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diff --git a/buch/chapters/060-integral/Makefile.inc b/buch/chapters/060-integral/Makefile.inc index 73bc804..e19cb0c 100644 --- a/buch/chapters/060-integral/Makefile.inc +++ b/buch/chapters/060-integral/Makefile.inc @@ -11,5 +11,6 @@ CHAPTERFILES = $(CHAPTERFILES) \ chapters/060-integral/risch.tex \ chapters/060-integral/orthogonal.tex \ chapters/060-integral/legendredgl.tex \ + chapters/060-integral/sturm.tex \ chapters/060-integral/gaussquadratur.tex \ chapters/060-integral/chapter.tex diff --git a/buch/chapters/060-integral/chapter.tex b/buch/chapters/060-integral/chapter.tex index 142abd8..276e4f3 100644 --- a/buch/chapters/060-integral/chapter.tex +++ b/buch/chapters/060-integral/chapter.tex @@ -19,7 +19,7 @@ unmöglich. Der Ausweg aus dieser unangenehmen Situation ist, solche Integrale als neue spezielle Funktionen zu definieren. Eines der berühmtesten Beispiele für diesen Weg aus der Krise ist die -Fehlerfunktion, die im Abschnitt~\ref{buch:integral:section:fehlerfunktion} +Fehlerfunktion, die im Abschnitt~\ref{buch:integrale:section:fehlerfunktion} besprochen wird. Auch geometrische Anwendungen führen auf solche Integrale. Die Länge eines Ellipsenbogens kann mit Hilfe eines Integrals @@ -29,7 +29,7 @@ Kreis möglich ist. Dieses Problem führt auf eine ganze Familie von Integranden, die nicht in geschlossener Form integriert werden können, nämlich die elliptischen Funktionen. -Sie werden in Kapitel~\ref{buch:chapter:elliptisch} besprochen. +Sie werden in Kapitel~\ref{buch:chapter:elliptischefunktionen} erklärt. Doch wie entscheidet man, ob ein Integral tatsächlich nicht in geschlossener Form dargestellt werden kann oder ob die Versuche einfach an mangelnden diff --git a/buch/chapters/060-integral/fehlerfunktion.tex b/buch/chapters/060-integral/fehlerfunktion.tex index 15a0215..581e56a 100644 --- a/buch/chapters/060-integral/fehlerfunktion.tex +++ b/buch/chapters/060-integral/fehlerfunktion.tex @@ -31,7 +31,7 @@ e^{-\frac{(t-\mu)^2}{2\sigma^2}} \end{equation} gegeben. Die Erfahrung zeigt, dass es nicht möglich ist, das -Integral~\eqref{buch:integral:eqn:normalverteilung} +Integral~\eqref{buch:integrale:eqn:normalverteilung} in geschlossener Form auszuwerten. Die Funktion $F_X(x)$ ist offenbar eine in Anwendungen nützliche und häufig gebrauchte Funktion, die es verdient, in eine Standardbibliothek diff --git a/buch/chapters/060-integral/jacobi.tex b/buch/chapters/060-integral/jacobi.tex new file mode 100644 index 0000000..c0e80ec --- /dev/null +++ b/buch/chapters/060-integral/jacobi.tex @@ -0,0 +1,8 @@ +% +% jacobi.tex +% +% (c) 2022 Prof Dr Andreas Müller, OST Ostsdchweizer Fachhochschule +% +\subsection{Jacobi-Polynome +\label{buch:integrale:subsection:jacobi-polynome}} + diff --git a/buch/chapters/060-integral/legendredgl.tex b/buch/chapters/060-integral/legendredgl.tex index c303c7e..6c8a1df 100644 --- a/buch/chapters/060-integral/legendredgl.tex +++ b/buch/chapters/060-integral/legendredgl.tex @@ -208,7 +208,7 @@ Im vorliegenden