% % spektral.tex -- spektrale Graphentheorie % % (c) 2020 Prof Dr Andreas Müller, Hochschule Rapperswil % \section{Spektrale Graphentheorie \label{buch:section:spektrale-graphentheorie}} \rhead{Spektrale Graphentheorie} Die Adjazenzmatrix, die Gradmatrix und damit natürlich auch die Laplace-Matrix codieren alle wesentliche Information eines ungerichteten Graphen. Sie operiert auf Vektoren, die für jeden Knoten des Graphen eine Komponente haben. Dies eröffnet die Möglichkeit, den Graphen über die linearalgebraischen Eigenschaften dieser Matrizen zu studieren. Dieser Abschnitt soll diese Idee an dem ziemlich übersichtlichen Beispiel der chromatischen Zahl eines Graphen illustrieren. \subsection{Chromatische Zahl und Unabhängigkeitszahl \label{buch:subsection:chromatische-zahl}} Der Grad eines Knotens ist ein Mass dafür, wie stark ein Graph ``vernetzt'' ist. Je höher der Grad, desto mehr direkte Verbindungen zwischen Knoten gibt es. Noch etwas präziser kann diese Idee die mit Hilfe der chromatischen Zahl und der Unabhängigkeitszahl erfasst werden. \begin{definition} Die {\em chromatische Zahl} $\operatorname{chr}G$ eines Graphen $G$ ist die minimale Anzahl von Farben, die zum Einfärben der Knoten eines Graphen nötig sind, sodass benachbarte Knoten verschiedene Farben haben. \index{chromatische Zahl} \end{definition} \begin{definition} Eine Menge von Knoten eines Graphen heisst {\em unabhängig}, wenn keine zwei Knoten im Graphen verbunden sind. Die {\em Unabhängigkeitszahl} $\operatorname{ind}G$ eines Graphen $G$ ist die maximale Anzahl Knoten einer unabhängigen Menge. \index{Unabhängigkeitszahl} \end{definition} \begin{beispiel} Abbildung~\ref{buch:graphen:fig:chrindpeterson} bestimmt die chromatische Zahl und die Unabhängigkeitszahl im Beispiel des Peterson-Graphen. \end{beispiel} Zwischen der chromatischen Zahl und der Unabhängigkeitszahl eines Graphen muss es einen Zusammenhang geben. Je mehr Verbindungen es im Graphen gibt, desto grösser wird die chromatische Zahl. Gleichzeitig wird es schwieriger für Mengen von Knoten, unabhängig zu sein. \begin{satz} \label{buch:satz:chrind} Ist $G$ ein Graph mit $n$ Knoten, dann gilt $\operatorname{chr}G\cdot\operatorname{ind}G\ge n$. \end{satz} \begin{proof}[Beweis] Eine minimale Färbung des Graphen mit $\operatorname{chr}G$ Farben teilt die Knoten in $\operatorname{chr}G$ disjunkte Mengen $V_f$ von Knoten mit gleicher Farbe $f$ ein. Da diese Mengen einfarbig sind, sind sie unabhängig, enthalten also höchstens so viele Knoten, wie die Unabhängigkeitszahl erlaubt, also $|V_f|\le \operatorname{ind}G$. Da die Menge aller Knoten die Vereinigung der Mengen $V_f$ ist, ist die Gesamtzahl der Knoten \begin{align*} V &= \bigcup_{\text{$f$ eine Farbe}} V_f &&\Rightarrow& n &= \sum_{\text{$f$ eine Farbe}} |V_f| \\ & &&& &\le \sum_{\text{$f$ eine Farbe}} \operatorname{ind}G = (\text{Anzahl Farben})\cdot \operatorname{ind}G = \operatorname{chr}G \cdot \operatorname{ind}G. \end{align*} Damit ist $n\le \operatorname{chr}G\cdot\operatorname{ind}G$ gezeigt. \qedhere \end{proof} \begin{beispiel} In einem vollständigen Graphen ist jeder Knoten mit jedem anderen verbunden. Jede Menge mit zwei oder mehr Knoten kann daher nicht unabhängig sein, die Unabhängigkeitszahl ist daher $\operatorname{ind}G=1$. Andererseits ist für jeden Knoten eine eigene Farbe nötig, daher ist die chromatische Zahl $\operatorname{chr}G=n$. Die