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diff --git a/buch/papers/sturmliouville/waermeleitung_beispiel.tex b/buch/papers/sturmliouville/waermeleitung_beispiel.tex new file mode 100644 index 0000000..93a1eb0 --- /dev/null +++ b/buch/papers/sturmliouville/waermeleitung_beispiel.tex @@ -0,0 +1,773 @@ +% +% waermeleitung_beispiel.tex -- Beispiel Wärmeleitung in homogenem Stab. +% Author: Erik Löffler +% +% (c) 2020 Prof Dr Andreas Müller, Hochschule Rapperswil +% + +\section{Beispiel: Wärmeleitung in homogenem Stab} + +In diesem Abschnitt wird das Problem der Wärmeleitung in einem homogenen Stab +betrachtet, angeschaut wie das Sturm-Liouville-Problem bei der Beschreibung +dieses physikalischen Phänomens auftritt und hergeleitet wie die Fourierreihe +als Lösung des Problems zustande kommt. + +Zunächst wird ein eindimensionaler homogener Stab der Länge $l$ und +Wärmeleitkoeffizient $\kappa$ betrachtet, dessen initiale Wärmeverteilung durch +$u(t=0, x)$ gegeben ist. +Es ergibt sich für das Wärmeleitungsproblem die partielle Differentialgleichung +\begin{equation} + \label{sturmliouville:eq:example-fourier-heat-equation} + \frac{\partial u(t, x)}{\partial t} = + \kappa \frac{\partial^{2}u(t, x)}{{\partial x}^{2}}, +\end{equation} +wobei der Stab in diesem Fall auf der $x$-Achse im Intervall $[0,l]$ liegt. + +Damit die Sturm-Liouville-Theorie auf das +Problem~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-heat-equation} angewendet +werden kann, werden noch Randbedingungen benötigt, welche in Kürze +vorgestellt werden. +Aus physikalischer Sicht geben diese Randbedingungen vor, ob die Enden des +Stabes thermisch isoliert sind oder ob sie auf konstanter Temperatur gehalten +werden. + +% +% Randbedingungen für Stab mit konstanten Endtemperaturen +% +\subsection{Randbedingungen} +\subsubsection{Randbedingungen für Stab mit Enden auf konstanter Temperatur} + +Die Enden des Stabes auf konstanter Temperatur zu halten bedeutet, dass die +Lösungsfunktion $u(t,x)$ bei $x = 0$ und $x = l$ nur die vorgegebene +Temperatur zurückgeben darf. Diese wird einfachheitshalber als $0$ angenomen. +Es folgt nun +\begin{equation} + \label{sturmliouville:eq:example-fourier-boundary-condition-ends-constant} + u(t,0) + = + u(t,l) + = + 0 +\end{equation} +als Randbedingungen. + +% +% Randbedingungen für Stab mit isolierten Enden +% + +\subsubsection{Randbedingungen für Stab mit isolierten Enden} + +Bei isolierten Enden des Stabes können grundsätzlich beliebige Temperaturen für +$x = 0$ und $x = l$ auftreten. +Die einzige Einschränkung liefert die initiale Wärmeverteilung $u(0, x)$. +Im Fall des isolierten Stabes ist es nicht erlaubt, dass Wärme vom Stab +an die Umgebung oder von der Umgebung an den Stab abgegeben wird. + +Aus der Physik ist bekannt, dass Wärme immer von der höheren zur tieferen +Temperatur fliesst. Um Wärmefluss zu unterdrücken, muss also dafür gesorgt +werden, dass am Rand des Stabes keine Temperaturdifferenz existiert oder +dass die partiellen Ableitungen von $u(t,x)$ nach $x$ bei $x = 0$ und $x = l$ +verschwinden. +Somit folgen +\begin{equation} + \label{sturmliouville:eq:example-fourier-boundary-condition-ends-isolated} + \frac{\partial}{\partial x} u(t, 0) + = + \frac{\partial}{\partial x} u(t, l) + = + 0 +\end{equation} +als Randbedingungen. + +% +% Lösung der Differenzialgleichung mittels Separation +% + +\subsection{Separation der