% % trigonometrisch.tex % % (c) 2021 Prof Dr Andreas Müller, OST Ostschweizer Fachhochschule % \section{Trigonometrische Funktionen \label{buch:geometrie:section:trigonometrisch}} \rhead{Trigonometrische Funktionen} Die Navigation zur See wie auch die Landvermessung hängen davon ab, dass man Winkel zwischen Himmelskörpern, Landmarken oder dem Horizont messen kann. Aus solchen Messungen können dann mittels bekannter Beziehungen zwischen den Winkeln und Seitenlängen in Dreiecken weitere Seitenlängen und Winkel berechnet werden. Schon in rechtwinkligen Dreiecken sind die Beziehungen zwischen Winkel und Seitenlängen von einer Art, die sich nicht durch algebraische Ausdrücke berechnen lässt. Es ist daher notwendig, neue spezielle Funktionen zu definieren, die trigonometrischen Funktionen. \subsection{Definition der trigonometrischen Funktionen} % XXX Abbildung Jakobsstab Eines der ältesten Messgeräte für Winkel ist der Jakobsstab, dargestellt in Abbildung~\ref{}. Der Querstab kann entlang des Stabs verschoben werden. Die beiden Punkte, deren Zwischenwinkel bestimmt werden soll, werden so anvisiert, dass sie sich auf den Enden des Querstabs zu befinden scheinen. Abgelesen wird dann die Strecke $l$ zwischen dem Auge des Beobachters und dem Querstab. Daraus und aus der Länge $l_Q$ des Querstabes lässt sich jetzt der Winkel mit der Formel \[ \tan\frac{\alpha}2 = \frac{l_Q}{2l} \] berechnen. Um nun einen numerischen Wert für $\alpha$ zu bekommen, braucht man eine Tabelle der Funktionswerte der Funktion auf der linken Seite. \begin{figure} \centering \begin{tikzpicture}[>=latex,thick] \def\r{3} \def\a{53} \fill[color=red!20] (0,0) -- (-\a:1) arc (-\a:\a:1) -- cycle; \draw (0,0) -- (\a:\r); \draw (0,0) -- (-\a:\r); \node[color=red] at ({cos(\a/2)},0) [above left] {$\alpha$}; \draw (0,0) circle[radius=\r]; \draw[color=red,line width=1.4pt] (\a:\r) -- (-\a:\r); \fill[color=red] (\a:\r) circle[radius=0.05]; \fill[color=red] (-\a:\r) circle[radius=0.05]; \node[color=red] at ({\r*cos(\a)},0) [above,rotate=-90] {$\operatorname{chord}\alpha$}; \draw[color=gray,line width=1.0pt] (0,0) -- ({\r*cos(\a)},0); \fill[color=white] (0,0) circle[radius=0.08]; \draw (0,0) circle[radius=0.08]; \node at (\a:{0.5*\r}) [above,rotate=\a] {$r=1$}; \node at ({\r*cos(\a)},{0.35*\r*sin(\a)}) [above,rotate=90] {$\sin\frac{\alpha}2$}; \end{tikzpicture} \caption{Definition der Chord-Funktion $\operatorname{chord}\alpha$ am Einheitskreis. \label{buch:geometrie:trigo:chorddef}} \end{figure} Die älteste bekannt Tabelle von Funktionswerten trigonometrischer Funktionen stammt von Hipparchus aus dem 2.~Jahrhundert BCE und enthält Werte der sogenannten Chord-Funktion $\operatorname{chord}\alpha$, welche die Länge der Sehne eines Bogens $\alpha$ des Einheitskreises berechnet. Aus der Abbildung~\ref{buch:geometrie:trigo:chorddef} ergibt sich \[ \operatorname{chord}\alpha = 2\sin\frac{\alpha}2. \] Die Verwendung der Chord-Funktion war bis ins 19.