% % hypergeometrisch.tex % % (c) 2021 Prof Dr Andreas Müller, OST Ostschweizer Fachhochschule % \section{Hypergeometrische Funktionen \label{buch:rekursion:section:hypergeometrische-funktion}} \rhead{Hypergeometrische Funktionen} Kann man eine Formel für die Lösung $S_n$ der lineare Differenzengleichung \[ n^3S_{n} = 16(n-{\textstyle\frac12})(2n^2-2n+1)S_{n-1} -256(n-1)^3S_3 \] mit Anfangswerten $S_0=1$ und $S_1=8$ angeben? Dies scheint auf den ersten Blick unmöglich kompliziert, man kann aber zeigen, dass \[ S_n = \sum_{k=0}^n \binom{2n-2k}{n-k}^2 \binom{2k}{k}^2 \] gilt (\cite[p.~xi]{buch:ab}). Die Lösung ist also eine Summe von Summanden, die sehr viel einfacher aussehen und vor allem die besondere Eigenschaft haben, dass die Quotienten aufeinanderfolgender Terme rationale Funktionen von von $k$ sind. % XXX Quotient berechnen Eine besonders simple solche Funktion ist die geometrische Reihe, die im Abschnitt~\ref{buch:rekursion:hypergeometrisch:geometrisch} in Erinnerung gerufen wird. Abschnitt~\ref{buch:rekursion:hypergeometrisch:reihen} definiert den Begriff der hypergeometrischen Reihe und zeigt, wie sie in eine Standardform gebracht werden können. In Abschnitt~\ref{buch:rekursion:hypergeometrisch:beispiele} schliesslich wird an Hand von Beispielen gezeigt, wie bekannte Funktionen als hypergeometrische Funktionen interpretiert werden können. \subsection{Die geometrische Reihe \label{buch:rekursion:hypergeometrisch:geometrisch}} Die besonders einfache Potenzreihe \[ f(q) = \sum_{k=0}^\infty aq^k \] heisst die {\em geometrische Reihe}. Die Partialsummen \[ S_n = \sum_{k=0}^n aq^k \] kann mit der Differenz \begin{equation} (1-q)S_n = S_n - qS_n = \sum_{k=0}^n aq^k - \sum_{k=1}^{n+1} aq^k = a -aq^{n+1} \label{buch:rekursion:hypergeometrisch:eqn:qsumme} \end{equation} berechnet werden, die man nach \begin{equation} S_n = a\frac{1-q^{n+1}}{1-q} \label{buch:rekursion:hypergeometrisch:eqn:geomsumme} \end{equation} auflösen kann. Fü $q<1$ geht $q^n\to 0$ und damit konvergiert $S_n$ gegen \[ \sum_{k=0}^\infty aq^k = a\frac{1}{1-q}. \] Die geometrische Reihe ist charakterisiert dadurch, dass aufeinanderfolgende Terme den gleichen Quotienten \[ \frac{aq^{k+1}}{aq^k} = q \] haben. Die Berechnung der Summe in \eqref{buch:rekursion:hypergeometrisch:eqn:qsumme} beruht darauf, dass die Multiplikation mit $q$ einen ``anderen'' Teil der Summe ergibt, der sich in der Differenze weghebt. \subsection{Hypergeometrische Reihen \label{buch:rekursion:hypergeometrisch:reihen}} Es ist plausibel, dass eine etwas lockerere Bedingung an die Quotienten aufeinanderfolgender Terme einer Reihe immer noch ermöglichen wird, interessante Aussagen über die durch die Reihe beschriebenen Funktionen zu