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author | Andreas Müller <andreas.mueller@ost.ch> | 2022-01-28 17:17:33 +0100 |
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Liouville-Vorbereitungen
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Dann gilt \begin{enumerate} \item -Falls $\vartheta=\log f$ ist, ist $P(\vartheta)'$ genau dann ein +\label{buch:integrale:satz:polynom-ableitung-grad-log} +Falls $\vartheta=\log f$ ist, ist $P(\vartheta)'$ ein Polynom vom Grad $n$ in $\vartheta$, wenn der Leitkoeffizient $A_n$ -nicht konstant ist. +nicht konstant ist, andernfalls ein Polynom vom Grad $n-1$. \item -Falls $\vartheta = \exp f$ ist, ist $P(\vartheta)'$ ein Polynom +\label{buch:integrale:satz:polynom-ableitung-grad-exp} +Falls $\vartheta = \exp f$ ist, dann ist $P(\vartheta)'$ ein Polynom in $\vartheta$ vom Grad $n$. \end{enumerate} \end{satz} +Der Satz macht also genaue Aussagen darüber, wie sich der Grad eines +Polynoms in $\vartheta$ beim Ableiten ändert. + \begin{proof}[Beweis] Für Exponentialfunktion ist $\vartheta'=\vartheta f'$, die Ableitung fügt also einfach einen Faktor $f'$ hinzu. @@ -1211,25 +1217,480 @@ A'_k\vartheta^k + A_kk\vartheta^{k-1}\vartheta' = A'_k\vartheta^k + A_kk\vartheta^{k-1}\vartheta f' = -(A'_k + kA_k f)\vartheta^k +(A'_k + kA_k f)\vartheta^k. \] -Damit wird die Ableitung von $P(\vartheta)$ -\[ +Damit wird die Ableitung des Polynoms +\begin{equation} P(\vartheta)' = -(A'_n+nA_nf')\vartheta^n +\underbrace{(A'_n+nA_nf')\vartheta^n}_{\displaystyle=(A_n\vartheta^n)'} + (A'_{n-1}+(n-1)A_{n-1}f')\vartheta^{n-1} + \dots + -(A'-1+A_1f')\vartheta + A_0'. -\] +(A'_1+A_1f')\vartheta + A_0'. +\label{buch:integrale:ableitung:polynom} +\end{equation} Der Grad der Ableitung kann sich also nur ändern, wenn $A_n'+nA_nf'=0$ ist. +Dies bedeutet aber wegen +\( +(A_n\vartheta^n)' += +0 +\), dass $A_n\vartheta^n=c$ eine Konstante ist. +Da alle Konstanten bereits in $\mathscr{D}$ sind, folgt, dass +\[ +\vartheta^n=\frac{c}{A_n} +\qquad\Rightarrow\qquad +\vartheta^n - \frac{c}{A_n}=0, +\] +also wäre $\vartheta$ algebraisch über $\mathscr{D}$, also auch kein Monom. +Dieser Widerspruch zeigt, dass der Leitkoeffizient nicht verschwinden kann. + +Für die erste Aussage ist die Ableitung der einzelnen Terme des Polynoms +\[ +(A_k\vartheta^k)' += +A_k'\vartheta^k + A_kk\vartheta^{k-1}\vartheta' += +A_k'\vartheta^k + A_kk\vartheta^{k-1}\frac{f'}{f} += +\biggl(A_k'\vartheta + kA_k\frac{f'}{f}\biggr)\vartheta^{k-1}. +\] +Die Ableitung des Polynoms ist daher +\[ +P(\vartheta)' += +A_n'\vartheta^n + \biggl(nA_n\frac{f'}{f}+ A'_{n-1}\biggr)\vartheta^{n-1}+\dots +\] +Wenn $A_n$ keine Konstante ist, ist $A_n'\ne 0$ und der Grad von +$P(\vartheta)'$ ist $n$. +Wenn $A_n$ eine Konstante ist, müssen wir noch zeigen, dass der nächste +Koeffizient nicht