~Jahrhundert in der Landvermessung üblich. Neben der Chord-Funktion waren auch noch andere heute weitgehend vergessen Funktionen im Einsatz wie zum Beispiel der Sinus versus \[ \operatorname{vers}\alpha=1-\cos\alpha = 2\sin^2\frac{\alpha}2 \] oder der Semiversus \[ \operatorname{sem}\alpha = \frac{\operatorname{vers}\alpha}{2} = \sin^2\frac{\alpha}2, \] der besonders nützlich bei der Berechnung der Entfernung zweier in geographischer Länge und Breite gegebener Punkte auf der Erdoberfläche ist und daher in der Navigation lange üblich war. Eine neue spezielle Funktion sollte sowohl möglichst universell einsetzbar sein als auch gut und effizient berechnet werden können. Aus dieser Forderung haben sich die Funktion $\sin\alpha$, $\cos\alpha$ und $\tan\alpha$ als die nützlichsten herausgestellt. Mit ihnen lassen sich a % % Rechtwinklige Dreiecke % \subsubsection{Rechtwinklige Dreiecke} Ähnliche Dreiecke haben gleiche Seitenverhältnisse und Winkel. Rechtwinklige Dreiecke sind daher bis auf Ähnlichkeit vollständig durch die Angabe eines Winkels beschrieben. Die Seitenverhältnisse müssen daher aus den Winkeln berechnet werden können. Genau dies ist die Aufgabe, die die trigonometrischen Funktionen lösen. \begin{figure} \centering \includegraphics{chapters/030-geometrie/images/deftrig.pdf} \caption{Rechtwinkliges Dreieck zur Definition der trigonometrischen Funktionen. \label{buch:geometrie:trigo:fig:definition}} \end{figure} \begin{definition} \label{buch:geometrie:def:trigo} In einem rechtwinkligen Dreieck mit Winkel $\alpha$, $0<\alpha < \frac{\pi}2$, sind die Seitenverhältnisse gegeben durch die trigonometrischen Funktionen, die wie folgt definiert sind: \begin{align*} \sin\alpha &= \frac{\text{Gegenkatete}}{\text{Hypothenuse}} = \frac{b}{c}, & \cos\alpha &= \frac{\text{Ankatete}}{\text{Hypothenuse}} = \frac{a}{c} &&\text{und} & \tan\alpha &= \frac{\text{Gegenkatete}}{\text{Ankatete}} = \frac{a}{b} \intertext{mit den Kehrwerten} \sec\alpha &= \frac{\text{Hypothenuse}}{\text{Gegenkatete}} = \frac{c}{b}, & \csc\alpha &= \frac{\text{Hypothenuse}}{\text{Ankatete}} = \frac{c}{a} &&\text{und} & \cot\alpha &= \frac{\text{Ankatete}}{\text{Gegenkatete}} = \frac{b}{a} \end{align*} (siehe auch Abbildung~\ref{buch:geometrie:trigo:fig:definition}). \end{definition} Aus der Definition und dem Satz von Pythagoras kann eine grosse Zahl von Beziehungen zwischen den trigonometrischen Funktionen abgeleitet werden. Zum Beispiel folgt sofort \[ \sin^2\alpha+\cos^2\alpha = \biggl(\frac{b}{c}\biggr)^2 + \biggl(\frac{a}{c}\biggr)^2 = \frac{a^2+b^2}{c^2} = 1. \] Insbesondere lässt sich $\sin\alpha$ durch $\cos\alpha$ ausdrücken und umgekehrt: \[ \sin\alpha = \sqrt{1-\cos^2\alpha} \qquad\text{und}\qquad \cos\alpha = \sqrt{1-\sin^2\alpha} \] Da sich alle Funktionen durch $\cos\alpha$ und $\sin\alpha$ ausdrücken lassen, können alle auch nur durch eine ausgedrückt werden. Durch Umkehrung dieser Beziehung kann man jede der trigonometrischen Funktionen durch jede andere ausdrücken, wie dies in Tabelle~\ref{buch:geometrie:tab:trigo} zusammengestellt ist. \begin{figure} \centering \renewcommand{\arraystretch}{2.5} \renewcommand{\tabcolsep}{5pt} \begin{tabular}{|>{$}c<{$}|>{$}c<{$}>{$}c<{$}>{$}c<{$}>{$}c<{$}>{$}c<{$}>{$}c<{$}|} \hline %\downarrow\text{ ausgedrückt durch }\rightarrow &\sin\alpha&\cos\alpha&\tan\alpha&\cot\alpha&\sec\alpha&\csc\alpha\\[5pt] \hline \sin\alpha &\sin\alpha &\sqrt{1-\cos^2} &\displaystyle\frac{\tan\alpha}{\sqrt{1+\tan^2\alpha}} &\displaystyle\frac{1}{\sqrt{1+\cot^2\alpha}} &\displaystyle\frac{1}{\sec\alpha} &\displaystyle\frac{\sqrt{\csc^2\alpha-1}}{\csc\alpha} \\ \cos\alpha &\sqrt{1-\sin^2\alpha} &\cos\alpha &\displaystyle\frac{1}{\sqrt{1+\tan^2\alpha}} &\displaystyle\frac{\cot\alpha}{\sqrt{1+\cot^2\alpha}} &\displaystyle\frac{\sqrt{\sec^2\alpha-1}}{\sec\alpha} &\displaystyle\frac{1}{\csc\alpha} \\ \tan\alpha &\displaystyle\frac{\sin\alpha}{\sqrt{1-\sin^2\alpha}} &\displaystyle\frac{\sqrt{1-\cos^2\alpha}}{\cos\alpha} &\tan\alpha &\displaystyle\frac{1}{\cot\alpha} &\displaystyle\frac{1}{\sqrt{\sec^2\alpha-1}} &\displaystyle\sqrt{\csc^2\alpha-1} \\ \cot\alpha &\displaystyle\frac{\sqrt{1-\sin^2\alpha}}{\sin\alpha} &\displaystyle\frac{\cos\alpha}{\sqrt{1-\cos^2\alpha}} &\displaystyle\frac{1}{\tan\alpha} &\cot\alpha &\displaystyle\sqrt{\sec^2\alpha-1} &\displaystyle\frac{1}{\sqrt{\sec^2\alpha-1}} \\ \sec\alpha &\displaystyle\frac{1}{\sin\alpha} &\displaystyle\frac{1}{\sqrt{1-\cos^2\alpha}} &\displaystyle\frac{\sqrt{1+\tan^2\alpha}}{\tan\alpha} &\displaystyle\sqrt{1+\cot^2\alpha} &\sec\alpha &\displaystyle\frac{\csc\alpha}{\sqrt{\csc^2\alpha-1}} \\ \csc\alpha &\displaystyle\frac{1}{\sqrt{1-\sin^2\alpha}} &\displaystyle\frac{1}{\cos\alpha} &\displaystyle\sqrt{1+\tan^2\alpha} &\displaystyle\frac{\sqrt{1+\cot^2\alpha}}{\cot\alpha} &\displaystyle\frac{\sec\alpha}{\sqrt{\sec^2\alpha-1}} &\csc\alpha \\[8pt] \hline \end{tabular} \caption{Darstellung aller trigonometrischen Funktionen durch jede beliebige andere Funktion. Für Winkel ausserhalb des 1.~Quadranten müssen die Vorzeichen der Quadratwurzeln so gewählt werden, dass die Funktion das richtige Vorzeichen erhält. \label{buch:geometrie:tab:trigo}} \end{figure} Diese Definition~\ref{buch:geometrie:def:trigo} ist auf spitze Winkel und damit auf nichtnegative Werte der trigonometrischen Funktionen beschränkt. % % Definition am Einheitskreis % \subsubsection{Einheitskreis} Im vorangegangen Abschnitt wurden die rechtwinkligen Dreiecke durch einen Winkel charakterisiert und die trigonometrischen Funktionen als Verhältnis von Seiten des Dreiecks abgeleitet. Dabei wurde die Schwierigkeit übergangen, wie überhaupt der Winkel definiert werden soll. Ein Winkel war im Wesentlichen durch die Eigenschaft definiert, dass ähnliche Dreiecke den gleichen Winkel haben. Die Definition~\ref{buch:geometrie:def:trigo} ist in diesem Licht nichts anderes als eine Namenskonvention für die Seitenverhältnisse einer Klasse von ähnlichen rechtwinkligen Dreiecken. \begin{figure} \centering \includegraphics{chapters/030-geometrie/images/einheitskreis.pdf} \caption{Definition der trigonometrischen Funktion mit Hilfe des Einheitskreises \label{buch:geometrie:trigo:fig:einheitskreis}} \end{figure} Eine alternative Charakterisierung rechtwinkliger Dreiecke geht von Punkten auf dem Einheitskreis aus. Die Lote von einem Punkt $P$ auf dem Einheitskreis definieren zwei ähnliche Dreiecke, mit dem Ursprung $O$, dem Punkt $P$ und dem Fusspunkt des Lotes. Die Koordinaten des Punktes $P$ können im Gegensatz zu den Seiten des rechtwinkligen Dreiecks in