machen. \begin{definition} Eine Reihe \[ f(x) = \sum_{k=0}^\infty a_k x^k \] heisst {\em hypergeometrisch}, wenn der Quotient aufeinanderfolgender Koeffizienten eine rationale Funktion von $k$ ist, wenn also \[ \frac{a_{k+1}}{a_k} = \frac{p(k)}{q(k)} \] mit Polynomen $p(k)$ und $q(k)$ ist. \end{definition} Die geometrische Reihe ist natürlich eine hypergeometrische Reihe, wobei $p(k)/q(k)=1$ ist. Etwas interessanter ist die Exponentialfunktion, durch die Taylor-Reihe \[ e^x = \sum_{k=0}^\infty \frac{x^k}{k!} \] dargestellt werden kann. Der Quotient aufeinanderfolgender Koeffizienten ist \[ \frac{a_{k+1}}{a_k} = \frac{1/(k+1)!}{1/k!} = \frac{k!}{(k+1)!} = \frac{1}{k+1}, \] eine rationale Funktion mit Zählergrad $0$ und Nennergrad $1$. Die Kosinus-Funktion wird durch die Taylor-Reihe \[ \cos x = \sum_{k=0}^\infty \frac{(-1)^k}{(2k)!} x^{2k} \] dargestellt. Als Potenzreihe in $x$ kann die Kosinus-Reihe nicht hypergeometrisch sein, die ungeraden Koeffizienten verschwinden und damit undefinierte Quotienten haben. Als Reihe in $z=x^2$ ist aber \[ \sum_{k=0}^\infty \frac{(-1)^k}{(2k)!} z^k \qquad\Rightarrow\qquad a_k = \frac{(-1)^k}{(2k)!} \] hypergeometrisch, weil der Quotient aufeinanderfolgender Koeffizienten \[ \frac{a_{k+1}}{a_k} = \frac{(-1)^{k+1}}{(2k+2)!}\cdot \frac{(2k)!}{(-1)^k} = -\frac{1}{(2k+2)(2k+1)}, \] eine rationale Funktion mit Zählergrad $0$ und Nennergrad $2$. Es gibt also eine hypergeometrische Reihe $f(z)$ derart, dass $\cos x = f(x^2)$ ist. Seien $p(k)$ und $q(k)$ zwei Polynome derart, dass \[ \frac{a_{k+1}}{a_k} = \frac{p(k)}{q(k)}. \] Daraus lässt sich der Koeffizient $a_{k+1}$ als \begin{equation} a_{k+1} = \frac{p(k)}{q(k)} \cdot a_k = \frac{p(k)}{q(k)} \cdot \frac{p(k-1)}{q(k-1)} \cdot a_{k-1} =\dots= \frac{p(k)}{q(k)} \frac{p(k-1)}{q(k-1)} \cdots \frac{p(1)}{q(1)} \frac{p(0)}{q(0)} a_0 \label{buch:rekursion:hypergeometrisch:ak+1} \end{equation} berechnen. Alle Koeffizienten haben also den Faktor $a_0=f(0)$ gemeinsam. Die Produkte von Quotienten $p(k)/q(k)$ sollen jetzt weiter vereinfacht werden. Sei $n$ der Grad von $p(k)$ und $m$ der Grad von $q(k)$. Dazu nehmen wir an, dass $a_i$, $i=1,\dots,n$ die Nullstellen von $p(k)$ sind und $b_j$, $j=1,\dots,m$ die Nullstellen von $q(k)$, dass man also die Polynome als \begin{align*} p(k) &= x(k-a_1)(k-a_2)\cdots(k-a_n) \\ q(k) &= (k-b_1)(k-b_2)\cdots(k-b_m) \end{align*} schreiben kann. Der Faktor $x$ ist nötig, weil die Polynome $p(k)$ und $q(k)$ nicht notwendigerweise normiert sind. Um das Produkt der Quotienten zu vereinfachen, nehmen wir für den Moment an, dass Zähler und Nenner vom Grad $n=m=1$ ist. Dann ist nach \eqref{buch:rekursion:hypergeometrisch:ak+1} \[ a_{k} = x^{k} \frac{ (k-1-a_1) \cdots (2-a_1)(1-a_1)(0-a_1) }{ (k-1-b_1) \cdots (2-b_1)(1-b_1)(0-b_1) } = \frac{(-a_1)_k}{(-b_1)_k} x^k. \] Die Koeffizienten können daher als Quotienten von Pochhammer-Symbolen geschrieben werden. Für Polynome $p(k)$ und $q(k)$ höheren Grades sind die Koeffizienten von der Form \[ a_k = \frac{(-a_1)_k(-a_2)_k\cdots (-a_n)_k}{(-b_1)_k(-b_2)_k\cdots(-b_m)_k} x^ka_0. \] Jede hypergeometrische Reihe kann daher in der Form \[ a_0 \sum_{k=0}^\infty \frac{(-a_1)_k(-a_2)_k\cdots (-a_n)_k}{(-b_1)_k(-b_2)_k\cdots(-b_m)_k} x^k \] geschrieben werden. \begin{definition} \label{buch:rekursion:hypergeometrisch:def} Die hypergeometrische Funktion $\mathstrut_pF_q$ ist definiert durch die Reihe \[ \mathstrut_pF_q \biggl( \begin{matrix} a_1,\dots,a_p\\ b_1,\dots,b_q \end{matrix} ; x \biggr) = \mathstrut_pF_q(a_1,\dots,a_p;b_1,\dots,b_q;x) = \sum_{k=0}^\infty \frac{(a_1)_k\cdots(a_p)_k}{(b_1)_k\cdots(b_q)_k}\frac{x^k}{k!}. \] \end{definition} Da $(1)_k=k!$ hätte die Definition den Nenner $k!$ in der Reihe auch durch eines der Pochhammer-Symbole ausdrücken können. Wird dieser Nenner nicht gebraucht, kann man ihn durch einen zusätzlichen Faktor $(1)_k$ im Zähler des Bruchs von Pochhammer-Symbolen kompensieren, wodurch sich der Grad $p$ des Zählers natürlich um $1$ erhöht. Die oben analysierte Summe $S$ kann mit der Definition als \[ S = a_0 \, \mathstrut_{n+1}F_m \biggl( \begin{matrix} -a_1,-a_2,\dots,-a_n,1\\ -b_1,-b_2,\dots,-a_m \end{matrix}; x \biggr) \] beschrieben werden. \subsection{Beispiele von hypergeometrischen Funktionen \label{buch:rekursion:hypergeometrisch:beispiele}} Viele der bekannten Reihenentwicklungen häufig verwendeter Funktionen lassen sich durch die hypergeometrischen Funktionen von Definition~\ref{buch:rekursion:hypergeometrisch:def} ausdrücken. In diesem Abschnitt werden einige Beispiel dazu gegeben. \subsubsection{Die geometrische Reihe} In der geometrischen Reihe fehlt der Nenner $k!$, es braucht daher einen Term $(1)_k$ im Zähler, um den Nenner zu kompensieren. Somit ist die geometrische Reihe \[ \frac{a}{1-x} = \sum_{k=0}^\infty ax^k = a\sum_{k=0}^\infty \frac{(1)_k}{1} \frac{x^k}{k!} = a\,\mathstrut_1F_0(1,x). \] \subsubsection{Exponentialfunktion} Die Exponentialfunktion ist die Reihe \[ e^x = \sum_{k=0}^\infty \frac{x^k}{k!}. \] In diesem Fall werden keine Quotienten von Pochhammer-Symbolen benötigt, es ist daher \[ e^x = \mathstrut_0F_0(x). \] \subsubsection{Wurzelfunktion} Die Wurzelfunktion $x\mapsto \sqrt{x}$ hat keine Taylor-Entwicklung in $x=0$, aber die Funktion $x\mapsto\sqrt{1+x}$ hat die Taylor-Reihe \[ \sqrt{1+x} = 1 + \frac12 x - \frac{1\cdot 1}{2\cdot 4}x^2 + \frac{1\cdot 1\cdot 3}{2\cdot 4\cdot 6}x^3 - \frac{1\cdot 1\cdot 3\cdot 5}{2\cdot 4\cdot 6\cdot 8}x^4 + \dots \] Um die Verbindung zu einer hypergeometrischen Funktion herzustellen, müssen wir den Term $x^k/k!