Differenzialgleichung +\label{sturmliouville:subsec:separation}} + +Da die Lösungsfunktion $u$ von zwei Variablen abhängig ist, wird die +Gleichung~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-heat-equation} zunächst +mittels Separation in zwei gewöhnliche Differentialgleichungen überführt. +Dazu wird +\[ + u(t,x) + = + T(t)X(x) +\] +in die partielle +Differenzialgleichung~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-heat-equation} +eingesetzt. +Daraus ergibt sich +\[ + T^{\prime}(t)X(x) + = + \kappa T(t)X^{\prime \prime}(x) +\] +als neue Form. + +Nun können alle von $t$ abhängigen Ausdrücke auf die linke Seite, sowie alle +von $x$ abhängigen Ausdrücke auf die rechte Seite gebracht werden und mittels +der neuen Variablen $\mu$ gekoppelt werden: +\[ + \frac{T^{\prime}(t)}{\kappa T(t)} + = + \frac{X^{\prime \prime}(x)}{X(x)} + = + \mu. +\] +Durch die Einführung von $\mu$ kann das Problem nun in zwei separate +Differenzialgleichungen aufgeteilt werden: +\begin{equation} + \label{sturmliouville:eq:example-fourier-separated-x} + X^{\prime \prime}(x) - \mu X(x) + = + 0 +\end{equation} +\begin{equation} + \label{sturmliouville:eq:example-fourier-separated-t} + T^{\prime}(t) - \kappa \mu T(t) + = + 0. +\end{equation} + +% +% Überprüfung SLP, dann Orthogonalität der Lösungen +% + +An dieser Stelle wird nun gezeigt, dass die Gleichung in $x$ ein +Sturm-Liouville-Problem ist. +Dazu werden zunächst die Koeffizientenfunktionen $p(x)$, $q(x)$ und $w(x)$ +benötigt. +Um diese zu erhalten, wird die +Gleichung~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-separated-x} mit der +Sturm-Liouville-Form~\eqref{sturmliouville:eq:sturm-liouville-equation} +verglichen, was zu +\[ +\begin{aligned} + p(x) &= 1 \\ + q(x) &= 0 \\ + w(x) &= 1 +\end{aligned} +\] +führt. + +Diese können bereits auf die Bedingungen in +Definition~\ref{sturmliouville:def:reguläres_sturm-liouville-problem} geprüft +werden. +Es ist schnell ersichtlich, dass die ersten drei Kriterien erfüllt sind. +Werden nun auch noch die Randbedingungen erfüllt, handelt es sich also um ein +reguläres Sturm-Liouville-Problem und es kann bereits die Aussage gemacht +werden, dass alle Lösungen für die Gleichung in $x$ orthogonal sein werden. + +Da die Bedingungen des Stab-Problems nur Anforderungen an $x$ stellen, können +diese direkt für $X(x)$ übernomen werden. +Es gilt also beispielsweise wegen +\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-boundary-condition-ends-constant}, +dass $X(0) = X(l) = 0$. + +Damit die Lösungen von $X$ orthogonal sind, müssen also die Gleichungen +\begin{equation} +\begin{aligned} + \label{sturmliouville:eq:example-fourier-randbedingungen} + k_a X(a) + h_a p(a) X'(a) &= 0 \\ + k_b X(b) + h_b p(b) X'(b) &= 0 +\end{aligned} +\end{equation} +erfüllt sein und es muss ausserdem +\begin{equation} +\begin{aligned} + \label{sturmliouville:eq:example-fourier-coefficient-constraints} + |k_a|^2 + |h_a|^2 &\neq 0\\ + |k_b|^2 + |h_b|^2 &\neq 0\\ +\end{aligned} +\end{equation} +gelten. + +Es werden nun $p(x)$ und die +Randbedingungen~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-boundary-condition-ends-constant} +des Stab-Problems in \eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-randbedingungen} +eigesetzt und man erhält +\[ +\begin{aligned} + k_a y(0) + h_a y'(0) &= h_a y'(0) = 0 \\ + k_b y(l) + h_b y'(l) &= h_b y'(l) = 0. +\end{aligned} +\] +Damit die Gleichungen