Ungleichung von Satz~\ref{buch:satz:chrind} ist erfüllt, sogar mit Gleichheit. Das Beispiel zeigt, dass die Ungleichung nicht ohne zusätzliche Annahmen verbessert werden kann. \end{beispiel} \begin{figure} \centering \includegraphics{chapters/70-graphen/images/petersonchrind.pdf} \caption{Chromatische Zahl und Unabhängigkeitszahl des Peterson-Graphen. Die chromatische Zahl ist $3$, da der Graph sich mit drei Farben einfärben lässt (links). Die Unabhängigkeitszahl ist $4$, die vier grösseren Knoten im rechten Graphen sind unabhängig. Die Farben der kleinen Knoten sind die additive Mischung der Farben der grossen Knoten, mit denen sie verbunden sind. \label{buch:graphen:fig:chrindpeterson}} \end{figure} \begin{beispiel} Der Peterson-Graph $P$ von Abbildung~\ref{buch:graphen:fig:chrindpeterson} hat chromatische Zahl $\operatorname{chr}P=3$ und Unabhängigkeitszahl $\operatorname{ind}P=4$. Die Ungleichung von Satz~\ref{buch:satz:chrind} ist erfüllt, sogar als Ungleichung: $\operatorname{chr}P\cdot\operatorname{ind}P=3\cdot 4=12>10=n$. \end{beispiel} Nach Definition ist die Unabhängigkeitszahl ein Mass für die Grösse einer unabhängigen Menge von Punkten. Der Beweis von Satz~\ref{buch:satz:chrind} zeigt, dass man sich die chromatische Zahl als ein Mass dafür vorstellen kann, wieviele solche unabhängige Mengen in einem Graphen untergebracht werden können. % % Chromatische Zahl und maximaler Grad % \subsection{Chromatische Zahl und maximaler Grad \label{buch:subsection:chr-und-maximaler-grad}} Wenn kein Knoten mehr als $d$ Nachbarn hat, dann reichen $d+1$ Farben immer, um diesen Knoten und seine Nachbarn einzufärben. Das heisst aber noch nicht, dass dann auch $d+1$ Farben zur Einfärbung des ganzen Graphen reichen. Genau dies garantiert jedoch der folgende Satz. \begin{definition} Der {\em maximale Grad} \( \max_{v\in V} \deg(v) \) eines ungerichteten Graphen wird mit $d$ bezeichnet. \index{maximaler Grad}% \end{definition} \begin{satz} \label{buch:graphen:satz:chrmaxgrad} Ist $G$ ein Graph mit maximalem Grad $d$, dann gilt $\operatorname{chr}G \le d+1$. \end{satz} \begin{proof}[Beweis] Wir führen den Beweis mit Hilfe von vollständiger Induktion nach der Anzahl Knoten eines Graphen. Ein Graph mit nur einem Knoten hat keine Kanten, der maximale Grad ist daher $d=0$ und $d+1=1$ Farbe reicht auch tatsächlich zur Einfärbung des einen Knotens. Wir nehmen jetzt an, die Behauptung sei für Graphen mit $n-1$ Knoten bereits bewiesen, ein Graph $G'$ mit $n-1$ Knoten und maximalem Grad $d'$ erfüllt also die Ungleichung $\operatorname{chr}G'\le d'+1$. Wir wählen jetzt einen beliebigen Knoten $v$ des Graphen $G$ und bilden den Graphen $G'$, der aus $G$ entsteht, indem man den Knoten $v$ entfernt: $G'=G\setminus\{v\}$. Der maximale Grad $d'$ von $G'$ kann dabei nicht grösser werden, es ist also $d'\le d$. Da $G'$ genau $n-1$ Knoten hat, lässt er sich mit höchstens $d'+1\le d+1$ Farben einfärben. Es muss jetzt also nur noch eine Farbe für den Knoten $v$ gefunden werden. Da $d$ der maximale Grad ist, hat $v$ höchstens $d$ Nachbarn, die höchstens $d$ verschiedene Farben haben können. Von den $d+1$ zur Verfügung stehenden Farben bleibt also mindestens eine übrig, mit der man den Knoten $v$ einfärben kann. Damit ist der Induktionsschritt gelungen und somit der Satz bewiesen. \end{proof} Das Argument im Beweis von Satz~\ref{buch:graphen:satz:chrmaxgrad} ist