Zusammenhang möchten wir die Eigenschaft nutzen, dass Eigenfunktionen eines selbstadjungierten Operatores zu verschiedenen Eigenwerten orthogonal sind. Dazu seien $Df = \lambda f$ und $Dg=\mu g$ und wir rechnen -\begin{equation*} +\begin{equation} \renewcommand{\arraycolsep}{2pt} \begin{array}{rcccrl} \langle Df,g\rangle &=& \langle \lambda f,g\rangle &=& \lambda\phantom{)}\langle f,g\rangle @@ -218,7 +218,8 @@ Dazu seien $Df = \lambda f$ und $Dg=\mu g$ und wir rechnen \hline 0 & & &=& (\lambda-\mu)\langle f,g\rangle& \end{array} -\end{equation*} +\label{buch:integrale:eqn:eigenwertesenkrecht} +\end{equation} Da $\lambda-\mu\ne 0$ ist, muss $\langle f,g\rangle=0$ sein. Der Operator $D$ ist selbstadjungiert, d.~h. @@ -365,22 +366,3 @@ Q_1(x) = x \operatorname{artanh}x-1 \] verwendet werden. -\subsubsection{Selbstadjungierte Form einer Differentialgleichung zweiter Ordnung} -Partielle Integration wurde verwendet, um zu zeigen, dass die zu -einigen bekannten Differentialgleichungen gehörigen Differentialoperatoren -als selbstadjungierte Operatoren in einem Funktionenraum mit einem -geeigneten Skalarprodukt sind. - -TODO: -\url{https://mathworld.wolfram.com/Self-Adjoint.html} - -\begin{beispiel} -TODO - -Auch die hypergeometrische Differentialgleichung kann in selbstadjungierte -Form gebracht werden. -\url{https://encyclopediaofmath.org/wiki/Hypergeometric_equation} -\end{beispiel} - - - diff --git a/buch/chapters/060-integral/orthogonal.tex b/buch/chapters/060-integral/orthogonal.tex index e1e41b5..0c1cf56 100644 --- a/buch/chapters/060-integral/orthogonal.tex +++ b/buch/chapters/060-integral/orthogonal.tex @@ -723,6 +723,8 @@ Abbildung~\ref{buch:integral:orthogonal:legendreortho} illustriert, dass die die beiden Polynome $P_4(x)$ und $P_7(x)$ orthogonal sind. Das Produkt $P_4(x)\cdot P_7(x)$ hat Integral $=0$. +\input{chapters/060-integral/jacobi.tex} + \subsection{TODO} \begin{itemize} \item Jacobi-Polynome @@ -739,6 +741,6 @@ Das Produkt $P_4(x)\cdot P_7(x)$ hat Integral $=0$. %Siehe Wikipedia-Artikel \url{https://de.wikipedia.org/wiki/Legendre-Polynom} \input{chapters/060-integral/legendredgl.tex} - +\input{chapters/060-integral/sturm.tex} \input{chapters/060-integral/gaussquadratur.tex} diff --git a/buch/chapters/060-integral/sturm.tex b/buch/chapters/060-integral/sturm.tex new file mode 100644 index 0000000..e374bae --- /dev/null +++ b/buch/chapters/060-integral/sturm.tex @@ -0,0 +1,479 @@ +% +% sturm.tex +% +% (c) 2022 Prof Dr Andreas Müller, OST Ostschweizer Fachhochschule +% +\subsection{Sturm-Liouville-Problem +\label{buch:integrale:subsection:sturm-liouville-problem}} +Sowohl bei den Bessel-Funktionen wie bei den Legendre-Polynomen +konnte die Orthogonalität der Funktionen dadurch gezeigt werden, +dass sie als Eigenfunktionen eines bezüglich eines geeigneten +Skalarproduktes selbstadjungierten Operators erkannt wurden. + +\subsubsection{Differentialgleichung} +Das klassische Sturm-Liouville-Problem ist das folgende Eigenwertproblem. +Gesucht sind Lösungen der Differentialgleichung +\begin{equation} +((p(x)y'(x))' + q(x)y(x) = \lambda w(x) y(x) +\label{buch:integrale:eqn:sturm-liouville} +\end{equation} +auf dem Intervall $(a,b)$, die zusätzlich die Randbedingungen +\begin{equation} +\begin{aligned} +k_a y(a) + h_a p(a) y'(a) &= 0 \\ +k_b y(b) + h_b p(b) y'(b) &= 0 +\end{aligned} +\label{buch:integrale:sturm:randbedingung} +\end{equation} +erfüllen, wobei $|k_i|^2 + |h_i|^2\ne 0$ mit $i=a,b$. +Weitere Bedingungen an die Funktionen $p(x)$, $q(x)$, $w(x)$ sowie die +Lösungsfunktionen $y(x)$ sollen später geklärt werden. + +\subsubsection{Das verallgemeinerte Eigenwertproblem für symmetrische Matrizen} +Ein zu \eqref{buch:integrale:eqn:sturm-liouville} analoges Eigenwertproblem +für Matrizen ist das folgende verallgemeinerte Eigenwertproblem. +Das gewohnte Eigenwertproblem verwendet die Matrix $B=E$. + +\begin{definition} +Seien $A$ und $B$ $n\times n$-Matrizen. +$v$ heisst verallgemeinerter Eigenvektor zum Eigenwert $\lambda$, +wenn +\[ +Av = \lambda Bv. +\] +\end{definition} + +Für symmetrische Matrizen lässt sich dieses Problem auf ein +Optimierungsproblem reduzieren. + +\begin{satz} +Seien $A$ und $B$ symmetrische $n\times n$-Matrizen und sei ausserdem +$B$ positiv definit. +Ist $v$ ein Vektor, der die Grösse +\[ +f(v)=\frac{v^tAv}{v^tBv} +\] +maximiert, ist ein verallgemeinerter Eigenvektor für die Matrizen $A$ +und $B$. +\end{satz} + +\begin{proof}[Beweis] +Sei $\lambda = f(v)$ der maximale Wert und $u\ne 0$ ein beliebiger Vektor. +Da $v$ die Grösse $f(v)$ maximiert, muss die Ableitung +von $f(u+tv)$ für $t=0$ verschwinden. +Um diese Ableitung zu berechnen, bestimmen wir zunächst die Ableitung +von $(v+tu)^tM(v+tu)$ an der Stelle $t=0$ für eine beliebige +symmetrische Matrix: +\begin{align*} +\frac{d}{dt} +(v+tu)^tM(v+tu) +&= +\frac{d}{dt}\bigl( +v^tv + t(v^tMu+u^tMv) + t^2 u^tMu +\bigr) += +v^tMu+u^tMv + 2tv^tMv +\\ +\frac{d}{dt} +(v^t+tu^t)M(v+tu) +\bigg|_{t=0} +&= +v^tMu+u^tMv += +2v^tMu +\end{align*} +Dies wenden wir jetzt auf den Quotenten $\lambda(v+tu)$ an. +\begin{align*} +\frac{d}{dt}f(v+tu)\bigg|_{t=0} +&= +\frac{d}{dt} +\frac{(v+tu)^tA(v+tu)}{(v+tu)^tB(v+tu)}\bigg|_{t=0} +\\ +&= +\frac{2u^tAv(v^tBv) - 2u^tBv(v^tAv)}{(v^tBv)^2} += +\frac{2}{v^tBv} +u^t +\biggl( +Av - \frac{v^tAv}{v^tBv} Bv +\biggr) +\\ +&= +2 +\frac{ +u^t( +Av - \lambda Bv +) +}{v^tBv} +\end{align*} +Da $v$ ein Maximum von $\lambda(v)$ ist, verschwindet diese Ableitung +für alle Vektoren $u$, somit gilt +\[ +u^t(Av-\lambda Bv)=0 +\] +für alle $u$, also auch $Av=\lambda Bv$. +Dies beweist, dass $v$ ein verallgemeinerter Eigenvektor zum +Eigenwert $\lambda$ ist. +\end{proof} + +\begin{satz} +Verallgemeinerte Eigenvektoren $u$ und $v$ von $A$ und $B$ +zu verschiedenen Eigenwerten erfüllen $u^tBv=0$. +\end{satz} + +\begin{proof} +Seien $\lambda$ und $\mu$ die Eigenwerte, also $Au=\lambda Bu$ +und $Av=\mu Bv$. +Wie in \eqref{buch:integrale:eqn:eigenwertesenkrecht} +berechnen wir das Skalarprodukt auf zwei Arten +\[ +\renewcommand{\arraycolsep}{2pt} +\begin{array}{rcccrl} + u^tAv &=&u^t\lambda Bv &=& \lambda\phantom{\mathstrut-\mu)} u^tBv + &\multirow{2}{*}{\hspace{3pt}$\bigg\}\mathstrut-\mathstrut$}\\ +=v^tAu &=&v^t\mu Bu &=& \mu\phantom{)}u^tBv &\\ +\hline + 0 & & &=& (\lambda - \mu)u^tBv. & +\end{array} +\] +Da die Eigenwerte verschieden sind, ist $\lambda-\mu\ne 0$, es folgt, +dass $u^tBv=0$ sein muss. +\end{proof} + +Verallgemeinerte Eigenwerte und Eigenvektoren verhalten sich also +ganz analog zu den gewöhnlichen Eigenwerten und Eigenvektoren. +Da $B$ positiv definit ist, ist $B$ auch invertierbar. +Zudem kann $B$ zur Definition des verallgemeinerten Skalarproduktes +\[ +\langle u,v\rangle_B = u^tBv +\] +verwendet werden. +Die Matrix +\[ +\tilde{A} = B^{-1}A +\] +ist bezüglich dieses Skalarproduktes selbstadjungiert, denn es gilt +\[ +\langle\tilde{A}u,v\rangle_B += +(B^{-1}Au)^t Bv += +u^tA^t(B^{-1})^tBv += +u^tAv += +u^tBB^{-1}Av += +\langle u,\tilde{A}v\rangle. +\] +Das verallgemeinerte Eigenwertproblem für symmetrische Matrizen +ist damit ein gewöhnliches Eigenwertproblem für selbstadjungierte +Matrizen des Operators $\tilde{A}$ bezüglich des verallgemeinerten +Skalarproduktes $\langle\,\;,\;\rangle_B$. + +\subsubsection{Der Operator $L_0$ und die Randbedingung} +Die Differentialgleichung kann auch in Operatorform geschrieben werden. +Dazu schreiben wir +\[ +L_0 += +-\frac{d}{dx}p(x)\frac{d}{dx}. +\] +Bezüglich des gewöhnlichen Skalarproduktes +\[ +\langle f,g\rangle += +\int_a^b f(x)g(x)\,dx +\] +für Funktionen auf dem Intervall $[a,b]$ ist der Operator $L_0$ +tatsächlich selbstadjungiert. +Mit partieller Integration rechnet man nach: +\begin{align} +\langle f,L_0g\rangle +&= +\int_a^b f(x) \biggl(-\frac{d}{dx}p(x)\frac{d}{dx}\biggr)g(x)\,dx +\notag +\\ +&= +-\int_a^b f(x) \frac{d}{dx}\bigl( p(x) g'(x) \bigr)\,dx +\notag +\\ +&= +-\biggl[f(x) p(x)g'(x)\biggr]_a^b ++ +\int_a^b f'(x) p(x) g'(x) \,dx +\notag +\\ +\langle L_0f,g\rangle +&= +-\biggl[f'(x)p(x)g(x)\biggr]_a^b ++ +\int_a^b f'(x) p(x) g'(x) \,dx. +\notag +\intertext{Die beiden Skalarprodukte führen also auf das gleiche +Integral, sie unterscheiden sich nur um die Randterme} +\langle f,L_0g\rangle +- +\langle L_0f,g\rangle +&= +-f(b)p(b)g'(b) + f(a)p(a)g'(a) ++f'(b)p(b)g(b) - f'(a)p(a)g(a) +\label{buch:integrale:sturm:sabedingung} +\\ +&= +- +p(b) +\left|\begin{matrix} +f(b) &g(b)\\ +f'(b)&g'(b) +\end{matrix}\right| ++ +p(a) +\left|\begin{matrix} +f(a) &g(a)\\ +f'(a)&g'(a) +\end{matrix}\right| +\notag +\\ +&= +- +\left|\begin{matrix} +f(b) &g(b)\\ +p(b)f'(b)&p(b)g'(b) +\end{matrix}\right| ++ +\left|\begin{matrix} +f(a) &g(a)\\ +p(a)f'(a)&p(a)g'(a) +\end{matrix}\right|. +\notag +\end{align} +Um zu erreichen, dass der Operator selbstadjunigert wird, muss +sichergestellt werden, dass entweder $p$ oder die Determinanten +an den Intervallenden verschwinden. +Dies passiert genau dann, wenn die Vektoren +\[ +\begin{pmatrix} +f(a)\\ +p(a)f'(a) +\end{pmatrix} +\text{\;und\;} +\begin{pmatrix} +g(a)\\ +p(a)g'(a) +\end{pmatrix} +\] +linear abhängig sind. +In zwei Dimensionen bedeutet lineare Abhängigkeit, dass es +eine nichttriviale Linearform