verschwinden kann. +Wäre der zweite Koeffizient $=0$, dann wäre die Ableitung +\[ +(nA_n\vartheta+A_{n-1})' += +nA_n\vartheta'+A'_{n-1} += +nA_n\frac{f'}{f}+A'_{n-1} += +0, +\] +d.h. $nA_n\vartheta+A_{n-1}=c$ wäre eine Konstante. +Da alle Konstanten schon in $\mathscr{D}$ sind, müsste auch +\[ +\vartheta = \frac{c-A_{n-1}}{nA_n} \in \mathscr{D} +\] +sein, wieder wäre $\vartheta$ kein Monom. +\end{proof} + +Der nächste Satz gibt Auskunft über den führenden Term in +$(\log P(\vartheta))' = P(\vartheta)'/P(\vartheta)$. + +\begin{satz} +\label{buch:integrale:satz:log-polynom-ableitung-grad} +Sei $P$ ein Polynom vom Grad $n$ wie in +\label{buch:integrale:satz:log-polynom-ableitung} +welches zusätzlich normiert ist, also $A_n=1$. +\begin{enumerate} +\item +\label{buch:integrale:satz:log-polynom-ableitung-log} +Ist $\vartheta=\log f$, dann ist +$(\log P(\vartheta))' = P(\vartheta)'/P(\vartheta)$ und $P(\vartheta)'$ +hat Grad $n-1$. +\item +\label{buch:integrale:satz:log-polynom-ableitung-exp} +Ist $\vartheta=\exp f$, dann gibt es ein Polynom $N(\vartheta)$ so, dass +$(\log P(\vartheta))' += +P(\vartheta)'/P(\vartheta) += +N(\vartheta)/P(\vartheta)+nf'$ +ist. +Falls $P(\vartheta)=\vartheta$ ist $N=0$, andernfalls ist $N(\vartheta)$ +ein Polynom vom Grad $<n$. +\end{enumerate} +\end{satz} + +\begin{proof}[Beweis] +Die Gleichung $(\log P(\vartheta))'=P(\vartheta)'/P(\vartheta)$ ist die +Definition eines Logarithmus, es geht also vor allem um die Frage +des Grades von $P(\vartheta)'$. +Da der Leitkoeffizient als $1$ und damit konstant vorausgesetzt wurde, +folgt die Behauptung \ref{buch:integrale:satz:log-polynom-ableitung-log} +aus +Aussage \ref{buch:integrale:satz:polynom-ableitung-grad-log} +von Satz~\ref{buch:integrale:satz:polynom-ableitung-grad}. + +Für Aussage \ref{buch:integrale:satz:log-polynom-ableitung-exp} +beachten wir wieder die +Ableitungsformel~\eqref{buch:integrale:ableitung:polynom} +und berücksichtigen, dass $A_n=1$ eine Konstante ist. +Da $A_n'=0$ ist, wird +\begin{align*} +P(\vartheta)' +&= +nA_n\vartheta^n f' + \text{Terme niedrigeren Grades in $\vartheta$}. +\intertext{Das Polynom $nf'P(\vartheta)$ hat den gleichen Term vom +Grad $n$, man kann also $P(\vartheta)'$ auch schreiben als} +&= +nf' +P(\vartheta) ++ +\underbrace{ +\text{Terme niedrigeren Grades in $\vartheta$}}_{\displaystyle=N(\vartheta)}. +\end{align*} +Division durch $P(\vartheta)$ ergibt die versprochene Formel. + +Im Fall $P(\vartheta)=\vartheta$ ist $n=1$ und +$(\log P(\vartheta))'=P(\vartheta)'/P(\vartheta) += +\vartheta f'/\vartheta += +nf'$ und somit $N(\vartheta)=0$. \end{proof} \subsubsection{Partialbruchzerlegungen} +Der vorangegangene Abschnitt hat gezeigt, dass sich Monome im Sinne +der Definition~\ref{buch:integrale:def:monom} algebraisch wie eine +unabhängige Variable