% % endlich.tex -- Permutationen einer endlichen Menge % % (c) 2020 Prof Dr Andreas Müller, Hochschule Rapperswil % \section{Permutationen einer endlichen Menge \label{buch:section:permutationen-einer-endlichen-menge}} \rhead{Permutationen} Eine endliche Anzahl $n$ von Objekten können auf $n!$ Arten angeordnet werden. Als Objektmenge nehmen wir $[n] = \{ 1,\dots,n\}$. Die Operation, die die Objekte in eine bestimmte Reihenfolge bringt, ist eine Abbildung $\sigma\colon[n]\to[n]$. Eine Permutation ist eine umkehrbare Abbildung $[n]\to[n]$. Die Menge $S_n$ aller umkehrbaren Abbildungen $[n]\to[n]$ mit der Verknüpfung von Abbildungen als Operation heisst die die {\em symmetrische Gruppe}. Die identische Abbildung $\sigma(x)=x$ ist das {\em neutrale Element} der Gruppe $S_n$ und wir auch mit $e$ bezeichnet. \subsection{Permutationen als $2\times n$-Matrizen} Eine Permutation kann als $2\times n$-Matrix geschrieben werden: \begin{center} \begin{tikzpicture}[>=latex,thick] \def\sx{0.8} \def\sy{1} \begin{scope}[xshift=-3cm] \foreach \x in {1,...,6}{ \node at ({(\x-1)*\sx},\sy) [above] {$\tiny\x$}; \fill ({(\x-1)*\sx},\sy) circle[radius=0.05]; \fill ({(\x-1)*\sx},0) circle[radius=0.05]; } \draw[->] (0,\sy) to[out=-70,in=110] (\sx,0); \draw[<-] (0,0) to[out=70,in=-110] (\sx,\sy); \draw[->] ({2*\sx},\sy) -- ({2*\sx},0); \draw[->] ({3*\sx},\sy) to[out=-70,in=110] ({4*\sx},0); \draw[->] ({4*\sx},\sy) to[out=-70,in=110] ({5*\sx},0); \draw[->] ({5*\sx},\sy) to[out=-110,in=70] ({3*\sx},0); \end{scope} \node at (2.4,{\sy/2}) {$\mathstrut=\mathstrut$}; \node at (5,{\sy/2}) {$\displaystyle \renewcommand{\arraystretch}{1.4} \begin{pmatrix} 1&2&3&4&5&6\\ 2&1&3&5&6&4 \end{pmatrix} $}; \end{tikzpicture} \end{center} Das neutrale Element hat die Matrix \[ e = \begin{pmatrix} 1&2&3&4&5&6\\ 1&2&3&4&5&6 \end{pmatrix} \] aus zwei identischen Zeilen. Die Verknüpfung zweier solcher Permutationen kann leicht graphisch dargestellt werden: dazu werden die beiden Permutationen untereinander geschrieben und Spalten der zweiten Permutation in der Reihen folge der Zahlen in der zweiten Zeile der ersten Permutation angeordnet. Die zusammengesetzte Permutation kann dann in der zweiten Zeile der zweiten Permutation abgelesen werden: \begin{center} \begin{tikzpicture}[>=latex,thick] \begin{scope}[xshift=-4.5cm] \node at (0,0) {$\displaystyle \sigma_1=\begin{pmatrix} 1&2&3&4&5&6\\ 2&1&3&5&6&4 \end{pmatrix}$}; \node at (0,-1) {$\displaystyle \sigma_2=\begin{pmatrix} 1&2&3&4&5&6\\ 3&4&5&6&1&2 \end{pmatrix} $}; \end{scope} \begin{scope} \node at (0,0) {$\displaystyle \begin{pmatrix} 1&2&3&4&5&6\\ 2&1&3&5&6&4 \end{pmatrix}$}; \node at (0,-1) {$\displaystyle \begin{pmatrix} 2&1&3&5&6&4\\ 4&3&5&1&2&6 \end{pmatrix} $}; \end{scope} \begin{scope}[xshift=4.5cm] \node at (0,-0.5) {$\displaystyle \sigma_2\sigma_1=\begin{pmatrix} 1&2&3&4&5&6\\ 4&3&5&1&2&6 \end{pmatrix} $}; \end{scope} \end{tikzpicture} \end{center} Die Inverse einer Permutation kann erhalten werden, indem die beiden Zeilen vertauscht werden und dann