Abbildung~\ref{buch:geometrie:trigo:fig:definition} auch negativ sein. Ein Punkt im zweiten Quadranten hat zum Beispiel eine negative $x$-Koordinate. Die trigonometrischen Funktionen können nun analog zu Definition~\ref{buch:geometrie:def:trigo} aber unter Verwendung der Koordinaten $x$ und $y$. Auch das Argument $\alpha$ der trigonometrischen Funktionen kann jetzt auf natürlichere Art und Weise definiert werden. Es ist die Länge des Bogens auf dem Einheitskreis zwischen dem Punkt $(1,0)$ und $P$. Damit lassen sich die trigonometrischen Funktionen jetzt für beliebige Winkel $\alpha\in\mathbb{R}$ definieren. \begin{definition} \label{buch:geometrie:def:trigeinheitskreis} Die trigonometrischen Funktionen des Winkels $\alpha$ zwischen der $x$-Achse und der Richtung durch den Punkt $P$ sind \begin{align*} \sin\alpha &= x, &\cos\alpha &= y&&\text{und}& \tan\alpha=\frac{y}{x} \intertext{mit den Kehrwerten} \sec\alpha &= \frac{1}{x}, &\csc\alpha &= \frac{1}{y}&&\text{und}& \tan\alpha=\frac{x}{y}. \end{align*} (siehe auch Abbildung~\ref{buch:geometrie:trigo:fig:einheitskreis}). \end{definition} Die Beziehungen der Tabelle~\ref{buch:geometrie:tab:trigo} zwischen den trigonometrischen Funktionen bleibt auch für diese erweiterten Funktionen gültig, wenn das Vorzeichen der Quadratwurzel falls vorhanden geeignet gewählt wird. % % Drehungen in der Ebene % \subsection{Drehungen der Ebene} Die Funktionen $\sin\alpha$ und $\cos\alpha$ sind in den Anwendungen besonders nützlich, weil sich damit die Kreisbewegung parametrisieren lässt. Etwas allgemeiner kann man damit Drehungen der Ebene beschreiben. Damit entstehen die Funktion als Nebenprodukt einer Parametrisierung der Drehgruppe $\operatorname{SO}(2)$. Daraus werden sich später Ableitungseigenschaften und Potenzreihendarstellungen der trigonometrischen Funktionen ableiten lassen. \subsubsection{Drehmatrizen und Additionstheoreme} Eine Drehung der Ebenen $\mathbb{R}^2$ um den Winkel $\alpha$ bildet die Standardbasisvektoren auf die Vektoren \[ e_1=\begin{pmatrix}1\\0\end{pmatrix} \mapsto \begin{pmatrix} \cos\alpha\\\sin\alpha \end{pmatrix} \qquad\text{und}\qquad e_2=\begin{pmatrix}0\\1\end{pmatrix} \mapsto \begin{pmatrix} -\sin\alpha \\ \cos\alpha \end{pmatrix} \] ab. Die Abildungsmatrix der Drehung ist daher \[ D_\alpha = \begin{pmatrix*}[r] \cos\alpha&-\sin\alpha\\ \sin\alpha& \cos\alpha \end{pmatrix*}. \] Die Zusammensetzung zweier Drehungen um die Winkel $\alpha$ und $\beta$ ist wieder eine Drehung um den Winkel $\alpha+\beta$, es gilt also \[ D_{\alpha+\beta} = D_{\alpha}D_{\beta}, \] oder in Matrizenform \begin{align*} D_{\alpha+\beta} &= \begin{pmatrix*}[r] \cos(\alpha+\beta)&-\sin(\alpha+\beta) \\ \sin(\alpha+\beta)& \cos(\alpha+\beta) \end{pmatrix*} \\ = D_{\alpha}D_{\beta} &= \begin{pmatrix*}[r] \cos\alpha&-\sin\alpha\\ \sin\alpha&\cos\alpha \end{pmatrix*} \begin{pmatrix*}[r] \cos\beta&-\sin\beta\\ \sin\beta&\cos\beta \end{pmatrix*} \\ &= \begin{pmatrix} \cos\alpha\cos\beta-\sin\alpha\sin\beta & -\cos\alpha\sin\beta -\sin\alpha\cos\beta\\\ \cos\alpha\sin\beta+\sin\alpha\cos\beta & \cos\alpha\cos\beta-\sin\alpha\sin\beta \end{pmatrix} \end{align*} Aus dem Vergleich der beiden Matrizen liest man die