erfüllt sind, müssen $h_a = 0$ und $h_b = 0$ sein. +Zusätzlich müssen aber die +Bedingungen~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-coefficient-constraints} +erfüllt sein und da $y(0) = 0$ und $y(l) = 0$ sind, können belibige $k_a \neq 0$ +und $k_b \neq 0$ gewählt werden. + +Somit ist gezeigt, dass die Randbedingungen des Stab-Problems für Enden auf +konstanter Temperatur auch die Sturm-Liouville-Randbedingungen erfüllen. + +Daraus folg zunächst, dass es sich um ein reguläres Sturm-Liouville-Problem +handelt und weiter, dass alle daraus resultierenden Lösungen orthogonal sind. +Analog dazu kann gezeit werden, dass die Randbedingungen für einen Stab mit +isolierten +Enden~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-boundary-condition-ends-isolated} +ebenfalls die Sturm-Liouville-Randbedingungen erfüllen und +somit auch zu orthogonalen Lösungen führen. + +% +% Lösung von X(x), Teil mu +% + +\subsection{Lösung der Differentialgleichung in \texorpdfstring{$x$}{x}} +Als erstes wird auf die +Gleichung~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-separated-x} eingegangen. +Aufgrund der Struktur der Gleichung +\[ + X^{\prime \prime}(x) - \mu X(x) + = + 0 +\] +wird ein trigonometrischer Ansatz gewählt. +Die Lösungen für $X(x)$ sind also von der Form +\[ + X(x) + = + A \cos \left( \alpha x\right) + B \sin \left( \beta x\right). +\] + +Dieser Ansatz wird nun solange differenziert, bis alle in +Gleichung~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-separated-x} enthaltenen +Ableitungen vorhanden sind. +Man erhält also +\[ + X^{\prime}(x) + = + - \alpha A \sin \left( \alpha x \right) + + \beta B \cos \left( \beta x \right) +\] +und +\[ + X^{\prime \prime}(x) + = + -\alpha^{2} A \cos \left( \alpha x \right) - + \beta^{2} B \sin \left( \beta x \right). +\] + +Eingesetzt in Gleichung~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-separated-x} +ergibt dies +\[ + -\alpha^{2}A\cos(\alpha x) - \beta^{2}B\sin(\beta x) - + \mu\left(A\cos(\alpha x) + B\sin(\beta x)\right) + = + 0 +\] +und durch Umformen somit +\[ + -\alpha^{2}A\cos(\alpha x) - \beta^{2}B\sin(\beta x) + = + \mu A\cos(\alpha x) + \mu B\sin(\beta x). +\] + +Mittels Koeffizientenvergleich auf beiden Seiten von +\[ +\begin{aligned} + -\alpha^{2}A\cos(\alpha x) + &= + \mu A\cos(\alpha x) + \\ + -\beta^{2}B\sin(\beta x) + &= + \mu B\sin(\beta x) +\end{aligned} +\] +ist schnell ersichtlich, dass $ \mu = -\alpha^{2} = -\beta^{2} $ gelten muss für +$ A \neq 0 $ oder $ B \neq 0 $. +Zur Berechnung von $ \mu $ bleiben also noch $ \alpha $ und $ \beta $ zu +bestimmen. +Dazu werden nochmals die +Randbedingungen~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-boundary-condition-ends-constant} +und \eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-boundary-condition-ends-isolated} +benötigt. + +Da die Koeffizienten $A$ und $B$, sowie die Parameter $\alpha$ und $\beta$ im +Allgemeinen ungleich $0$ sind, müssen die Randbedingungen durch die +trigonometrischen Funktionen erfüllt werden. + +\subsubsection{Einsetzen der +Randbedingungen~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-boundary-condition-ends-constant}} + +Es werden nun die +Randbedingungen~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-boundary-condition-ends-constant} +für einen Stab mit Enden auf konstanter Temperatur in die +Gleichung~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-separated-x} eingesetzt. + +Betrachten