die Spalten wieder so angeordnet werden, dass die Zahlen in der ersten Zeile ansteigend sind: \[ \sigma = \begin{pmatrix} 1&2&3&4&5&6\\ 2&1&3&5&6&4 \end{pmatrix} \qquad\Rightarrow\qquad \sigma^{-1} = \begin{pmatrix} 2&1&3&5&6&4\\ 1&2&3&4&5&6 \end{pmatrix} = \begin{pmatrix} 1&2&3&4&5&6\\ 2&1&3&6&4&5 \end{pmatrix}. \] \subsection{Zyklenzerlegung \label{buch:subsection:zyklenzerlegung}} Eine Permutation $\sigma\in S_n$ kann auch mit sogenanten Zyklenzerlegung analysiert werden. Zum Beispiel: \begin{center} \begin{tikzpicture}[>=latex,thick] \begin{scope}[xshift=-3cm] \node at (0,0) {$\displaystyle \sigma=\begin{pmatrix} {\color{red}1}&{\color{red}2}&{\color{darkgreen}3}&{\color{blue}4}&{\color{blue}5}&{\color{blue}6}\\ {\color{red}2}&{\color{red}1}&{\color{darkgreen}3}&{\color{blue}5}&{\color{blue}6}&{\color{blue}4} \end{pmatrix}$}; \end{scope} \node at (0,0) {$\mathstrut=\mathstrut$}; \begin{scope}[xshift=1.5cm] \coordinate (A) at (0,0.5); \coordinate (B) at (0,-0.5); \draw[->,color=red] (A) to[out=-20,in=20] (0,-0.5); \draw[->,color=red] (B) to[out=160,in=-160] (0,0.5); \node at (A) [above] {$\tiny 1$}; \node at (B) [below] {$\tiny 2$}; \fill (A) circle[radius=0.05]; \fill (B) circle[radius=0.05]; \coordinate (C) at (1.5,0.25); \node at (C) [above] {$\tiny 3$}; \draw[->,color=darkgreen] ({1.5+0.01},0.25) to[out=-10,in=-170] ({1.5-0.01},0.25); \draw[color=darkgreen] (1.5,{0.25-0.3}) circle[radius=0.3]; \fill (C) circle[radius=0.05]; \def\r{0.5} \coordinate (D) at ({3.5+\r*cos(90)},{0+\r*sin(90)}); \coordinate (E) at ({3.5+\r*cos(210)},{0+\r*sin(210)}); \coordinate (F) at ({3.5+\r*cos(330)},{0+\r*sin(330)}); \node at (D) [above] {$\tiny 4$}; \node at (E) [below left] {$\tiny 5$}; \node at (F) [below right] {$\tiny 6$}; \draw[->,color=blue] (D) to[out=180,in=120] (E); \draw[->,color=blue] (E) to[out=-60,in=-120] (F); \draw[->,color=blue] (F) to[out=60,in=0] (D); \fill (D) circle[radius=0.05]; \fill (E) circle[radius=0.05]; \fill (F) circle[radius=0.05]; \end{scope} \end{tikzpicture} \end{center} \begin{definition} Ein Zyklus $Z$ ist eine unter $\sigma$ invariante Teilmenge von $[n]$ minimaler Grösse. Die Zyklenzerlegung ist eine Zerlegung von $[n]$ in Zyklen \[ [n] = \cup_{i=1}^k Z_i, \] wobei jede Menge $Z_i$ ein Zyklus ist. \end{definition} Der folgende Algorithmus findet die Zyklenzerlegung einer Permutation. \begin{satz} Sei $\sigma\in S_n$ eine Permutation. Der folgende Algorithmus findet die Zyklenzerlegung von $\sigma$: \begin{enumerate} \item $i=1$ \item Wähle das erste noch nicht verwendete Element \[ s_i=\min\biggl( [n] \setminus \bigcup_{j< i} Z_j\biggr) \] \item Bestimme alle Elemente, die aus $s_i$ durch Anwendung von $\sigma$ entstehen: \[ Z_i = \{ s_i, \sigma(s_i), \sigma(\sigma(s_i)), \dots \} = \{\sigma^k(s_i)\;|\; k\ge 0\}. \] \item Falls $\bigcup_{j\le i} Z_j\ne [n]$, erhöhe $i$ um $1$ und fahre weiter bei 2. \end{enumerate} \end{satz} Mit Hilfe der Zyklenzerlegung von $\sigma$ lassen sich auch gewisse Eigenschaften von $\sigma$ ableiten. Sei