$ abspalten. Dann wird \begin{align*} \sqrt{1+x} &= 1 + \frac12 \frac{x}{1!} - \frac{1\cdot 1}{2^2}\frac{x^2}{2!} + \frac{1\cdot 1\cdot 3}{2^3}\frac{x^3}{3!} - \frac{1\cdot 1\cdot 3\cdot 5}{2^4}\frac{x^4}{4!} + \dots \\ &= 1 + \frac12 \cdot\frac{x}{1!} - \frac{1}{2}\cdot \frac{1}{2}\cdot\frac{x^2}{2!} + \frac{1}{2}\cdot \frac{1}2\cdot \frac{3}{2}\cdot\frac{x^3}{3!} - \frac{1}{2}\cdot \frac{1}{2}\cdot \frac{3}{2}\cdot \frac{5}{2}\cdot\frac{x^4}{4!} + \dots \end{align*} Es ist noch etwas undurchsichtig, warum die ersten beiden Terme das gleiche Vorzeichen haben und warum der Faktor $\frac12$ in jedem Term zweimal vorkommt. Diese Unklarheit kann jedoch beseitigt werden, wenn man den ersten Faktor als $-\frac12$ schreibt: \begin{align*} \sqrt{1+x} &= 1 - \biggl(-\frac12\biggr)\cdot\frac{x}{1!} + \biggl(-\frac{1}{2}\biggr)\cdot \frac{1}{2}\cdot\frac{x^2}{2!} - \biggl(-\frac{1}{2}\biggr)\cdot \frac{1}2\cdot \frac{3}{2}\cdot\frac{x^3}{3!} + \biggl(-\frac{1}{2}\biggr)\cdot \frac{1}{2}\cdot \frac{3}{2}\cdot \frac{5}{2}\cdot\frac{x^4}{4!} + \dots \\ &= 1 + \biggl(-\frac12\biggr)\cdot\frac{-x}{1!} + \biggl(-\frac{1}{2}\biggr)\cdot \frac{1}{2}\cdot\frac{(-x)^2}{2!} + \biggl(-\frac{1}{2}\biggr)\cdot \frac{1}2\cdot \frac{3}{2}\cdot\frac{(-x)^3}{3!} + \biggl(-\frac{1}{2}\biggr)\cdot \frac{1}{2}\cdot \frac{3}{2}\cdot \frac{5}{2}\cdot\frac{(-x)^4}{4!} + \dots \end{align*} Die Koeffizienten sind aufsteigende Produkte mit $k$ Faktoren, die alle bei $-\frac12$ beginnen, sie können daher als Pochhammer-Symbole $(-\frac12)_k$ geschrieben werden. Die Wurzelfunktion ist daher die hypergeometrische Funktion \[ \sqrt{1\pm x} = \sum_{k=0}^\infty \biggl(-\frac12\biggr)_k \frac{(-x)^k}{k!} = \mathstrut_1F_0(-{\textstyle\frac12};\mp x). \] \subsubsection{Logarithmusfunktion} Für $x\in (-1,1)$ konvergiert die Taylor-Reihe \[ \log(1+x) = x-\frac{x^2}{2}+\frac{x^3}{3}-\frac{x^4}{4}+\dots \] der Logarithmusfunktion im Punkt $x=0$. Die Reihe beginnt nicht mit einem konstanten Term, daher klammern wir zunächst einen Faktor $x$ aus: \[ \log(1+x) = x\cdot \biggl( 1-\frac{x}{2}+\frac{x^2}{3}-\frac{x^3}{4}+\dots \biggr) \] Um dies in die Form einer hypergeometrischen Funktion zu bringen, muss zunächst wieder der Nenner $k!$ hergestellt werden. \begin{align*} \log(1+x) &= x\cdot\biggl( 1 - \frac{1!}{2} \frac{x}{1!} + \frac{2!}{3} \frac{x^2}{2!} - \frac{3!}{4} \frac{x^3}{3!}+\dots \biggr). \intertext{Den Nenner $k+1$ kann man als Quotienten $k!/(k+1)!$ erhalten, also} \log(1+x) &= x\cdot\biggl( 1 - \frac{(1!)^2}{2!} \frac{x}{1!} + \frac{(2!)^2}{3!} \frac{x^2}{2!} - \frac{(3!)^2}{4!} \frac{x^3}{3!