Additionstheoreme. \begin{satz} Für $\alpha,\beta\in\mathbb{R}$ gilt \begin{align*} \sin(\alpha\pm\beta) &= \cos\alpha\cos\beta\mp\sin\alpha\sin\beta \\ \cos(\alpha\pm\beta) &= \cos\alpha\cos\beta\pm\sin\alpha\sin\beta \end{align*} \end{satz} Ein besonders einfacher Spezialfalls ist $\alpha=\beta$, es ergben sich die Doppelwinkelformeln \begin{align*} \cos2\alpha &= \cos^2\alpha-\sin^2\alpha \\ \sin2\alpha &= 2\cos\alpha\sin\alpha. \end{align*} In der Formel für $\cos2\alpha$ kann die rechte Seite durch nur eine Winkelfunktion ausdrücken: \begin{align*} \cos2\alpha &= \cos^2\alpha - (1-\cos^2\alpha) = 2\cos^2\alpha -1 \\ \cos2\alpha &= (1-\sin^2\alpha) - \sin^2\alpha = 1-2\sin^2\alpha. \end{align*} Beide Ausdrücke lassen sich leicht nach den Funktionen auf der rechten Seite auflösen, so erhält man die Halbwinkelformeln \begin{align*} \cos^2\alpha &= \frac{1+\cos2\alpha}2 &&\Rightarrow& \cos^2\frac{\alpha}2 &=\frac{1+\cos\alpha}2 \\ \sin^2\alpha &= \frac{1-\sin2\alpha}2 &&\Rightarrow& \sin^2\frac{\alpha}2 &= \frac{1-\sin\alpha}2. \end{align*} Der letzte Ausdruck ist auch bekannt als der Semiversus. \subsubsection{Funktionen für mehrfache Winkel} Die Additionstheoreme können dazu verwendet werden, Formeln für die Werte der trigonometrischen Funktionen mehrfacher Winkel zu finden. Die Berechnung kann etwas vereinfacht werden, wenn man die Drehmatrix mit Hilfe der Matrix \[ J=\begin{pmatrix}0&-1\\1&0\end{pmatrix} \] als \[ D_{\alpha} = E \cos\alpha + J \sin\alpha \] schreiben. Die Potenzen von $J$ sind \[ J^2 = -E,\quad J^3 = -J \quad\text{und}\quad J^4 = E. \] Daraus ergibt sich \begin{align*} D_{n\alpha} = (D_{\alpha})^n &= (E\cos\alpha+J\sin\alpha)^n \\ &= \sum_{k=0}^n \binom{n}{k}\cos^{n-k}\alpha\sin^{k}\alpha J^k \\ &= \sum_{l=0}^{\lfloor\frac{n}2\rfloor} (-1)^l \binom{n}{2l}\cos^{n-2l}\alpha \sin^{2l}\alpha - J \sum_{l=0}^{\lfloor\frac{n}2\rfloor} (-1)^l \binom{n}{2l+1}\cos^{n-2l-1}\alpha \sin^{2l+1}\alpha \intertext{Durch Vergleich mit der Matrix $D_{n\alpha}$ findet man die Formeln für die Funktionen des $n$-fachen Winkels:} \cos n\alpha &= \sum_{l=0}^{\lfloor\frac{n}2\rfloor} (-1)^l \binom{n}{2l}\cos^{n-2l}\alpha \sin^{2l}\alpha \\ \sin n\alpha &= - \sum_{l=0}^{\lfloor\frac{n}2\rfloor} (-1)^l \binom{n}{2l+1}\cos^{n-2l-1}\alpha \sin^{2l+1}\alpha \end{align*} Für kleine Werte von $n$ sind die Formeln einigermassen übersichtlich, zum Beispiel für $n=3$: \begin{align*} \cos 3\alpha &= \cos^3\alpha-3\cos\alpha\sin^2\alpha = \cos^3\alpha-3\cos\alpha(1-\cos^2\alpha) \\ &= 4\cos^3\alpha-3\cos\alpha \\ \sin 3\alpha &= -3\cos^2\alpha\sin\alpha + \sin^3\alpha = -3(1-\sin^2\alpha)\sin\alpha+\sin^3\alpha \\ &= 4\sin^3\alpha -3\sin\alpha \end{align*} Indem man diese Formeln als kubische Gleichungen für die Unbekannte $\cos\alpha$ bzw.~$\sin\alpha$ betrachtet, kann man durch Lösung der Gleichung zum Beispiel mit der Formel von Cardano % XXX Verweis auf die Formel von Cardano zu gegebenen Werten von $\cos 3\alpha$ und $\sin 3 \alpha$ die Werte von $\cos\alpha$ und $\sin\alpha$ durch rein algebraische Operationen bestimmen. \subsubsection{Eine Tabelle der Werte der trigonometrischen Funktionen aufstellen} \subsection{Differentialgleichungen}