also $[n] = Z_1\cup\dots\cup Z_k$ die Zyklenzerlegung. Für jedes Element $x\in S_i$ gilt $\sigma^{|S_i|}(x) = x$. Die kleinste Zahl $m$, für die $\sigma^m=e$ ist, das kleinste gemeinsame Vielfache der Zyklenlängen: \[ m = \operatorname{kgV} (|Z_1|,|Z_2|,\dots,|Z_k|). \] \subsection{Konjugierte Elemente in $S_n$} Zwei Elemente $g_1,g_2\in G$ einer Gruppe heissen konjugiert, wenn es ein Element $c\in G$ gibt derart, dass $cg_1c^{-1}=g_2$. Bei Matrizen hat dies bedeutet, dass die beiden Matrizen durch Basiswechsel auseinander hervorgehen. Dasselbe lässt sich auch im Kontext der symmetrischen Gruppe sagen. Seien $\sigma_1$ und $\sigma_2$ zwei konjugierte Permutationen in $S_n$. Es gibt also eine Permutation $\gamma\in S_n$ derart, dass $\sigma_1=\gamma\sigma_2\gamma^{-1}$ oder $\gamma^{-1}\sigma_1\gamma=\sigma_2$. Dann gilt auch für die Potenzen \begin{equation} \sigma_1^k = \gamma\sigma_2^k\gamma^{-1}. \label{buch:permutationen:eqn:konjpot} \end{equation} Ist $Z_i$ ein Zyklus von $\sigma_2$ und $x\in Z_i$, dann ist $Z_i = \{ x,\sigma_2(x),\sigma_2^2(x),\dots\}$. Die Menge $\gamma(Z_i)$ besteht dann aus dem Elementen $\gamma(Z_i)=\{\gamma(x),\gamma(\sigma_2(x)),\gamma(\sigma_2^2(x)),\dots\}$. Aus der Formel~\eqref{buch:permutationen:eqn:konjpot} folgt $\sigma_1^k\gamma = \gamma\sigma_2^k$, also \[ \gamma(Z_i) = \{\gamma(x),\sigma_1(\gamma(x)),\sigma_1^2(\gamma(x)),\dots\}, \] Also ist $\gamma(Z_i)$ ein Zyklus von $\sigma_1$. Die Permutation $\gamma$ bildet also Zyklen von $\sigma_2$ auf Zyklen von $\sigma_1$ ab. Es folgt daher der folgende Satz: \begin{satz} Sind $\sigma_1,\sigma_2\in S_n$ konjugiert $\sigma_1=\gamma\sigma_2\gamma^{-1}$ mit dem $\gamma\in S_n$. Wenn $Z_1,\dots,Z_k$ die Zyklen von $\sigma_2$ sind, dann sind $\gamma(Z_1),\dots,\gamma(Z_k)$ die Zyklen von $\sigma_1$. \end{satz} Die Zyklenzerlegung kann mit der Jordan-Normalform \ref{XXX} einer Matrix verglichen werden. Durch einen Basiswechsel, welcher durch eine ``Konjugation'' von Matrizen ausgedrückt wir, kann die Matrix in eine besonders übersichtliche Form gebracht werden. Wenn $\sigma$ die Zyklenzerlegung $Z_1,\dots,Z_k$ mit Zyklenlängen $l_i=|Z_i|$, dann kann man die Menge $[n]$ wie folgt in Teilmengen \begin{align*} X_1 &= \{1,\dots, l_1\}, \\ X_2 &= \{l_1+1,\dots,l_1+l_2\}, \\ X_i &= \{l_1+\dots+l_{i-1}+1,\dots, l_1+\dots+l_i\} \\ X_k &= \{l_1+\dots+l_{k-1}+1,\dots n\} \end{align*} zerlegen. Sei $\sigma_2$ die Permutation, die in jeder der Mengen $X_i$ durch zyklische Vertauschung der Elemente wirkt. Indem man die Elemente von $Z_i$ in der Reihenfolge, in der sie durch $\sigma_1$ erreicht werden, auf die Elemente $X_i$ abbildet, findet man eine Permutation, die Zyklen von $\sigma_1$ in Zyklen von $\sigma_2$ überführt. \begin{satz} Wenn zwei Elemente $\sigma_1,\sigma_2\in S_n$ Zyklenzerlegungen mit den gleichen Zyklenlängen haben, dann sind sie konjugiert. \end{satz} Ein Element $\sigma\in S_n$ ist also bis auf eine Permutation vollständig durch die Länge der Zyklen von $\sigma$ charakterisiert.