mit Koeffizienten $h_a, k_a$ gibt, +die auf beiden Vektoren verschwindet. +Ausgeschrieben bedeutet dies, dass die Randbedingung +\eqref{buch:integrale:sturm:randbedingung} +erfüllt sein muss. + +\subsubsection{Skalarprodukt} +Das Ziel der folgenden Abschnitte ist, das Sturm-Liouville-Problem als +Eigenwertproblem für einen selbstadjungierten Operator in einem +Funktionenraum mit einem geeigneten Skalarprodukt zu finden. + +Wir haben bereits gezeigt, dass die Randbedingung +\eqref{buch:integrale:sturm:randbedingung} sicherstellt, dass der +Operator $L_0$ für das Standardskalarprodukt selbstadjungiert ist. +Dies entspricht der Symmetrie der Matrix $A$. + +Die Komponente $q(x)$ stellt keine besonderen Probleme, denn +\[ +\langle f,qg\rangle += +\int_a^b f(x)q(x)g(x)\,dx += +\langle qf,g\rangle. +\] +Der Operator $f(x) \mapsto q(x)f(x)$, der eine Funktion mit +der Funktion $q(x)$ multipliziert, ist also ebenfalls symmetrisch. +Dasselbe gilt für einen Operator, der mit $w(x)$ multipliziert. +Da $w(x)$ eine positive Funktion ist, ist der Operator $f(x)\mapsto w(x)f(x)$ +sogar positiv definit. +Dies entspricht der Matrix $B$. +Nach den Erkenntnissen des vorangegangenen Abschnittes ist das +verallgemeinerte Eigenwertproblem daher ein Eigenwertproblem +für einen modifizierten Operator bezüglich eines alternativen +Skalarproduktes. + +Als Skalarprodukt muss also das Integral +\[ +\langle f,g\rangle_w += +\int_a^b f(x)g(x)w(x)\,dx +\] +mit der Gewichtsfunktion $w(x)$ verwendet werden. +Damit dies ein vernünftiges Skalarprodukt ist, muss $w(x)>0$ im +Innerend es Intervalls sein. + +\subsubsection{Der Vektorraum $H$} +Damit können wir jetzt die Eigenschaften der in Frage kommenden +Funktionen zusammenstellen. +Zunächst müssen sie auf dem Intervall $[a,b]$ definiert sein und +das Integral +\[ +\int_a^b |f(x)|^2 w(x)\,dx < \infty +\] +muss existieren. +Wir bezeichnen den Vektorraum der Funktionen, deren Quadrat mit +der Gewichtsfunktion $w(x)$ integrierbar sind, mit +$L^2([a,b],w)$. + +Damit auch $\langle qf,f\rangle_w$ und $\langle L_0f,0f\rangle_w$ +wohldefiniert sind, müssen zusätzlich die Integrale +\[ +\int_a^b |f(x)|^2 q(x) w(x)\,dx +\qquad\text{und}\qquad +\int_a^b |f'(x)|^2 p(x) w(x)\,dx +\] +existieren. +Wir setzen daher +\[ +H += +\biggl\{ +f\in L^2([a,b],w)\;\bigg|\; +\int_a^b |f'(x)|^2p(x)w(x)\,dx<\infty, +\int_a^b |f(x)|^2q(x)w(x)\,dx<\infty +\biggr\}. +\] + +\subsubsection{Differentialoperator} +Das verallgemeinerte Eigenwertproblem für $A$ und $B$ ist ein +gewöhnliches Eigenwertproblem für die Operator $\tilde{A}=B^{-1}A$ +bezüglich des modifizierten Skalarproduktes. +Das Sturm-Liouville-Problem ist also ein Eigenwertproblem im +Vektorraum $H$ mit dem Skalarprodukt $\langle\,\;,\;\rangle_w$. +Der Operator +\[ +L = \frac{1}{w(x)} \biggl(-\frac{d}{dx} p(x)\frac{d}{dx} + q(x)\biggr) +\] +heisst der {\em Sturm-Liouville-Operator}. +Eine Lösung des Sturm-Liouville-Problems ist eine Funktion $y(x)$ derart, +dass +\[ +Ly = \lambda y, +\] +$\lambda$ ist der zu $y(x)$ gehörige Eigenwert. +Der Operator ist