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author | Nicolas Tobler <nicolas.tobler@ost.ch> | 2022-05-30 00:06:46 +0200 |
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diff --git a/buch/papers/nav/nautischesdreieck.tex b/buch/papers/nav/nautischesdreieck.tex new file mode 100644 index 0000000..36e9c99 --- /dev/null +++ b/buch/papers/nav/nautischesdreieck.tex @@ -0,0 +1,200 @@ +\section{Das Nautische Dreieck} +\subsection{Definition des Nautischen Dreiecks} +Die Himmelskugel ist eine gedachte Kugel, welche die Erde und dessen Beobachter umgibt und als Rechenfläche für Koordinaten in der Astronomie und Geodäsie dient. +Der Zenit ist jener Punkt, der vom Erdmittelpunkt durch denn eigenen Standort an die Himmelskugel verlängert wird. +Ein Gestirn ist ein Planet oder ein Fixstern, zu welchen es diverse Jahrbücher mit allen astronomischen Eigenschaften gibt. +Der Himmelspol ist der Nordpol an die Himmelskugel projiziert. +Das nautische Dreieck hat die Ecken Zenit, Gestirn und Himmelspol, wie man in der Abbildung 21.5 sehen kann. + +Ursprünglich ist das nautische Dreieck ein Hilfsmittel der sphärischen Astronomie um die momentane Position eines Fixsterns oder Planeten an der Himmelskugel zu bestimmen. + +\subsection{Das Bilddreieck} +\begin{figure} + \begin{center} + \includegraphics[width=8cm]{papers/nav/bilder/kugel3.png} + \caption[Nautisches Dreieck]{Nautisches Dreieck} + \end{center} +\end{figure} + Man kann das nautische Dreieck auf die Erdkugel projizieren. +Dieses Dreieck nennt man dann Bilddreieck. +Als Bildpunkt wird in der astronomischen Navigation der Punkt bezeichnet, an dem eine gedachte Linie vom Mittelpunkt eines beobachteten Gestirns zum Mittelpunkt der Erde die Erdoberfläche schneidet. +Die Projektion auf der Erdkugel hat die Ecken Nordpol, Standort und Bildpunkt. + +\section{Standortbestimmung ohne elektronische Hilfsmittel} +Um den eigenen Standort herauszufinden, wird in diesem Kapitel die Projektion des nautische Dreiecks auf die Erdkugel zur Hilfe genommen. +Mithilfe eines Sextanten, einem Jahrbuch und der sphärischen Trigonometrie kann man dann die Längen- und Breitengrade des eigenen Standortes bestimmen. +Was ein Sextant und ein Jahrbuch ist, wird im Abschnitt 21.6.3 erklärt. +\begin{figure} + \begin{center} + \includegraphics[width=10cm]{papers/nav/bilder/dreieck.pdf} + \caption[Dreieck für die Standortbestimmung]{Dreieck für die Standortbestimmung} + \end{center} +\end{figure} + + + + +\subsection{Ecke $P$ und $A$} +Unser eigener Standort ist der gesuchte Ecke $P$ und die Ecke $A$ ist in unserem Fall der Nordpol. +Der Vorteil an der Idee des nautischen Dreiecks ist, dass eine Ecke immer der Nordpol ist. +Somit ist diese Ecke immer bekannt und nur deswegen sind die Zusammenhänge von Rektaszension, Sternzeit und Deklination so einfach. + +\subsection{Ecke $B$ und $C$ - Bildpunkt $X$ und $Y$} +Für die Standortermittlung benötigt man als weiteren Punkt ein Gestirn bzw. seinen Bildpunkt auf der Erdkugel. +Damit das trigonometrische Rechnen einfacher wird, werden hier zwei Gestirne zur Hilfe genommen. +Es gibt diverse Gestirne, die man nutzen kann wie zum Beispiel die Sonne, der Mond oder die vier Navigationsplaneten Venus, Mars, Jupiter und Saturn. + +Die Bildpunkte von den beiden Gestirnen $X$ und $Y$ bilden die beiden Ecken $B$ und $C$ im Dreieck der Abbildung 21.5. +\subsection{Ephemeriden} +Zu all diesen Gestirnen gibt es Ephemeriden. +Diese enthalten die Rektaszensionen und Deklinationen in Abhängigkeit von der Zeit. + +\begin{figure} + \begin{center} + \includegraphics[width=\textwidth]{papers/nav/bilder/ephe.png} + \caption[Nautical Almanac Mai 2002]{Nautical Almanac Mai 