % % !TeX spellcheck = de_CH \section{Galois-Körper \label{buch:section:galoiskoerper}} \rhead{Galois-Körper} Ein Körper $\Bbbk$ enthält mindestens die Zahlen $0$ und $1$. Die Null ist nötig, damit $\Bbbk$ eine Gruppe bezüglich der Addition ist, die immer ein neutrales Element, geschrieben $0$, enthält. Die Eins ist nötig, damit $\Bbbk^*=\Bbbk\setminus\{0\}$ eine Gruppe bezüglich der Multiplikation ist, die immer eine neutrales Element, geschrieben $1$, enthält. Durch wiederholte Addition entstehen auch die Zahlen $2=1+1$, $3=2+1$ und so weiter. Es sieht also so aus, als ob ein Körper immer unendliche viele Elemente enthalten müsste. Wie können also endliche Körper entstehen? In diesem Abschnitt sollen die sogenannten Galois-Körper $\mathbb{F}_p$ \index{Galois-Körper}% \index{Fp@$\mathbb{F}_p$}% mit genau $p$ Elementen konstruiert werden, die es für jede Primzahl $p$ gibt. Sie sind die Basis für weitere endliche Körper, die eine beliebige Primzahlpotenz $p^n$ von Elementen haben und die die Basis wichtiger kryptographischer Algorithmen sind. % % Arithmetik modulo $o$ % \subsection{Arithmetik modulo $p$ \label{buch:subsection:arithmetik-modulo-p}} Damit aus den Zahlen $0, 1, 2, \dots$ ein endlicher Körper werden kann, muss die Folge sich wiederholen. Schreiben wir $a_0=0,a_1=1,\dots$ für die Folge, dann muss es also ein Folgenelement $a_k$ geben und ein $n$ derart, dass $a_{k+n}=a_{k}$. Dies bedeutet, dass $k+n = k$ sein muss. Subtrahiert man $k$ auf beiden Seiten, dann folgt, dass $n=0$ sein muss. Damit ein endlicher Körper entsteht, muss also die Menge \begin{align*} &\{0,1,2,\dots,n-1\} \intertext{eine Gruppe bezüglich der Addition sein, und} &\{1,2,\dots,n-1\} \end{align*} eine Gruppe bezüglich der Multiplikation. \subsubsection{Restklassenring} Wir definieren die Grundoperationen in einer Menge, die mit den Zahlen $\{0,1,2,\dots,n-1\}$ identifiziert werden kann. \begin{definition} Die Zahlen $a,b\in\mathbb{Z}$ heissen {\em kongruent modulo $n$}, \index{kongruent modulo $n$}% geschrieben \[ a\equiv b\mod n, \] wenn $a-b$ durch $n$ teilbar ist, also $n|(a-b)$. \end{definition} Die Zahlen mit gleichem Rest sind Äquivalenzklassen der Kongruenz modulo $n$. Die Zahlen mit Rest $k$ modulo $n$ bilden die {\em Restklasse} \index{Restklasse}% \[ \llbracket k\rrbracket=\{\dots,k-2n,k-n,k,k+n,k+2n,\dots\} \subset\mathbb{Z}. \] Sie bilden eine endliche Menge, die man mit den Resten $0,1,\dots,n-1$ identifizieren kann. \begin{definition} Die Menge $\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}$ besteht aus den Restklassen $\llbracket 0\rrbracket,\llbracket 1\rrbracket,\dots,\llbracket n-1\rrbracket$, die auch einfach $0,1,\dots,n-1$ geschrieben werden. \end{definition} Beim Rechnen mit Resten modulo $n$ können Vielfache von $n$ ignoriert werden. Zum Beispiel gilt \[ \begin{aligned} 48&\equiv -1\mod 7& 48&=-1&&\text{in $\mathbb{Z}/7\mathbb{Z}$} \\ 3\cdot 5=15&\equiv 1\mod 7 & 3\cdot 5&=1&&\text{in $\mathbb{Z}/7\mathbb{Z}$.} \end{aligned} \] Das Beispiel zeigt, dass man mindestens in $\mathbb{Z}/7\mathbb{Z}$ mit Resten ganz ähnlich rechnen kann wie in $\mathbb{Q}$. In $\mathbb{Z}/7\mathbb{Z}$ scheinen $3$ und $5$ multiplikative inverse zu sein. Tatsächlich kann man auf den Restklassen eine Ringstruktur definieren. Dazu muss man sicherstellen, dass die Auswahl eines Repräsentanten keinen Einfluss auf den Rest hat. Der Rest $a$ kann jede Zahl der Form $a+kn$ darstellen. Ebenso kann der Rest $b$ jede Zahl der Form $b+ln$ darstellen. Deren Summe ist $a+b+(k+l)n\equiv a+b\mod n$. Der Repräsentant des Restes hat also keinen Einfluss auf die Summe. Ebenso ist das Produkt der beiden Repräsentaten $(a+kn)\cdot(b+ln) = ab + (al+bk)n + kln^2=ab + (al+bk+kln)n\equiv ab\mod n$ für