für alle Begriffe anwendbar, die sich bei der Bildung eines Untergraphen auf ``monotone'' Art ändern. Die chromatische Zahl eines Untergraphen ist höchstens so gross wie die des ganzen Graphen. Daher kann man eine Ungleichung für grosse Graphen schrittweise aus entsprechenden Ungleichungen für die kleineren Teilgraphen gewinnen. Ziel der folgenden Abschnitte ist zu zeigen, dass sich eine Grösse mit ähnlichen Eigenschaften aus dem Eigenwertspektrum der Adjazenzmatrix ablesen lässt. Daraus ergibt sich dann eine bessere Abschätzung der chromatischen Zahl eines Graphen. % % maximaler Eigenwert und maximaler Grad % \subsection{Maximaler Eigenwert von $A(G)$ und maximaler Grad \label{buch:subsection:maximaler-eigenwert}} Die Adjazenzmatrix $A(G)$ eines Graphen $G$ mit $n$ Knoten enthält unter anderem auch die Information über den Grad eines Knotens. Die Summe der Elemente einer Zeile oder einer Spalte ergibt einen Vektor, der die Grade der Knoten als Komponenten enthält. Ist $U$ ein $n$-dimensionaler Vektor aus lauter Einsen, dann ist ist $A(G)U$ ein Spaltenvektor bestehend aus den Zeilensummen der Matrix $A(G)$ und $U^tA(G)$ ein Zeilenvektor bestehend aus den Spaltensummen. $A(G)U$ ist also der Vektor der Grade der Knoten. Das Skalarprodukt von $A(G)U$ mit $U$ ist die Summe der Grade. Somit ist \begin{equation} \frac{\langle A(G)U,U\rangle}{\langle U,U\rangle} = \frac{1}{\langle U,U\rangle}\sum_{v\in V}\deg(v) = \frac{1}{n}(d_1+\dots+d_n) \label{buch:graphen:eqn:AUdavg} \end{equation} der {\em mittlere Grad}, der mit $\overline{d}$ bezeichnet werden soll. Da die Kanten eines Graphen zusammen $2\cdot|E|$ Enden haben, kann er auch als \[ \overline{d}=\frac{2\cdot|E|}{|V|} \] berechnet werden. \index{mittlerer Grad}% Da $A(G)$ eine symmetrische Matrix ist, ist $A(G)$ diagonalisierbar, die Eigenwerte sind also alle reell. Es ist ausserdem bekannt, dass der Eigenvektor $f$ zum grössten Eigenwert $\alpha_{\text{max}}$ von $A(G)$ den Bruch \[ \frac{\langle A(G)f,f\rangle}{\langle f,f\rangle} \] für Vektoren $f\ne 0$ maximiert. Aus~\eqref{buch:graphen:eqn:AUdavg} folgt damit, dass \begin{equation} \overline{d} \le \alpha_{\text{max}} \label{buch:graphen:eqn:dqueramax} \end{equation} ist. In Abschnitt~\ref{buch:section:positive-vektoren-und-matrizen} des nächsten Kapitels wird die Perron-Frobenius-Theorie positiver \index{Perron-Frobenius-Theorie}% \index{positive Matrix}% Matrizen vorgestellt, welche einer Reihe interessanter Aussagen über den betragsgrössten Eigenwert und den zugehörigen Eigenvektor macht. Die Adjazenzmatrix ist eine nichtnegative Matrix und $\alpha_{\text{max}}$ ist der grösste Eigenwert, also genau die Grösse, auf die die Sätze~\ref{buch:wahrscheinlichkeit:satz:perron-frobenius} und \ref{buch:wahrscheinlichkeit:satz:perron-frobenius2} anwendbar sind. Dazu muss die Matrix allerdings primitiv sein (Definition~\ref{buch:positiv:def:primitiv} in Kapitel~\ref{buch:chapter:wahrscheinlichkeit}), was gleichbedeutend \index{primitive Matrix}% ist damit, dass der Graph zusammenhängend ist. Im folgenden soll dies daher jeweils angenommen werden. \begin{satz} Ist $G$ ein zusammenhängender Graph mit $n$ Knoten und maximalem Grad $d$, dann gilt \[ \frac1n\sum_{v\in V} \deg(v) = \overline{d} \le \alpha_{\text{max}} \le d. \] \end{satz} \begin{proof}[Beweis] Wir wissen aus \eqref{buch:graphen:eqn:dqueramax} bereits, dass $\overline{d}\le\alpha_{\text{max}}$ gilt, es bleibt also nur noch $\alpha_{\text{max}}\le d$ zu beweisen. Sei $f$ der Eigenvektor zum Eigenwert $\alpha_{\text{max}}$. Nach Satz~\label{buch:wahrscheinlichkeit:satz:perron-frobenius2} ist $f$ ein positiver Vektor mit der Eigenschaft $A(G)f=\alpha_{\text{max}}f$. Der Eigenvektor $f$ ist eine Funktion auf den Knoten des Graphen, die $v$-Komponente des Vektors $f$ für einen Vertex $v\in V$ ist $f(v)$. Die Eigenvektoreigenschaft bedeutet $(A(G)f)(v)=\alpha_{\text{max}} f(v)$. Die Adjazenzmatrix $A(G)$ enthält in Zeile $v$ genau für diejenigen Knoten $u\in V$ Einsen, die zu $v$ benachbart sind. Schreiben wir $u\sim v$ für die Nachbarschaftsrelation, dann ist \[ (A(G)f)(v) = \sum_{u\sim v} f(u). \] Die Summe der Komponenten $A(G)f$ kann man durch Multiplikation von $A(G)f$ mit einem Zeilenvektor $U^t$ aus lauter Einsen erhalten, also \begin{equation} \begin{aligned} {\color{red} \sum_{v\in V}}\sum_{u\sim v}f(v) &= {\color{red}U^t}A(G)f = (U^tA(G))f = \begin{pmatrix}d_1&d_2&\dots&d_n\end{pmatrix} f \\ &= \sum_{v\in V}\deg (v) f(v) \le \sum_{v\in V}df(v) = d \sum_{v\in V}f(v). \end{aligned} \label{buch:graphen:eqn:sumkomp} \end{equation} Andererseits ist $A(G)f=\alpha_{\text{max}}f$, die linke Seite von~\eqref{buch:graphen:eqn:sumkomp} ist daher \begin{equation} \sum_{v\in V}\sum_{u\sim v}f(v) = U^tA(G)f = \alpha_{\text{max}} U^tf = \alpha_{\text{max}} \sum_{v\in V}f(v). \label{buch:graphen:eqn:sumkomp2} \end{equation} Die Ungleichung~\eqref{buch:graphen:eqn:sumkomp} und die Gleichung~\eqref{buch:graphen:eqn:sumkomp2} ergeben zusammen die Ungleichung \[ \alpha_{\text{max}} \sum_{v\in V}f(v) \le d\sum_{v\in V}f(v) \qquad\Rightarrow\qquad \alpha_{\text{max}} \le d, \] da die Summe der Komponenten des positiven Vektors $f$ nicht verschwinden kann. Damit ist die Ungleichung bewiesen. \end{proof} % % alpha_max eines Untergraphen % \subsection{$\alpha_{\text{max}}$ eines Untergraphen \label{buch:subsection:alphamax-eines-untergraphen}} Der grösste Eigenwert $\alpha_{\text{max}}$ ist ein potentieller Anwärter für eine bessere Abschätzung der chromatischen Zahl. Bereits früher wurde bemerkt, dass dies auch bedeutet, dass man das Verhalten des grössten Eigenwerts bei einem Übergang zu einem Untergraphen verstehen muss. \begin{satz} \label{buch:graphen:satz:amaxuntergraph} Sei $G'$ ein echter Untergraph von $G$ mit Adjazenzmatrix $A(G')$ und grösstem Eigenwert $\alpha_{\text{max}}'=\varrho(A(G'))$, dann ist $\alpha_{\text{max}}' \le \alpha_{\text{max}}$. \end{satz} \begin{proof}[Beweis] Sei $f'$ der positive Eigenvektor zum Eigenwert $\alpha_{\text{max}}'$ der Matrix $A(G')$. $f'$ ist definiert auf der Menge $V'$ der Knoten von $G'$. Aus $f'$ lässt sich ein Vektor $g$ mit den Werten \[ g(v) = \begin{cases} f'(v)&\qquad v\in V'\\ 0&\qquad\text{sonst} \end{cases} \] konstruieren, der auf ganz $V$ definiert ist. Die Vektoren $f'$ und $g$ haben auf $V'$ die gleichen Komponenten, also ist auch $\langle f',f'\rangle = \langle g,g\rangle$. Die Matrixelemente von $A(G')$ und $A(G)$ auf gemeinsamen Knoten $u,v\in V'$ erfüllen $A(G')_{uv}\le A(G)_{uv}$, da jede Kante von $G'$ auch in $G$ ist. Daher gilt \[ \langle A(G')f',f'\rangle \le \langle A(G)g,g\rangle, \] woraus sich die Ungleichung \[ \alpha_{\text{max}}' = \frac{\langle A(G')f',f'\rangle}{\langle f',f'\rangle} = \frac{\langle