2002} + \end{center} +\end{figure} + +\subsubsection{Deklination} +Die Deklination $\delta$ beschreibt den Winkel zwischen dem Himmelsäquator und Gestirn und entspricht dem Breitengrad des Gestirns. + +\subsubsection{Rektaszension und Sternzeit} +Die Rektaszension $\alpha$ gibt an, in welchem Winkel das Gestirn zum Frühlingspunkt, welcher der Nullpunkt auf dem Himmelsäquator ist, steht und geht vom Koordinatensystem der Himmelskugel aus. + +Die Tatsache, dass sich die Himmelskugel ca. vier Minuten schneller um die eigene Achse dreht als die Erdkugel, stellt hier ein kleines Problem dar. +Die Lösung ist die Sternzeit. +Mit dieser können wir die schnellere Drehung der Himmelskugel ausgleichen und können die am Frühlingspunkt (21. März) 12:00 Uhr ist die Sternzeit $\theta = 0$. + +Die Sternzeit geht vom Frühlungspunkt aus, an welchem die Sonne den Himmelsäquator schneidet. +Für die Standortermittlung auf der Erdkugel ist es am einfachsten, wenn man die Sternzeit von Greenwich berechnet. +Für die Sternzeit von Greenwich $\theta$ braucht man als erstes das Julianische Datum $T$ vom aktuellen Tag, welches sich leicht nachschlagen lässt. +Im Anschluss berechnet man die Sternzeit von Greenwich + +\[\theta = 6^h 41^m 50^s,54841 + 8640184^s,812866 \cdot T + 0^s,093104 \cdot T^2 - 0^s,0000062 \cdot T^3.\] + +Wenn man die Sternzeit von Greenwich ausgerechnet hat, kann man den Längengrad des Gestirns $\lambda = \theta - \alpha$ bestimmen, wobei $\alpha$ die Rektaszension und $\theta$ die Sternzeit von Greenwich ist. +Dies gilt analog auch für das zweite Gestirn. +\subsubsection{Sextant} +Ein Sextant ist ein nautisches Messinstrument, mit dem man den Winkel zwischen der Blickrichtung zu weit entfernten Objekten bestimmen kann. Es wird vor allem der Winkelabstand zu Gestirnen gemessen. +Man benutzt ihn vor allem für die astronomische Navigation auf See. + +\begin{figure} + \begin{center} + \includegraphics[width=10cm]{papers/nav/bilder/sextant.jpg} + \caption[Sextant]{Sextant} + \end{center} +\end{figure} +\subsubsection{Eingeschaften} +Für das nautische Dreieck gibt es folgende Eigenschaften: +\begin{center} + \begin{tabular}{ l c l } + Legende && Name / Beziehung \\ + \hline + $\alpha$ && Rektaszension \\ + $\delta$ && Deklination \\ + $\theta$ && Sternzeit von Greenwich\\ + $\phi$ && Geographische Breite\\ + $\tau=\theta-\alpha$ && Stundenwinkel und Längengrad des Gestirns. \\ + $a$ && Azimut\\ + $h$ && Höhe + \end{tabular} +\end{center} +\begin{center} + \begin{tabular}{ l c l } + Eigenschaften \\ + \hline + Seitenlänge Zenit zu Himmelspol= && $\frac{\pi}{2} - \phi$ \\ + Seitenlänge Himmelspol zu Gestirn= && $\frac{\pi}{2} - \delta$ \\ + Seitenlänge Himmelspol zu Gestirn= && $\frac{\pi}{2} - h$ \\ + Winkel von Zenit zu Himmelsnordpol zu Gestirn= && $\pi-\alpha$\\ + Winkel von Himmelsnordpol zu Zenit zu Gestirn= && $\tau$\\ + \end{tabular} +\end{center} +\subsection{Bestimmung des eigenen Standortes $P$} +Nun hat man die Koordinaten der beiden Gestirne und man weiss die Koordinaten des Nordpols. +Damit wir unseren Standort bestimmen können, bilden wir zuerst das Dreieck $ABC$, dann das Dreieck $BPC$ und zum Schluss noch das Dreieck $ABP$. +Mithilfe dieser Dreiecken können wir die einfachen Sätze der sphärischen Trigonometrie anwenden und benötigen lediglich ein Ephemeride zu den Gestirnen und einen Sextant. + +\begin{figure} + \begin{center} + \includegraphics[width=8cm]{papers/nav/bilder/dreieck.pdf} + \caption[Dreieck für die Standortbestimmung]{Dreieck für die Standortbestimmung} + \end{center} +\end{figure} + + +\subsubsection{Dreieck $ABC$} + +\begin{center} + \begin{tabular}{ c c c } + Ecke && Name \\ + \hline + $A$ && Nordpol \\ + $B$ && Bildpunkt des Gestirns $X$ \\ + $C$&& Bildpunkt des Gestirns $Y$ + \end{tabular} +\end{center} + +Mit unserem erlangten Wissen können wir nun alle Seiten des Dreiecks $ABC$ berechnen. + +Die Seite vom Nordpol zum Bildpunkt $X$ sei $c$. +Dann ist $c = \frac{\pi}{2} - \delta_1$. + +Die Seite vom Nordpol zum Bildpunkt $Y$ sei $b$. +Dann ist $b = \frac{\pi}{2} - \delta_2$. + +Der Innenwinkel bei der Ecke, wo der Nordpol ist sei $\alpha$. +Dann ist $ \alpha = |\lambda_1 - \lambda_2|$. + +mit +\begin{center} + \begin{tabular}{ c c c } + Ecke && Name \\ + \hline + $\delta_1$ && Deklination vom Bildpunkt $X$ \\ + $\delta_2$ && Deklination vom Bildpunk $Y$ \\ + $\lambda_1 $&& Längengrad vom Bildpunkt $X$\\ + $\lambda_2$ && Längengrad vom Bildpunkt $Y$ + \end{tabular} +\end{center} + +Nun haben wir die beiden Seiten $c$ und $b$ und den Winkel $\alpha$, der sich zwischen diesen Seiten befindet. +Mithilfe des Seiten-Kosinussatzes +$\cos(a) = \cos(b)\cdot \cos(c) + \sin(b) \cdot \sin(c)\cdot \cos(\alpha)$ +können wir nun die dritte Seitenlänge bestimmen. +Es ist darauf zu achten, dass hier natürlich die Seitenlängen in Bogenmass sind und dementsprechend der Kosinus und Sinus verwendet wird. + +Jetzt fehlen noch die beiden anderen Innenwinkel $\beta$ und\ $\gamma$. +Diese bestimmen wir mithilfe des Sinussatzes \[\frac{\sin (a)}{\sin (\alpha)} =\frac{\sin (b)}{\sin (\beta)} = \frac{\sin (c)}{\sin (\gamma)}.\] +Hier muss man aufpassen, dass man Seite von Winkel unterscheiden kann. +Im Zähler sind die Seiten, im Nenner die Winkel. +Somit ist \[\beta =\sin^{-1} [\sin(b) \cdot \frac{\sin(\alpha)}{\sin(a)}].\] + +Schlussendlich haben wir die Seiten $a,b\ und \ c$, die Ecken A,B und C und die Winkel $\alpha$, $\beta$ und $\gamma$ bestimmt und somit das ganze Kugeldreieck $ABC$ berechnet. + +\subsubsection{Dreieck $BPC$} +Wir bilden nun ein zweites Dreieck, welches die Ecken $B$ und $C$ des ersten Dreiecks besitzt. +Die dritte Ecke ist der eigene Standort $P$. +Unser Standort definiere sich aus einer geographischen Breite $\delta$ und einer geographischen Länge $\lambda$. + +Die Seite von $P$ zu $B$ sei $pb$ und die Seite von $P$ zu $C$ sei $pc$. +Die beiden Seitenlängen kann man mit dem Sextant messen und durch eine einfache Formel bestimmen, nämlich $pb=\frac{\pi}{2} - h_{B}$ und $pc=\frac{\pi}{2} - h_{C}$ + +mit $h_B=$ Höhe von Gestirn in $B$ und $h_C=$ Höhe von Gestirn in $C$ mit Sextant gemessen. + +Zum Schluss müssen wir noch den Winkel $\beta_1$ mithilfe des Seiten-Kosinussatzes \[\cos(pb)=\cos(pc)\cdot\cos(a)+\sin(pc)\cdot\sin(a)\cdot\cos(\beta_1)\] mit den bekannten Seiten $pc$, $pb$ und $a$ bestimmen. +\subsubsection{Dreieck $ABP$} +Nun muss man eine Verbindungslinie ziehen zwischen $P$ und $A$. Die Länge $l$ dieser Linie entspricht der gesuchten geographischen Breite $\delta$. Diese lässt sich mithilfe des Dreiecks $ABP$, den bekannten Seiten $c$ und $pb$ und des Seiten-Kosinussatzes berechnen. +Für den Seiten-Kosinussatz benötigt es noch $\kappa=\beta + \beta_1$. +Somit ist \[\cos(l) = \cos(c)\cdot \cos(pb) + \sin(c) \cdot \sin(pb) \cdot \cos(\kappa)\] +und +\[ +\delta =\cos^{-1} [\cos(c) \cdot \cos(pb) + \sin(c) \cdot \sin(pb) \cdot \cos(\kappa)]. +\] + +Für die Geographische Länge $\lambda$ des eigenen Standortes muss man den Winkel $\omega$, welcher sich im Dreieck $ACP$ in der Ecke bei $A$ befindet. +Mithilfe des Sinussatzes \[\frac{\sin (a)}{\sin (\alpha)} =\frac{\sin (b)}{\sin (\beta)} = \frac{\sin (c)}{\sin (\gamma)}\] können wir das bestimmen. +Somit ist \[ \omega=\sin^{-1}[\sin(pc) \cdot \frac{\sin(\gamma)}{\sin(l)}] \]und unsere gesuchte geographische Länge schlussendlich +\[\lambda=\lambda_1 - \omega\] +wobei $\lambda_1$ die Länge des Bildpunktes $X$ von $C$ ist. |