jede Wahl von $k$ und $l$. Auch die Multiplikation ist also unabhängig vom gewählten Repräsentanten. \begin{definition} Die Menge $\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}$ ist ein Ring, heisst der {\em Restklassenring modulo $n$}. \end{definition} \subsubsection{Division in $\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}$} Um einen endlichen Körper zu erhalten, muss die Menge \[ \mathbb{Z}/n\mathbb{Z} \setminus \{\llbracket0\rrbracket\} = \{ \llbracket 1\rrbracket, \llbracket 2\rrbracket, \dots \llbracket n-q\rrbracket \} \] eine Gruppe bezüglich der Multiplikation sein. Insbesondere darf kein Produkt $a\cdot b$ mit Faktoren in $\mathbb{Z}/n\mathbb{Z} \setminus \{\llbracket0\rrbracket\}$ zu Null werden. Für $n=15$ funktioniert dies nicht, das Produkt $3\cdot 5\equiv 0\mod 15$. Wir kommen daher zu der Forderung, dass der Ring $\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}$ nur dann ein Körper sein kann, wenn er nullteilerfrei ist. Falls sich $n=p_1\cdot p_2$ in zwei Faktoren zerlegen lässt, dann sind $p_1$ und $p_2$ Nullteiler in $\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}$. Ein Körper kann also nur entstehen, wenn $n$ eine Primzahl ist. \begin{definition} \label{buch:endlichekoerper:def:galois-koerper} Ist $p$ eine Primzahl, dann heisst $\mathbb{F}_p=\mathbb{Z}/p\mathbb{Z}$ \index{Primzahl}% der Galois-Körper der Ordnung $p$. \index{Galois-Körper}% \end{definition} Diese Definition ist nur gerechtfertigt, wenn $\mathbb{F}_p^*$ tatsächlich eine Gruppe ist, wenn also jede Zahl zwischen $1$ und $p-1$ ein Inverses bezüglich der Multiplikation hat. Zu einem Rest $a\in\mathbb{F}_p^*$ muss also ein Rest $b$ gefunden werden, so dass $ab\equiv 1\mod p$. Dies ist gleichbedeutend mit Zahlen $b$ und $n$ derart, dass \begin{equation} ab+np=1. \label{buch:endliche-koerper:teilerfremd} \end{equation} In~\eqref{buch:endliche-koerper:teilerfremd} sind $a$ und $p$ gegeben, gesucht sind $b$ und $n$. In Abschnitt~\ref{buch:section:euklid} wurde gezeigt, wie der euklidische Algorithmus eine Gleichung der Form~\eqref{buch:endliche-koerper:teilerfremd} lösen kann, wenn die beiden gegebenen Zahlen $a$ und $p$ teilerfremd sind. Dies ist aber dadurch garantiert, dass $p$ eine Primzahl ist und $1\le a
{$}c<{$}|>{$}r<{$}|>{$}r<{$}|>{$}r<{$}|>{$}r<{$}|} \hline k& a_k& b_k& q_k& r_k\\ \hline 0& 2063& 2021& 1& 42\\ 1& 2021& 42& 48& 5\\ 2& 42& 5& 8& 2\\ 3& 5& 2& 2& 1\\ 4& 2& 1& 2& 0\\ \hline \end{tabular} \end{center} Die gesuchten Faktoren $b$ und $n$ können aus dem Matrizenprodukt $Q(q_n)\dots Q(q_0)$ gefunden werden: \begin{align*} Q &= \begin{pmatrix} 0& 1\\ 1& -2 \end{pmatrix} \begin{pmatrix} 0& 1\\ 1& -2 \end{pmatrix} \begin{pmatrix} 0& 1\\ 1& -8 \end{pmatrix} \begin{pmatrix} 0& 1\\ 1& -48 \end{pmatrix} \begin{pmatrix} 0& 1\\ 1& -1 \end{pmatrix} \\ &= \begin{pmatrix} 0& 1\\ 1& -2 \end{pmatrix} \begin{pmatrix} 0& 1\\ 1& -2 \end{pmatrix} \begin{pmatrix} 0& 1\\ 1& -8 \end{pmatrix} \begin{pmatrix} 1& -1\\ -48& 49\end{pmatrix} \\ &= \begin{pmatrix} 0& 1\\ 1& -2 \end{pmatrix} \begin{pmatrix} 0& 1\\ 1& -2 \end{pmatrix} \begin{pmatrix} -48& 49\\ 385& -393 \end{pmatrix} \\ &= \begin{pmatrix} 0& 1\\ 1& -2 \end{pmatrix} \begin{pmatrix} 385& -393\\ -818& 835 \end{pmatrix} \\ &= \begin{pmatrix} -818& 835\\ 2021& -2063\end{pmatrix} \end{align*} Daraus können wir ablesen, dass \[ -818\cdot 2021 +835 \cdot 2063=1. \] Der Rest $ -818\equiv 1245\mod 2063$ ist also die multiplikative Inverse von $2021$ in $\mathbb{F}_{2063}$. \end{beispiel} \subsubsection{Der kleine Satz von Fermat} \index{Fermat, kleiner Satz von}% \index{kleiner Satz von Fermat}% In $\mathbb{Z}$ wachsen die Potenzen einer Zahl immer weiter an. In einem endlichen Körper kann dies nicht gelten, da