}+\dots \biggr). \end{align*} Die Fakultät \[ (k+1)! = 1\cdot 2 \cdot 3 \cdot\ldots\cdot k\cdot (k+1) = 2 \cdot (2 + 1) \cdot (2+2) \cdot\ldots\cdot (2+k-2) \cdot (2+k-1) = (2)_{k} \] ist auch ein Pochhammer-Symbol, so dass die Logarithmusfunktion zur hypergeometrischen Funktion \[ \log(1+x) = x\cdot\biggl( 1 + \frac{(1)_1(1)_1}{(2)_1} \frac{(-x)}{1!} + \frac{(1)_2(1)_2}{(2)_2} \frac{(-x)^2}{2!} + \frac{(1)_3(1)_3}{(2)_2} \frac{(-x)^3}{3!}+\dots \biggr) = x\cdot \mathstrut_2F_1\biggl(\begin{matrix}1,1\\2\end{matrix};-x\biggr). \] \subsubsection{Trigonometrische Funktionen} Die Kosinus-Funktion wurde bereits als hypergeometrische Funktion erkannt, im Folgenden soll dies auch noch für die Sinus-Funktion durchgeführt werden. Die Taylor-Reihe der Sinus-Funktion im Punkt $0$ ist \begin{align*} \sin x &= x-\frac{x^3}{3!}+\frac{x^5}{5!}-\frac{x^7}{7!}+\dots \end{align*} In dieser Reihe fehlen die geraden Potenzen, wir Klammern daher einen Faktor $x$ aus und schreiben den Rest als eine Funktion von $-x^2$ \begin{align*} \sin x &= x \biggl( 1+\frac{-x^2}{3!}+\frac{(-x^2)^2}{5!}-\frac{(-x^2)^3}{7!}+\dots \biggr) = x f(-x^2). \end{align*} Die Funktion $f(z)$ soll jetzt als hypergeometrische Funktion geschrieben werden. Dazu muss zunächst wieder der Nenner $k!$ wiederhergestellt werden: \[ f(z) = 1 + \frac{1!}{3!}\cdot \frac{z}{1!} + \frac{2!}{5!}\cdot \frac{z^2}{2!} + \frac{3!}{7!}\cdot \frac{z^3}{3!} + \dots \] Die Koeffizienten $k!/(2k+1)!$ müssen jetzt durch Pochhammer-Symbole mit jeweils $k$ Faktoren ausgedrückt werden. Dazu muss die Fakultät $(2k+1)!$ in zwei Produkte \[ (2k+1) = 2\cdot 3 \cdot 4\cdot 5\cdot \ldots \cdot 2k \cdot (2k+1) = (2\cdot 4 \cdot 6\cdot\ldots\cdot 2k) \cdot (3\cdot 5\cdot 7\cdot \ldots \cdot (2k+1)) \] aufgespaltet werden. Diese Produkte haben zwar $k$-Faktoren, aber sie sind keine Pochhammer-Symbole, weil die Differenz aufeinanderfolgender Faktoren jeweils $2$ ist. Wir dividieren die geraden Faktoren durch $2$ und dividieren die ungeraden durch $2$, dadurch ändert sich das Produkt nicht und wird \[ (2k+1)! = (1\cdot2\cdot3\cdot\ldots\cdot k) \cdot \biggl( \frac{3}{2}\cdot \frac{5}{2}\cdot \frac{7}{2}\cdot \ldots\cdot \frac{2k+1}{2} \biggr) = (1)_k\cdot \biggl(\frac{3}{2}\biggr)_k \] Setzt man dies in die Reihe ein, wird \[ f(z) = \sum_{k=0}^\infty \frac{(1)_k}{(1)_k\cdot (\frac{3}{2})_k} z^k = \mathstrut_1F_2(1;1,\frac{3}{2};z). \] Damit lässt sich die Sinus-Funktion als \begin{equation} \sin x = x\,\mathstrut_1F_2\biggl(\begin{matrix}1\\1,\frac32\end{matrix};-x^2\biggr) = x\,\mathstrut_1F_2\biggl(\begin{matrix}\text{---}\\\frac32\end{matrix};-x^2\biggr) \label{buch:rekursion:hypergeometrisch:eqn:sinhyper} \end{equation} durch eine hypergeometrische Funktion ausdrücken. \subsubsection{Hyperbolische Funktionen} Die für die Sinus-Funktion angewendete Methode lässt sich auch auf die Funktion \begin{align*} \sinh x &= \sum_{k=0}^\infty \frac{x^{2k+1}}{(2k+1)!