wir zunächst die Bedingung für $x = 0$. +Dies führt zu +\[ + X(0) + = + A \cos(0 \alpha) + B \sin(0 \beta) + = + 0. +\] +Da $\cos(0) \neq 0$ ist, muss in diesem Fall $A = 0$ gelten. +Für den zweiten Summanden ist wegen $\sin(0) = 0$ die Randbedingung erfüllt. + +Wird nun die zweite Randbedingung für $x = l$ mit $A = 0$ eingesetzt, ergibt +sich +\[ + X(l) + = + 0 \cos(\alpha l) + B \sin(\beta l) + = + B \sin(\beta l) + = 0. +\] +$\beta$ muss also so gewählt werden, dass $\sin(\beta l) = 0$ gilt. +Es bleibt noch nach $\beta$ aufzulösen: +\[ +\begin{aligned} + \sin(\beta l) &= 0 \\ + \beta l &= n \pi \qquad n \in \mathbb{N}_0 \\ + \beta &= \frac{n \pi}{l} \qquad n \in \mathbb{N}_0. +\end{aligned} +\] + +Es folgt nun wegen $\mu = -\beta^{2}$, dass +\[ + \mu_1 = -\beta^{2} = -\frac{n^{2}\pi^{2}}{l^{2}} +\] +sein muss. +Ausserdem ist zu bemerken, dass dies auch gleich $-\alpha^{2}$ ist. +Da aber $A = 0$ gilt und der Summand mit $\alpha$ verschwindet, ist dies keine +Verletzung der Randbedingungen. + +\subsubsection{Einsetzen der +Randbedingungen~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-boundary-condition-ends-isolated}} + +Durch analoges Vorgehen kann nun auch das Problem mit isolierten Enden gelöst +werden. +Setzt man die +Randbedingungen~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-boundary-condition-ends-isolated} +in $X^{\prime}$ ein, beginnend mit $x = 0$, ergibt sich +\[ + X^{\prime}(0) + = + -\alpha A \sin(0 \alpha) + \beta B \cos(0 \beta) + = 0. +\] +In diesem Fall muss $B = 0$ gelten. +Zusammen mit der Bedignung für $x = l$ +folgt nun +\[ + X^{\prime}(l) + = + - \alpha A \sin(\alpha l) + 0 \beta \cos(\beta l) + = + - \alpha A \sin(\alpha l) + = 0. +\] + +Wiederum muss über die $\sin$-Funktion sicher gestellt werden, dass der +Ausdruck den Randbedingungen entspricht. +Es folgt nun +\[ +\begin{aligned} + \sin(\alpha l) &= 0 \\ + \alpha l &= n \pi \qquad n \in \mathbb{N}_0 \\ + \alpha &= \frac{n \pi}{l} \qquad n \in \mathbb{N}_0 +\end{aligned} +\] +und somit +\[ + \mu_2 = -\alpha^{2} = -\frac{n^{2}\pi^{2}}{l^{2}}. +\] + +Es ergibt sich also sowohl für einen Stab mit Enden auf konstanter Temperatur +wie auch für den Stab mit isolierten Enden +\begin{equation} + \label{sturmliouville:eq:example-fourier-mu-solution} + \mu + = + -\frac{n^{2}\pi^{2}}{l^{2}}. +\end{equation} + +\subsection{Fourierreihe als Lösung} + +Das Resultat~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-mu-solution} gibt nun +wegen der neuen Variablen $n \in \mathbb{N}_0$ vor, dass es potenziell +unendlich viele Lösungen gibt. +Dies bedeutet auch, dass es nicht ein $A$ und ein $B$ gibt, sondern einen +Koeffizienten für jede Lösungsfunktion. +Wir schreiben deshalb den Lösungsansatz zur Linearkombination +\[ + X(x) + = + \sum_{n = 0}^{\infty} a_n\cos\left(\frac{n\pi}{l}x\right) + + + \sum_{n = 0}^{\infty} b_n\sin\left(\frac{n\pi}{l}x\right) +\] +aus allen möglichen Lösungen um. + +Als nächstes werden noch die Summanden für $n = 0$ aus den Summen herausgezogen. +Da +\[ + \begin{aligned} + a_0 \cos\left(\frac{0 \pi}{l}\right) &= a_0 \\ + b_0 \sin\left(\frac{0 \pi}{l}\right) &= 0 + \end{aligned} +\] +gilt, endet man somit bei +\[ + X(x) + = + a_0 + + + \sum_{n = 1}^{\infty} a_n\cos\left(\frac{n\pi}{l}x\right) + + + \sum_{n = 1}^{\infty} b_n\sin\left(\frac{n\pi}{l}x\right). +\] +Dies ist die allgemeine