verhalten. +Für die Berechnung von Integralen rationaler Funktionen in einer +Variablen $x$ verwendet +man die Partialbruchzerlegung, um Brüche mit einfachen Nennern zu +erhalten. +Es liegt daher nahe, dieselbe Idee auch auf die +Monome $\vartheta_i$ zu verwenden. +Dazu muss man die Brüche besser verstehen, die in einer Partialbruchzerlegung +vorkommen können. + +Eine Partialbruchzerlegung in der Variablen $X$ setzt sich zusammen +aus Brüchen der Form +\begin{equation} +g(X) += +\frac{P(X)}{Q(X)^r}, +\label{buch:integrale:eqn:partialbruch-quotient} +\end{equation} +wobei das Nennerpolynom $Q(X)$ ist ein normiertes irreduzibles Polynom +vom Grad $q$ und $P(X)$ ein beliebiges Polynom vom Grad $p<q$. + +Ist der Grad von $P(X)$ +im Quotienten +\eqref{buch:integrale:eqn:partialbruch-quotient} +grösser als $q$, dann kann man $P(X)$ um Vielfache von Potenzen von +$Q(X)$ reduzieren und eine Summe von Termen der Art +\eqref{buch:integrale:eqn:partialbruch-quotient} +erhalten, deren Nenner alle Grad $< q$ haben. +Die Anzahl neu enstehender Terme ist dabei ums grösser, je grösser +der Grad des Zählers ist. +Dies ist der Inhalt des folgenden Satzes. + +\begin{satz} +\label{buch:integrale:satz:partialbruch-reduktion} +Sei $Q(X)$ ein irreduzibles Polynom vom Grad $q$ und $P(X)$ ein beliebiges +Polynom vom Grad $p < (k+1)q$. +Dann gibt es Polynome $P_i(X)$, $i=0,\dots,k$, vom Grad $<q$ derart, +dass +\begin{equation} +\frac{P(X)}{Q(X)^r} += +\sum_{i=0}^k \frac{P_i(X)}{Q(X)^{r-i}}. +\label{buch:integrale:satz:partialbruch-aufgeloest} +\end{equation} +\end{satz} + +\begin{proof}[Beweis] +Für $k=0$ ist $p<q$ und es muss nichts weiter gezeigt werden. + +Sei jetzt also $k>0$ das kleinste $k$ so, dass $p<(k+1)q$. +Insbesondere ist dann $kq\le p$. +Nach dem euklidischen Satz für die Division von $P(X)$ durch $Q(X)^k$ +gibt es ein Polynom $P_k(X)$ vom Grad $\le p-qk$ derart, dass +\[ +P(X) = P_k(X)Q(X)^k + R_k(X) +\] +mit einem Rest $R_k(X)$ vom Grad $<kq$. +Es folgt +\[ +\frac{ P(X)}{Q(X)^r} += +\frac{P_k(X)}{Q(X)^{r-k}} ++ +\frac{R_k(X)}{Q(X)^r}. +\] +Der zweite Term ist wieder von der im Satz beschriebenen Art, allerdings +mit einem Wert von $k$, der um $1$ kleiner ist. +Durch rekursive Anwendung der gleichen Prozedur in $k$ weiteren Schritten +erhält man die Form +Das gleiche Argument kann jetzt auf das Polynom $R_k(X)$ anstelle +von $P(X)$ angewendet werden, erhalt man den Ausdruck +\eqref{buch:integrale:satz:partialbruch-aufgeloest}. +\end{proof} + +In der differentiellen Algebra $\mathscr{D}(\vartheta)$ muss man jetzt +auch Bescheid wissen über die Partialbruchzerlegung von Ableitungen solcher +Terme. + +\begin{satz} +\label{buch:integrale:satz:partialbruch-monom} +Sei $\vartheta$ ein Monom über $\mathscr{D}$ und +seien $P(\vartheta),Q(\vartheta)\in\mathscr{D}[\vartheta]$ Polynome, +wobei $Q(\vartheta)$ ein irreduzibles normiertes Polynom vom Grad $q$ +ist und $P(\vartheta)$ ein beliebiges Polynom vom Grad $p<q$. +Dann ist die Ableitung +\begin{equation} +g(\vartheta)' += +\biggl( +\frac{P(\vartheta)}{Q(\vartheta)^r} +\biggr)' += +-r\frac{P(\vartheta)Q(\vartheta)'}{Q(\vartheta)^{r+1}} ++ +\frac{P(\vartheta)'}{Q(\vartheta)^r}. +\label{buch:integrale:eqn:partialbruch-ableitung} +\end{equation} +Falls $\vartheta=\exp f$ eine Exponentialfunktion ist und +$Q(\vartheta)=\vartheta$, dann hat die Partialbruchzerlegung von $g(X)'$ +die Form +\begin{equation} +g(\vartheta)' += +\frac{ +{P(\vartheta)'-rP(\vartheta)f} +}{ +\vartheta^{r} +}. +\label{buch:integrale:eqn:partialbruch-ableitung-fall0} +\end{equation} +Für $Q(\vartheta)\ne \vartheta$ oder $\vartheta$ keine Exponentialfunktion +hat die Partialbruchzerlegung von $g(X)'$ die Form +\[ +g(\vartheta)' += +\frac{R(\vartheta)}{Q(\vartheta)^{r+1}}+\frac{S(\vartheta)}{Q(\vartheta)^r} +\qquad\text{mit $R(\vartheta)\ne 0$}. +\] +\end{satz} + +\begin{proof}[Beweis] +Schreibt man den Quotienten $g(\vartheta)$ als +$g(\vartheta)=P(\vartheta)Q(\vartheta)^{-r}$, dann folgt aus +Produkt- und Potenzregel +\[ +g(\vartheta)' += +P(\vartheta)'Q(\vartheta)^{-r} ++ +P(\vartheta)\bigl(Q(\vartheta)^{-r}\bigr)' += +\frac{P(\vartheta)'}{Q(\vartheta)^{r}} +-r\frac{P(\vartheta)Q(\vartheta)'}{Q(\vartheta)^{r+1}}, +\] +dies ist +\eqref{buch:integrale:eqn:partialbruch-ableitung}. +Auf die Ableitungen von $P(\vartheta)$ und $Q(\vartheta)$ können +jetzt die Sätze +\ref{buch:integrale:satz:polynom-ableitung-grad}, +\ref{buch:integrale:satz:log-polynom-ableitung-grad} +und +\ref{buch:integrale:satz:partialbruch-monom} +angewendet werden. +Es sind jweils zwei Dinge zu prüfen: es dürfen in der Partialbruchzerlegung +im Nenner keine Potenzen $<r$ vorkommen und wegen $R\ne 0$ muss der Nenner +$Q(\vartheta)^{r+1}$ vorkommen. + +Falls $\vartheta=\log f$ ist, ist $Q(\vartheta)'$ ein Polynom vom +Grad $q-1$ nach Satz~\eqref{buch:integrale:satz:polynom-ableitung-grad} +\ref{buch:integrale:satz:polynom-ableitung-grad-log} +und $P(\vartheta)'$ ist ein Polynom vom Grad höchstens $p$. +Der Zähler $P(\vartheta)Q(\vartheta)'$ im zweiten Term ist nicht +durch $Q(\vartheta)$ teilbar, denn weil $Q(\vartheta)$ irreduzibel +ist, müsste $Q(\vartheta)$ entweder $P(\vartheta)$ oder $Q(\vartheta)'$ +teilen, aber beide haben zu geringen Grad. + +Falls $\vartheta=\exp f$ ist, ist $Q(\vartheta)'$ ein Polynom vom +Grad $q$ und $P(\vartheta)'$ ist eine Polynom vom Grad $p$. +Der Grad von $P(\vartheta)Q(\vartheta)'$ ist $<2q$, daher +werden nach +Satz~\ref{buch:integrale:satz:partialbruch-reduktion} +keine Nenner mit kleinerem Exponenten als $r$ auftreten. +Es ist noch zu prüfen, ob $Q(\vartheta)$ den Nenner des zweiten Termes +von~\eqref{buch:integrale:eqn:partialbruch-ableitung} teilt. +Nehmen wir $Q(\vartheta)\mid P(\vartheta)Q(\vartheta)'$ an, dann muss +$Q(\vartheta)\mid Q(\vartheta)'$ sein. +Für +\[ +Q(\vartheta) = \vartheta^q + q_{q-1}\vartheta^{q-1} + \dots +\] +ist die Ableitung +\[ +Q(\vartheta)' += +q\vartheta^q f' ++ +\dots +\] +und damit +\[ +\frac{Q(\vartheta)'}{Q(\vartheta)} += +qf'. +\] +Andererseits ist in der +Aussage~\label{buch:integrale:satz:log-polynom-ableitung-exp} +von +Satz~\ref{buch:integrale:satz:log-polynom-ableitung-grad} +angewendet auf das Polynom $Q(\vartheta)$ das Polynom $N(\vartheta)=0$, +und daher muss $Q(\vartheta)=\vartheta$ und $q=1$ sein. +Dies ist der einzige Ausnahmefall, in die Partialbruchzerlegung die Form +\eqref{buch:integrale:eqn:partialbruch-ableitung-fall0} +annimmt. +\end{proof} + +Der Satz besagt also, dass in fast allen Fällen die einzelnen Terme +der Partialbruchzerlegung der Ableitungen wieder von der gleichen +Form sind. \subsection{Der Satz von Liouville \label{buch:integrale:section:liouville}} +Die Funktion +\[ +f(z) = \frac{(z+1)^2}{(z-1)^3} \in \mathbb{C}(z) = \mathscr{D} +\] +kann mit Hilfe der Partialbruchzerlegung +\[ +f(z) += +\frac{1}{z-1} ++ +\frac{4}{(z-1)^2} ++ +\frac{4}{(z-1)^3} +\] +integriert werden. +Die Integranden $(z-1)^{-k}$ mit $k>1$ können mit der Potenzregel +integriert werden, aber für eine Stammfunktion $1/(z-1)$ muss +der Logarithmus $\log(z-1)$ hinzugefügt werden. +Die Stammfunktion +\[ +\int f(z)\,dz += +\int +\frac{1}{z-1} +\,dz ++ +\int +\frac{4}{(z-1)^2} +\,dz ++ +\int +\frac{4}{(z-1)^3} +\,dz += +\log(z-1) +- +\underbrace{\frac{4z-2}{(z-1)^2}}_{\displaystyle\in\mathscr{D}} +\in \mathscr{D}(\log(z-1)) = \mathscr{F} +\] +hat eine sehr spezielle Form. +Sie besteht aus einem Term in $\mathscr{D}$ und einem Logarithmus +einer Funktion von $\mathscr{D}$, also einem Monom über $\mathscr{D}$. + +\subsubsection{Einfach elementare Stammfunktionen} +Der in diesem Abschnitt zu beweisende Satz von Liouville zeigt, +dass die im einführenden Beispiel konstruierte Form der Stammfunktion +eine allgemeine Eigenschaft elementar integrierbarer +Funktionen ist. +Zunächst aber soll dieses Bespiel etwas verallgemeinert werden. + +\begin{satz}[Liouville-Vorstufe] +\label{buch:integrale:satz:liouville-vorstufe-1} +Sei $\vartheta$ ein Monom über $\mathscr{D}$ und $g\in\mathscr{D}(\vartheta)$ +mit $g'\in\mathscr{D}$. +Dann hat $g$ die Form $v_0 + c_1\vartheta$ mit $v_0\in\mathscr{D}$ und +$c_1\in\mathbb{C}$. +\end{satz} + +\begin{proof}[Beweis] +In Anlehnung an das einführende Beispiel nehmen wir an, dass die +Stammfunktion $g\in\mathscr{D}[\vartheta]$ für ein Monom $\vartheta$ +über $\mathscr{D}$ ist. +Dann hat $g$ die Partialbruchzerlegung +\[ +g += +H(\vartheta) ++ +\sum_{j\le r(i)} \frac{P_{ij}(\vartheta)}{Q_i(\vartheta)^j} +\] +mit