A(G)g,g\rangle}{\langle g,g\rangle} \le \alpha_{\text{max}} \] ergibt, da $\alpha_{\text{max}}$ das Maximum von $\langle A(G)h,h\rangle/\langle h,h\rangle$ für alle Vektoren $h\ne 0$ ist. \end{proof} % % Der Satz von Wilf % \subsection{Chromatische Zahl und $\alpha_{\text{max}}$: Der Satz von Wilf \label{buch:subsection:chr-und-alpha-max}} \index{Satz von Wilf}% \index{Wilf, Satz von}% Die in Satz~\ref{buch:graphen:satz:amaxuntergraph} beschriebene Eigenschaft von $\alpha_{\text{max}}$ beim Übergang zu einem Untergraphen ermöglich jetzt, eine besser Abschätzung für die chromatische Zahl zu finden. \begin{satz}[Wilf] \label{buch:graphen:satz:wilf} Sie $G$ ein zusammenhängder Graph und $\alpha_{\text{max}}$ der grösste Eigenwert seiner Adjazenzmatrix. Dann gilt \[ \operatorname{chr}G\le \alpha_{\text{max}}+1. \] \end{satz} \begin{proof}[Beweis] Wie der Satz~\ref{buch:graphen:satz:chrmaxgrad} kann auch der Satz von Wilf mit Hilfe von vollständiger Induktion über die Anzahl $n$ der Knoten bewiesen werden. Ein Graph mit nur einem Knoten hat die $0$-Matrix als Adjazenzmatrix, der maximale Eigenwert ist $\alpha_{\text{max}}=0$, und tatsächlich reicht $\alpha_{\text{max}}+1=1$ Farbe, um den einen Knoten einzufärben. Dies ist die Induktionsverankerung. Im Sinne der Induktionsannahme nehmen wir jetzt an, der Satz sei für Graphen mit $n-1$ Knoten bereits beweisen. Wir müssen dann zeigen, dass der Satz dann auch für Graphen mit $n$ Knoten gilt. Sei $v\in V$ ein Knoten minimalen Grades und $G'=G\setminus\{v\}$ der Untergraph, der entsteht, wenn der Knoten $v$ entfernt wird. Da $G'$ genau $n-1$ Knoten hat, gilt der Satz von Wilf für $G'$ und daher kann $G'$ mit höchstens \[ \operatorname{chr}G' \le 1 + \alpha_{\text{max}}' \] Farben eingefärbt werden. Nach Satz~\ref{buch:graphen:satz:amaxuntergraph} ist $\alpha_{\text{max}}'\le \alpha_{\text{max}}$, Also kann $G'$ mit höchstens $\alpha_{\text{max}}+1$ Farben eingefärbt werden. Da $v$ ein Knoten minimalen Grades ist, ist sein Grad $d(v)\le \overline{d}\le \alpha_{\text{max}}$. Die Nachbarn von $v$ haben also hächstens $\alpha_{\text{max}}$ verschiedene Farben, mit einer weiteren Farbe lässt sich also auch $G$ einfärben. Daraus folgt $\operatorname{chr}G\le \alpha_{\text{max}}+1$. \end{proof} \begin{figure} \centering \includegraphics{chapters/70-graphen/images/nine.pdf} \caption{Beispiel für einen Graphen, für den der Satz~\ref{buch:graphen:satz:wilf} von Wilf die bessere Abschätzung für die chromatische Zahl eines Graphen gibt als der maximale Grad. \label{buch:graphen:fig:wilfexample}} \end{figure} \begin{beispiel} Der Graph in Abbildung~\ref{buch:graphen:fig:wilfexample} hat 12 Kanten und 9 Knoten, daher ist $\overline{d}\le \frac{24}{9}$. Der maximale Grad ist $4$ und durch explizite Rechnung mit Hilfe zum Beispiel von Octave ergibt, dass $\alpha_{\text{max}}\approx 2.9565$. Aus dem Satz von Wilf folgt, dass $\operatorname{chr}G\le \alpha_{\text{max}}+1$, und daraus ergibt sich $\operatorname{chr}G\le 3$. Tatsächlich ist die chromatische Zahl $\operatorname{chr}G=3$, da der Graph mindestens ein Dreieck enthält. Der maximale Grad ist 4, somit gibt der Satz~\ref{buch:graphen:satz:chrmaxgrad} die Schranke $\operatorname{chr}G\le 4+1=5$ für die chromatische Zahl. Der Satz von Wilf ist also eine wesentliche Verbesserung, er liefert in diesem Fall den exakten Wert der chromatischen Zahl. \end{beispiel}