Fourierreihe, welche unsere Stab-Probleme löst. +Wie zuvor bereits erwähnt, wissen wir, dass sämtliche Lösungsfunktionen +orthogonal zueinander sind bezüglich des +Skalarproduktes~\eqref{sturmliouville:eq:modified-dot-product}. +Dieses vereinfacht sich noch etwas, da aus +Abschnitt~\ref{sturmliouville:subsec:separation} bereits $w(x) = 1$ gegeben ist. +Somit ist das Skalarprodukt +\begin{equation} + \label{sturmliouville:eq:example-fourier-dot-product} + \langle f, g \rangle_w + = + \int_a^b f(x)g(x)w(x)\,dx + = + \int_a^b f(x)g(x)\,dx. +\end{equation} + +Es gilt also +\[ +\begin{aligned} + \int_{-l}^{l}\cos\left(\frac{n \pi}{l}x\right) + \cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx + &= 0 \qquad n \neq m \\ + \int_{-l}^{l}\sin\left(\frac{n \pi}{l}x\right) + \sin\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx + &= 0 \qquad n \neq m \\ + \int_{-l}^{l}\cos\left(\frac{n \pi}{l}x\right) + \sin\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx + &= 0. +\end{aligned} +\] + +\subsubsection{Berechnung der Fourierkoeffizienten} + +% +% Lösung von X(x), Teil: Koeffizienten a_n und b_n mittels skalarprodukt. +% + +Um eine eindeutige Lösung für $X(x)$ zu erhalten wird nun die initiale +Wärmeverteilung oder $u(0, x) = X(x)$ für $t = 0$ benötigt. +Es gilt also nun die Gleichung +\begin{equation} + \label{sturmliouville:eq:example-fourier-initial-conditions} + u(0, x) + = + a_0 + + + \sum_{n = 1}^{\infty} a_n\cos\left(\frac{n\pi}{l}x\right) + + + \sum_{n = 1}^{\infty} b_n\sin\left(\frac{n\pi}{l}x\right) +\end{equation} +nach allen $a_n$ und $b_n$ aufzulösen. +Da aber $a_n$ und $b_n$ jeweils als Faktor zu einer trigonometrischen Funktion +gehört, von der wir wissen, dass sie orthogonal zu allen anderen +trigonometrischen Funktionen der Lösung ist, kann direkt das +Skalarprodukt~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-dot-product} +verwendet werden um die Koeffizienten $a_n$ und $b_n$ zu bestimmen. +Es wird also die Tatsache ausgenutzt, dass die Gleichheit in +\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-initial-conditions} nach Anwendung des +Skalarproduktes immernoch gelten muss und dass das Skalaprodukt mit einer +Basisfunktion sämtliche Summanden auf der rechten Seite auslöscht. + +Zur Berechnung von $a_m$ mit $ m \in \mathbb{N} $ wird beidseitig das +Skalarprodukt mit der Basisfunktion $ \cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right)$ +gebildet: +\begin{equation} + \label{sturmliouville:eq:dot-product-cosine} + \biggl\langle u(0, x), \cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right) \biggr\rangle _w + = + \biggl\langle a_0 + + + \sum_{n = 1}^{\infty} a_n\cos\left(\frac{n\pi}{l}x\right) + + + \sum_{n = 1}^{\infty} b_n\sin\left(\frac{n\pi}{l}x\right), + \cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right)\biggr\rangle _w +\end{equation} + +Bevor diese Form in die Integralform umgeschrieben werden kann, muss überlegt +sein, welche Integralgrenzen zu verwenden sind. +In diesem Fall haben die $\sin$ und $\cos$ Terme beispielsweise keine ganze +Periode im Intervall $x \in [0, l]$ für ungerade $n$ und ungerade $m$. +Um die Skalarprodukte aber korrekt zu berechnen, muss über ein ganzzahliges +Vielfaches der Periode der trigonometrischen Funktionen integriert werden. +Dazu werden die Integralgrenzen $-l$ und $l$ verwendet und es werden ausserdem +neue Funktionen $\hat{u}_c(0, x)$ für die Berechnung