definiert auf Funktionen des im vorangegangenen Abschnitt +definierten Vektorraumes $H$. + + + +\subsubsection{Beispiel: Trigonometrische Funktionen} +Die trigonometrischen Funktionen sind Eigenfunktionen des Operators +$d^2/dx^2$, also eines Sturm-Liouville-Operators mit $p(x)=1$, $q(x)=0$ +und $w(x)=0$. +Auf dem Intervall $(-\pi,\pi)$ können wir die Randbedingungen +\bgroup +\renewcommand{\arraycolsep}{2pt} +\[ +\begin{aligned} +& +\begin{array}{lclclcl} +k_{-\pi} &=&1,&\qquad&h_{-\pi} &=&0\\ +k_{\phantom{-}\pi}&=&1,&\qquad&h_{\phantom{-}\pi}&=&0 +\end{array} +\;\bigg\} +&&\Rightarrow& +\begin{array}{lcl} +y(-\pi) &=&0\\ +y(\phantom{-}\pi)&=&0\\ +\end{array} +\;\bigg\} +&\quad\Rightarrow& +y(x) &= B\sin nx +\\ +& +\begin{array}{lclclcl} +k_{-\pi} &=&0,&\qquad&h_{-\pi} &=&1\\ +k_{\phantom{-}\pi}&=&0,&\qquad&h_{\phantom{-}\pi}&=&1 +\end{array} +\;\bigg\} +&&\Rightarrow& +\begin{array}{lcl} +y'(-\pi) &=&0\\ +y'(\phantom{-}\pi)&=&0\\ +\end{array} +\; \bigg\} +&\quad\Rightarrow& +y(x) &= A\cos nx +\end{aligned} +\] +\egroup +verwenden. +Die Orthogonalität der Sinus- und Kosinus-Funktionen folgt jetzt +ganz ohne weitere Rechnung. + +An dieser Lösung ist nicht ganz befriedigend, dass die trigonometrischen +Funktionen nicht mit einer einzigen Randbedingung gefunden werden können. +Der Ausweg ist, periodische Randbedingungen zu verlangen, also +$y(-\pi)=y(\pi)$ und $y'(-\pi)=y'(\pi)$. +Dann ist wegen +\begin{align*} +\langle f,L_0g\rangle - \langle L_0f,g\rangle +&= +-f(\pi)g'(\pi)+f(-\pi)g'(-\pi)+f'(\pi)g(\pi)-f'(-\pi)g(-\pi) +\\ +&= +-f(\pi)g'(\pi)+f(\pi)g'(\pi)+f'(\pi)g(\pi)-f'(\pi)g(\pi) +=0 +\end{align*} +die Bedingung~\eqref{buch:integrale:sturm:sabedingung} +ebenfalls erfüllt, $L_0$ ist in diesem Raum selbstadjungiert. + +\subsubsection{Beispiel: Bessel-Funktionen} +Der Bessel-Operator \eqref{buch:differentialgleichungen:bessel-operator} +hat die Form eines Sturm-Liouville-Operators +\[ +x^2\frac{d^2}{dx^2} + x\frac{d}{dx} + x^2 += +\frac{d}{dx} x^2 \frac{d}{dx} + x^2 +\] +mit $p(x)=x^2$, $q(x)=x^2$. + +XXX TODO: Faktor 2 fehlt. + +\subsubsection{Beispiel: Tschebyscheff-Polynome} +Die Tschebyscheff-Polynome sind Lösungen der +Tschebyscheff-Differentialgleichung +\[ +(1-x^2)y'' -xy' = n^2y +\] +auf dem Intervall $(-1,1)$. +Auch dieses Problem kann als Sturm-Liouville-Problem formuliert +werden mit +\begin{align*} +w(x) &= \frac{1}{\sqrt{1-x^2}} \\ +p(x) &= \sqrt{1-x^2} \\ +q(x) &= 0 +\end{align*} +Das zugehörige Sturm-Liouville-Eigenwertproblem ist +\[ +\frac{d}{dx}\sqrt{1-x^2}\frac{d}{dx} y(x) += +\lambda \frac{1}{\sqrt{1-x^2}} y(x). +\] +Führt man die Ableitungen auf der linken Seite aus, entsteht die +Gleichung +\begin{align*} +\sqrt{1-x^2} y''(x) -\frac{x}{\sqrt{1-x^2}}y'(x) +&= \lambda \frac{1}{\sqrt{1-x^2}} y(x) +\intertext{Multiplikation mit $\sqrt{1-x^2}$ ergibt} +(1-x^2) +y''(x) +- +xy'(x) +&= +\lambda y(x). +\end{align*} +Es folgt, dass die Tschebyscheff-Polynome orthogonal sind +bezüglich des Skalarproduktes +\[ +\langle f,g\rangle = \int_{-1}^1 f(x)g(x)\frac{dx}{\sqrt{1-x^2}}. +\] + |