nur endlich viele Werte zur Verfügung stehen. Tatsächlich müssen die Potenzen einer von $0$ verschiedenen Zahl $a\in\mathbb{F}_p^*$ alle in $\mathbb{F}_p^*$ liegen. Es gibt aber nur $p-1$ Zahlen in $\mathbb{F}_p^*$, spätestens die Potenz mit Exponent $p$ muss also mit einer früheren Potenz übereinstimmen. Der kleine Satz von Fermat sagt etwas genauer: die $p$-te Potenz von $a$ ist genau die Zahl $a$: \begin{figure} \centering \includegraphics{chapters/30-endlichekoerper/images/fermat.pdf} \caption{$G$ ist die Menge aller verschiedenfarbigen geschlossenen Perlenketten mit $p$ Perlen und $a$ Farben. $A$ ist die Menge aller linearen verschiedenfarbigen Ketten. Die Abbildung $s_i$ schneidet die Ketten an der Stelle $i$ auf, dadurch entstehen die Menge $A_i$, verschiedenfarbigen linearen Ketten der Länge $p$ mit $a$ Farben. Die Abbildungen $s_i$ sind injektiv, die Mengen $A_i$ haben alle die gleiche Anzahl Elemente. Genau dann ist $|A|$ durch $p$ teilbar, wenn die Mengen $A_i$ disjunkt sind. \label{buch:endliche-koerper:fig:fermat}} \end{figure} \begin{satz}[Kleiner Satz von Fermat] \label{buch:endliche-koerper:satz:fermat} In $\mathbb{F}_p$ gilt $a^p=a$ für alle $a\in\mathbb{F}_p^*$. \end{satz} Wir beweisen diesen Satz in der folgenden, traditionelleren Formulierung. \begin{satz} Für jede ganze Zahl $a>0$ gilt $p|(a^p-a)$ genau dann, wenn $p$ eine Primzahl ist. \end{satz} \begin{proof}[Beweis] Wir müssen zeigen, dass $p$ ein Teiler ist von $a^p-a$. Das nachfolgende kombinatorische Argument wird zum Beispiel von Mathologer auf seinem Youtube-Kanal im Video \url{https://youtu.be/_9fbBSxhkuA} illustriert. Zum Beweis interpretieren wir die vorkommenden Zahlen kombinatorisch. Die Zahl $a^p$ ist die Anzahl der verschiedenen Perlenketten der Länge $p$, die sich aus Glasperlen mit $a$ verschiedenen Farben herstellen lassen. Davon bestehen $a$ Perlenketten aus nur einer einzigen Farbe. Die Zahl $a^p-a$ ist also die Anzahl der Perlenketten der Länge $p$ aus Glasperlen mit $a$ verschiedenen Farben, die mindestens zwei verschiedene Farben verwenden. Wir bezeichnen die Menge der nicht einfarbigen Perlenketten der Länge $p$ mit $a$ Farben mit $A$. Es ist $|A|=a^p-a$. Zu sagen, dass $a^p-a$ durch $p$ teilbar ist, ist gleichbedeutend damit, dass die Menge der Perlenkette in $p$ disjunkte, gleichmächtige Mengen aufgeteilt werden kann. Es ist also zu zeigen, dass sich die Menge $A$ genau dann in disjunkte gleichmächtige Mengen zerlegen lässt, wenn $p$ eine Primzahl ist. Wir betrachten dazu die Menge der nicht einfarbigen, geschlossenen Perlenketten der Länge $p$ mit $a$ Farben. Einge dieser Perlenketten unterscheiden sich nur durch eine Drehung um einzelne Perlen. Sei $G$ die Menge der nicht einfarbigen, geschlossenen Perlenketten, die sich nicht nur um eine Drehung unterscheiden. Die Abbildung $s_i\colon G\to A$ in Abbildung~\ref{buch:endliche-koerper:satz:fermat} schneidet die Perlenkette in $G$ an der Stelle $i$ auf. Diese Abbildungen sind ganz offensichtlich injektiv. Die Bildmengen $A_i = s_i(G)$ haben daher alle gleich viele Elemente wie $G$: $|A_i|=|G|$. Da jede lineare Perlenkette in $A$ durch geeignetes Aufschneiden einer geschlossenen Perlenkette in $G$ entsteht, ist \[ A=\bigcup_{i=1}^p A_i. \] Wir müssen jetzt nur noch untersuchen, unter welchen Bedingungen die Mengen $A_i$ disjunkt sind. Zwei Mengen $A_i$ und $A_j$ enthalten genau dann eine gemeinsame Perlenkette, wenn es eine geschlossene Kette in $G$ gibt, die beim Aufschneiden an den Stellen $i$ und $j$ die gleiche Kette ergeben. Dies bedeutet, dass sich die Farben zwischen $i$ und $j$ nach der Stelle $j$ wiederholen. Die Mengen sind also genau dann nicht disjunkt, wenn es peridische Ketten gibt mit einer Periode $k
0$ und $0