mit Cosinus und +$\hat{u}_s(0, x)$ für die Berechnung mit Sinus angenomen, welche $u(0, t)$ +gerade, respektive ungerade auf $[-l, 0]$ fortsetzen: +\[ +\begin{aligned} + \hat{u}_c(0, x) + &= + \begin{cases} + u(0, -x) & -l \leq x < 0 + \\ + u(0, x) & 0 \leq x \leq l + \end{cases} + \\ + \hat{u}_s(0, x) + &= + \begin{cases} + -u(0, -x) & -l \leq x < 0 + \\ + u(0, x) & 0 \leq x \leq l + \end{cases}. +\end{aligned} +\] + +Diese Funktionen wurden gerade so gewählt, dass nun das Resultat der Integrale +um den Faktor $2$ skalliert wurde. +Es gilt also +\[ + \int_{-l}^{l}\hat{u}_c(0, x)\cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx + = + 2\int_{0}^{l}u(0, x)\cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx +\] +und +\[ + \int_{-l}^{l}\hat{u}_s(0, x)\sin\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx + = + 2\int_{0}^{l}u(0, x)\sin\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx. +\] + +Als nächstes wird nun das +Skalaprodukt~\eqref{sturmliouville:eq:dot-product-cosine} berechnet: +\[ +\begin{aligned} + \int_{-l}^{l}\hat{u}_c(0, x)\cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx + =& + \int_{-l}^{l} \left[a_0 + + + \sum_{n = 1}^{\infty} a_n\cos\left(\frac{n\pi}{l}x\right) + + + \sum_{n = 1}^{\infty} b_n\sin\left(\frac{n\pi}{l}x\right)\right] + \cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right) dx + \\ + 2\int_{0}^{l}u(0, x)\cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx + =& + a_0 \int_{-l}^{l}\cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right) dx + + + \sum_{n = 1}^{\infty}\left[a_n\int_{-l}^{l}\cos\left(\frac{n\pi}{l}x\right) + \cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx\right] + \\ + &+ + \sum_{n = 1}^{\infty}\left[b_n\int_{-l}^{l}\sin\left(\frac{n\pi}{l}x\right) + \cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx\right]. +\end{aligned} +\] + +Betrachtet man nun die Summanden auf der rechten Seite stellt man fest, dass +nahezu alle Terme verschwinden, denn +\[ + \int_{-l}^{l}\cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right) dx + = + 0, +\] +da hier über ein ganzzahliges Vielfaches der Periode integriert wird, +\[ + \int_{-l}^{l}\cos\left(\frac{n\pi}{l}x\right) + \cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx + = + 0 +\] +für $m\neq n$, da Cosinus-Funktionen mit verschiedenen Kreisfrequenzen +orthogonal zueinander stehen und +\[ + \int_{-l}^{l}\sin\left(\frac{n\pi}{l}x\right) + \cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx + = + 0 +\] +da Sinus- und Cosinus-Funktionen ebenfalls orthogonal zueinander sind. + +Es bleibt also lediglich der Summand mit $a_m$ stehen, was die Gleichung zu +\[ + 2\int_{0}^{l}u(0, x)\cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx + = + a_m\int_{-l}^{l}\cos^2\left(\frac{m\pi}{l}x\right)dx +\] +vereinfacht. + +Im nächsten Schritt wird nun das Integral auf der rechten Seite +berechnet und dann nach $a_m$ aufgelöst. +Am einfachsten geht dies, wenn zuerst mit $u = \frac{m \pi}{l}x$ substituiert +wird: +\[ + \begin{aligned} + 2\int_{0}^{l}u(0, x)\cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx + &= + a_m\frac{l}{m\pi}\int_{-m\pi}^{m\pi}\cos^2\left(u\right)du + \\ + &= + a_m\frac{l}{m\pi}\left[\frac{u}{2} + + \frac{\sin\left(2u\right)}{4}\right]_{u=-m\pi}^{m\pi} + \\ + &= + a_m\frac{l}{m\pi}\biggl(\frac{m\pi}{2} + + \underbrace{\frac{\sin\left(2m\pi\right)}{4}}_{\displaystyle = 