From 61202dbd7a7762ceeee673cf27da26e47d72b966 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: =?UTF-8?q?Andreas=20M=C3=BCller?= Date: Wed, 16 Mar 2022 09:42:00 +0100 Subject: Kugelfunktionen --- buch/chapters/090-pde/kugel.tex | 237 +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++- 1 file changed, 236 insertions(+), 1 deletion(-) (limited to 'buch/chapters') diff --git a/buch/chapters/090-pde/kugel.tex b/buch/chapters/090-pde/kugel.tex index c081029..d466e26 100644 --- a/buch/chapters/090-pde/kugel.tex +++ b/buch/chapters/090-pde/kugel.tex @@ -145,8 +145,243 @@ Polarkoordinaten~\eqref{buch:pde:kreis:laplace}. Der Unterschied rührt daher, dass der Laplace-Operator die Krümmung der Koordinatenlinien berücksichtigt, in diesem Fall der Meridiane. - \subsection{Separation} +In Abschnitt~\ref{buch:pde:subsection:eigenwertproblem} +wurde bereits gzeigt, wie die Wellengleichung +\[ +\frac{1}{c^2} +\frac{\partial^2 U}{\partial t^2} +-\Delta U += +0 +\] +durch Separation der Zeit auf ein Eigenwertproblem für eine +Funktion $u$ reduziert werden kann, die nur von den Ortskoordinaten +abhängt. +Es geht also nur noch darum, dass Eigenwertproblem +\[ +\Delta u = -\lambda^2 u +\] +mit geeigneten Randbedingungen zu lösen. +Dazu gehören einerseits eventuelle Gebietsränder, die im Moment +nicht interessieren. +Andererseits muss sichergestellt sein, dass die Lösungsfunktionen +stetig und differentierbar sind an den Orten, wo das Koordinatensystem +singulär ist. +So müssen $u(r,\vartheta,\varphi)$ $2\pi$-periodisch in $\varphi$ sein. +% XXX Ableitungen + +\subsubsection{Separation des radialen Anteils} +Für das Eigenwertproblem verwenden wir den Ansatz +\[ +u(r,\vartheta,\varphi) += +R(r) \Theta(\vartheta) \Phi(\varphi), +\] +den wir in die Differentialgleichung einsetzen. +So erhalten wir +\[ +\biggl(\frac{1}{r^2}R''(r)+\frac{2}{r}R'(r) \biggr) +\Theta(\vartheta)\Phi(\varphi) ++ +R(r) +\frac{1}{r^2\sin\vartheta} +\frac{\partial}{\partial\vartheta}(\sin\vartheta \Theta'(\vartheta)) +\Phi(\varphi) ++ +R(r)\Theta(\vartheta) +\frac{1}{r^2\sin\vartheta} \Phi''(\varphi) += +-\lambda^2 R(r)\Theta(\vartheta)\Phi(\varphi). +\] +Die Gleichung lässt sich nach Multiplikation mit $r^2$ und +Division durch $u$ separieren in +\begin{equation} +\frac{R''(r)+2rR'(r)+\lambda^2r^2}{R(r)} ++ +\frac{1}{\Theta(\vartheta) \sin\vartheta} +\frac{\partial}{\partial\vartheta}\sin\vartheta\Theta'(\vartheta) ++ +\frac{1}{\sin^2\vartheta}\frac{\Phi''(\varphi)}{\Phi(\varphi)} += +0 +\label{buch:pde:kugel:separiert2} +\end{equation} +Der erste Term hängt nur von $r$ ab, die anderen nur von $\vartheta$ und +$\varphi$, daher muss der erste Term konstant sein. +Damit ergbit sich für den Radialanteil die gewöhnliche Differentialgleichung +\[ +R''(r) + 2rR'(r) +\lambda^2 r^2 = \mu^2 R(r), +\] +die zum Beispiel mit der Potenzreihenmethode gelöst werden kann. +Sie kann aber durch eine geeignete Substition nochmals auf die +Laguerre-Differentialgleichung reduziert werden, wie in +Kapitel~\ref{chapter:laguerre} dargelegt wird. + +\subsubsection{Kugelflächenanteil} +Für die Separation der verbleibenden winkelabhängigen Teile muss die +Gleichung +\[ +\frac{1}{\Theta(\vartheta) \sin\vartheta} +\frac{\partial}{\partial\vartheta}\sin\vartheta\Theta'(\vartheta) ++ +\frac{1}{\sin^2\vartheta}\frac{\Phi''(\varphi)}{\Phi(\varphi)} += +-\mu^2 +\] +mit $\sin^2\vartheta$ multipliziert werden, was auf +\[ +\frac{\sin\vartheta}{\Theta(\vartheta)} +\frac{\partial}{\partial\vartheta}\sin\vartheta\Theta'(\vartheta) ++ +\frac{\Phi''(\varphi)}{\Phi(\varphi)} += +-\mu^2\sin^2\vartheta +\quad\Rightarrow\quad +\frac{\sin\vartheta}{\Theta(\vartheta)} +\frac{\partial}{\partial\vartheta}\sin\vartheta\Theta'(\vartheta) ++ +\mu^2\sin^2\vartheta += +- +\frac{\Phi''(\varphi)}{\Phi(\varphi)} +\] +führt. +Die linke Seite der letzten Gleichung hängt nur von $\vartheta$ +ab, die rechte nur von $\varphi$, beide Seiten müssen daher +konstant sein, wir bezeichnen diese Konstante mit $\alpha^2$. +So ergibt sich die Differentialgleichung +\[ +\alpha^2 += +-\frac{\Phi''(\varphi)}{\Phi(\varphi)} +\] +für die Abhängigkeit von $\varphi$, mit der allgemeinen Lösung +\[ +\Phi(\varphi) += +A\cos\alpha \varphi ++ +B\sin\alpha \varphi. +\] +Die Randbedingungen verlangen, dass $\Phi(\varphi)$ eine $2\pi$-periodische +Funktion ist, was genau dann möglich ist, wenn $\alpha=m$ ganzzahlig ist. +Damit ergibt sich für die $\vartheta$-Abhängigkeit die Differentialgleichung +\begin{equation} +\frac{\sin\vartheta}{\Theta(\vartheta)} +\frac{\partial}{\partial\vartheta}\sin\vartheta\Theta'(\vartheta) ++ +\mu^2\sin^2\vartheta += +m^2. +\label{buch:pde:kugel:eqn:thetaanteil} +\end{equation} + +\subsubsection{Abhängigkeit von $\vartheta$} +Die Differentialgleichung~\eqref{buch:pde:kugel:eqn:thetaanteil} +ist etwas unhandlich, daher verwenden wir die Substitution $z=\cos\vartheta$, +um die trigonometrischen Funktionen los zu werden. +Wegen +\[ +\frac{dz}{d\vartheta} = -\sin\vartheta =-\sqrt{1-z^2} +\] +können die Ableitungen nach $\vartheta$ auch durch Ableitungen nach $z$ +ausgedrückt werden. +Wir schreiben dazu $Z(z)=\Theta(\vartheta)$ und berechnen +\[ +\Theta'(\vartheta) += +\frac{d\Theta}{d\vartheta} += +\frac{dZ}{dz}\frac{dz}{d\vartheta} += +- +\sqrt{1-z^2} +Z'(z). +\] +Dies bedeutet auch, dass +\[ +\sin\vartheta\frac{d}{d\vartheta} += +- +(1-z^2)\frac{d}{dz}, +\] +damit lässt sich die Differentialgleichung für $\Theta(\vartheta)$ umschreiben +in eine Differentialgleichung für $Z(z)$, nämlich +\[ +(1-z^2)\frac{d}{dz}(1-z^2)\frac{d}{dz} Z(z) ++ +\mu^2 +(1-z^2) +Z(z) += +m^2 +Z(z). +\] +Indem man die Ableitung im ersten Term mit Hilfe der Produktregel +ausführt, kann man die Gleichung +\[ +(1-z^2)\biggl( +-2zZ'(z) + (1-z^2)Z''(z) +\biggr) ++ +\mu^2(1-z^2)Z(z) += +-m^2 Z(z) +\] +bekommen. +Division durch $1-z^2$ ergibt die +{\em Legendre-Differentialgleichung} +\begin{equation} +(1-z^2)Z''(z) +-2zZ'(z) ++ +\biggl( +\mu^2 - \frac{m^2}{1-z^2} +\biggr) +Z(z) += +0. +\label{buch:pde:kugel:eqn:legendre-dgl} +\end{equation} +Eine Diskussion der Lösungen dieser Differentialgleichung erfolgt im +Kapitel~\ref{chapter:kugel}. + +\subsection{Kugelfunktionen} +Die Legendre-Differentialgleichung~\eqref{buch:pde:kugel:eqn:legendre-dgl} +hat Lösungen für Werte von $\mu$ derart, dass $\mu^2=l(l+1)$ für natürliche +Zahlen $l$. +Die Lösungen sind sogar Polynome, die wir mit $P_l^{(m)}(z)$ +bezeichnen, dabei ist $m$ eine ganze Zahl mit $-l\le m\le l$. +Die Funktionen $P_l^{(m)}(\cos\vartheta)e^{im\varphi}$ +sind daher alle Lösungen des von $\vartheta$ und $\varphi$ +abhängigen Teils der Lösungen des Eigenwertproblems. +Mit einer geeigneten Normierung kann man zudem eine Familie von +bezüglich des Skalarproduktes +\[ +\langle f,g\rangle_{S^2} += +\int_{-\pi}^{\pi} +\int_{0}^{\pi} +\overline{f(\vartheta,\varphi)} +g(\vartheta,\varphi) +\sin\vartheta +\,d\vartheta +\,d\varphi +\] +orthonormiete Funktionen auf der Kugeloberfläche erhalten, die +man normalerweise als +\[ +Y_{lm}(\vartheta,\varphi) += +\frac{1}{\sqrt{2\pi}} +\sqrt{ +\frac{2l+1}{2}\cdot +\frac{(l-m)!}{(l+m)!} +} +P_{l}^{(m)}(\cos\vartheta)e^{im\varphi} +\] +bezeichnet. -- cgit v1.2.1