irreduziblen normierten Polynomen $Q_i(\vartheta)$ und +Polynomen $P_{ij}(\vartheta)$ vom Grad kleiner als $\deg Q_i(\vartheta)$. +Ausserdem ist $H(\vartheta)$ ein Polynom. +Die Ableitung von $g$ muss jetzt aber wieder in $\mathscr{D}$ sein. +Zu ihrer Berechnung können die Sätze +\ref{buch:integrale:satz:polynom-ableitung-grad}, +\ref{buch:integrale:satz:log-polynom-ableitung-grad} +und +\ref{buch:integrale:satz:partialbruch-monom} +verwendet werden. +Diese besagen, dass in der Partialbruchzerlegung die Exponenten der +Nenner die Quotienten in der Summe nicht kleiner werden. +Die Ableitung $g'\in\mathscr{D}$ darf aber gar keine Nenner mit +$\vartheta$ enthalten, also dürfen die Quotienten gar nicht erst +vorkommen. +$g=H(\vartheta)$ muss also ein Polynom in $\vartheta$ sein. +Die Ableitung des Polynoms darf wegen $g'\in\mathscr{d}$ das Monom +$\vartheta$ ebenfalls nicht mehr enthalten, daher kann es höchstens vom +Grad $1$ sein. +Nach Satz~\ref{buch:integrale:satz:log-polynom-ableitung-grad} +muss ausserdem der Leitkoeffizient von $g$ eine Konstante sein, +das Polynom hat also genau die behauptete Form. +\end{proof} + +\begin{satz}[Liouville-Vorstufe] +\label{buch:integrale:satz:liouville-vorstufe-2} +Sei $\vartheta$ algebraische über $\mathscr{D}$ und +$g\in\mathscr{D}(\vartheta)$ mit $g'\in\mathscr{D}$. +\end{satz} + +\subsubsection{Elementare Stammfunktionen} +Nach den Vorbereitungen über einfach elementare Stammfunktionen +in den Sätzen~\label{buch:integrale:satz:liouville-vorstufe-1} +und +\label{buch:integrale:satz:liouville-vorstufe-2} sind wir jetzt +in der Lage, den allgemeinen Satz von Liouville zu formulieren +und zu beweisen. + +\begin{satz}[Liouville] +Sei $\mathscr{D}$ ein Differentialkörper, $\mathscr{F}$ einfach über +$\mathscr{D}$ mit gleichem Konstantenkörper $\mathbb{C}$. +Wenn $g\in \mathscr{F}$ eine Stammfunktion von $f\in\mathscr{D}$ ist, +also $g'=f$, dann gibt es Zahlen $c_i\in\mathbb{C}$ und +$v_0,v_i\in\mathscr{D}$ derart, dass +\begin{equation} +g = v_0 + \sum_{i=1}^k c_i \log v_i +\qquad\Rightarrow\qquad +g' = v_0' + \sum_{i=1}^k c_i \frac{v_i'}{v_i} = f +\label{buch:integrale:satz:liouville-fform} +\end{equation} +gilt. +\end{satz} + +Der Satz hat zur Folge, dass eine elementare Stammfunktion für $f$ +nur dann existieren kann, wenn sich $f$ in der speziellen Form +\eqref{buch:integrale:satz:liouville-fform} +schreiben lässt. +Die Aufgabe~\ref{buch:integrale:aufgabe:existenz-stammfunktion-dalg} +lässt sich damit jetzt lösen. + + +\begin{proof}[Beweis] +Wenn die Stammfunktion $g\in\mathscr{D}$ ist, dann hat $g$ die Form +\eqref{buch:integrale:satz:liouville-fform} mit $v_0=g$, die Summe +wird nicht benötigt. + +\end{proof} \subsection{Die Fehlerfunktion ist keine elementare Funktion \label{buch:integrale:section:fehlernichtelementar}} |