0} - + \frac{-m\pi}{2} - + \underbrace{\frac{\sin\left(-2m\pi\right)}{4}}_{\displaystyle = 0}\biggr) + \\ + &= + a_m l + \\ + a_m + &= + \frac{2}{l} \int_{0}^{l}u(0, x)\cos\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx. + \end{aligned} +\] + +Analog dazu kann durch das Bilden des Skalarproduktes mit +$ \sin\left(\frac{m \pi}{l}x\right) $ gezeigt werden, dass +\[ + b_m + = + \frac{2}{l} \int_{0}^{l}u(0, x)\sin\left(\frac{m \pi}{l}x\right)dx +\] +gilt. + +Etwas anders ist es allerdings bei $a_0$. +Wie zuvor bereits erwähnt, handelt es sich hierbei um den Koeffizienten +zur Basisfunktion $\cos\left(\frac{0 \pi}{l}x\right)$ beziehungsweise der +konstanten Funktion $1$. +Um einen Ausdruck für $a_0$ zu erhalten, wird wiederum auf beiden Seiten +der Gleichung~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-initial-conditions} das +Skalarprodukt mit der konstanten Basisfunktion $1$ gebildet: +\[ +\begin{aligned} + \int_{-l}^{l}\hat{u}_c(0, x)dx + &= + \int_{-l}^{l} a_0 + + + \sum_{n = 1}^{\infty} a_n\cos\left(\frac{n\pi}{l}x\right) + + + \sum_{n = 1}^{\infty} b_n\sin\left(\frac{n\pi}{l}x\right)dx + \\ + 2\int_{0}^{l}u(0, x)dx + &= + a_0 \int_{-l}^{l}dx + + + \sum_{n = 1}^{\infty}\left[a_n\int_{-l}^{l}\cos\left(\frac{n\pi}{l}x\right) + dx\right] + + \sum_{n = 1}^{\infty}\left[b_n\int_{-l}^{l}\sin\left(\frac{n\pi}{l}x\right) + dx\right]. +\end{aligned} +\] + +Hier fallen nun alle Terme, die $\sin$ oder $\cos$ beinhalten weg, da jeweils +über ein ganzzahliges Vielfaches der Periode integriert wird. +Es bleibt also noch +\[ + 2\int_{0}^{l}u(0, x)dx + = + a_0 \int_{-l}^{l}dx, +\] +was sich wie folgt nach $a_0$ auflösen lässt: +\[ +\begin{aligned} + 2\int_{0}^{l}u(0, x)dx + &= + a_0 \int_{-l}^{l}dx + \\ + &= + a_0 \left[x\right]_{x=-l}^{l} + \\ + &= + a_0(l - (-l)) + \\ + &= + a_0 \cdot 2l + \\ + a_0 + &= + \frac{1}{l} \int_{0}^{l}u(0, x)dx. +\end{aligned} +\] + +% +% Lösung von T(t) +% + +\subsection{Lösung der Differentialgleichung in \texorpdfstring{$t$}{t}} +Zuletzt wird die zweite Gleichung der +Separation~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-separated-t} betrachtet. +Dazu nimmt man das charakteristische Polynom +\[ + \lambda - \kappa \mu + = + 0 +\] +der Gleichung +\[ + T^{\prime}(t) - \kappa \mu T(t) + = + 0 +\] +und löst dieses. + +Es ist direkt ersichtlich, dass $\lambda = \kappa \mu$ gelten muss, was zur +Lösung +\[ + T(t) + = + e^{\kappa \mu t} +\] +führt und mit dem Resultat~\eqref{sturmliouville:eq:example-fourier-mu-solution} +\[ + T(t) + = + e^{-\frac{n^{2}\pi^{2}\kappa}{l^{2}}t} +\] +ergibt. + +\subsection{Lösung des Wärmeleitungsproblems} + +Nun können alle vorhergehenden Resultate zusammengesetzt +werden um die vollständige Lösung für das Stab-Problem zu erhalten. + +\subsubsection{Lösung für einen Stab mit Enden auf konstanter Temperatur} +\[ +\begin{aligned} + u(t,x) + &= + \sum_{n=1}^{\infty}b_{n}e^{-\frac{n^{2}\pi^{2}\kappa}{l^{2}}t} + \sin\left(\frac{n\pi}{l}x\right) + \\ + b_{n} + &= + \frac{2}{l}\int_{0}^{l}u(0,x)sin\left(\frac{n\pi}{l}x\right) dx +\end{aligned} +\] + +\subsubsection{Lösung für einen Stab mit isolierten Enden} +\[ +\begin{aligned} + u(t,x) + &= + a_{0} + \sum_{n=1}^{\infty}a_{n}e^{-\frac{n^{2}\pi^{2}\kappa}{l^{2}}t} + \cos\left(\frac{n\pi}{l}x\right) + \\ + a_{0} + &= + \frac{1}{l}\int_{0}^{l}u(0,x) dx + \\ + a_{n} + &= + \frac{2}{l}\int_{0}^{l}u(0,x)sin\left(\frac{n\pi}{l}x\right) dx +\end{aligned} +\] |