} \\ &= x \, \biggl( 1+\frac{x^2}{3!} + \frac{x^4}{5!}+\frac{x^6}{7!}+\dots \biggr) \\ &= xf(-x^2) = x\,\mathstrut_1F_2\biggl( \begin{matrix}1\\1,\frac{3}{2}\end{matrix} ;x^2 \biggr) = x\,\mathstrut_0F_1\biggl( \begin{matrix}\text{---}\\,\frac{3}{2}\end{matrix} ;x^2 \biggr). \end{align*} Bis auf das Vorzeichen des Arguments der hypergeometrischen Funktion ist diese Darstellung identisch mit der von $\sin x$. Dies illustriert die Rolle der hypergeometrischen Funktionen als ``grosse Vereinheitlichung'' der bekannten speziellen Funktionen. % % Ableitung und Stammfunktion % \subsection{Ableitung und Stammfunktion hypergeometrischer Funktionen} Sowohl Ableitung wie auch Stammfunktion einer hypergeometrischen Funktion lässt sich immer durch hypergeometrische Reihen ausdrücken. \subsubsection{Ableitung} Wir gehen aus von der Funktion \begin{equation} f(x) = \mathstrut_nF_m\biggl( \begin{matrix}a_1,\dots,a_n\\b_1,\dots,b_m\end{matrix}; x\biggr) = \sum_{k=0}^\infty \frac{ (a_1)_k\cdot\ldots\cdot(a_n)_k }{ (b_1)_k\cdot\ldots\cdot(b_m)_k } \frac{x^k}{k!}. \label{buch:rekursion:hypergeometrisch:eqn:f} \end{equation} Die Ableitung von $f(x)$ ist \[ f'(x) = \sum_{k=0}^\infty \frac{ (a_1)_k\cdot\ldots\cdot(a_n)_k }{ (b_1)_k\cdot\ldots\cdot(b_m)_k } \frac{x^{k-1}}{(k-1)!} = \sum_{k=1}^\infty \frac{ (a_1)_{k+1}\cdot\ldots\cdot(a_n)_{k+1} }{ (b_1)_{k+1}\cdot\ldots\cdot(b_m)_{k+1} } \frac{x^k}{k!}. \] Der Koeffizient besteht zwar aus lauter Pochhammer-Symbolen, aber sie haben jeweils zu einen Faktor zuviel. Indem man den jeweils ersten Faktor ausklammert, kann man die Terme wieder in die Form einer hypergeometrischen Reihe bringen. \begin{align*} f'(x) &= \sum_{k=1}^\infty \frac{ a_1(a_1)_{k}\cdot\ldots\cdot a_n(a_n)_{k} }{ b_1(b_1)_{k}\cdot\ldots\cdot b_m(b_m)_{k} } \frac{x^k}{k!} \\ &= \sum_{k=1}^\infty \frac{ a_1\cdot\ldots\cdot a_n }{ b_1\cdot\ldots\cdot b_m } \frac{ (a_1+1)_{k}\cdot\ldots\cdot(a_n+1)_{k} }{ (b_1+1)_{k}\cdot\ldots\cdot(b_m+1)_{k} } \frac{x^k}{k!} \\ &= \frac{ a_1\cdot\ldots\cdot a_n }{ b_1\cdot\ldots\cdot b_m } \, \mathstrut_nF_m\biggl( \begin{matrix}a_1+1,\dots,a_n+1\\b_1+1,\dots,b_m+1\end{matrix}; x\biggr). \end{align*} \begin{beispiel} Die Kosinus-Funktion \[ \cos x = 1 - \frac{x^2}{2!} + \frac{x^4}{4!} - \frac{x^6}{6!} + \dots = \sum_{k=0}^\infty \frac{(-1)^k}{(2k)!}x^{2k} \] kann wie folgt als hypergeometrische Funktion geschrieben werden. Der Nenner hat $2k$ Faktoren, er muss also aus zwei Pochhammer-Symbolen zusammengesetzt werden. Dazu muss er erst um den Faktor $2^{2k}$ gekürzt werden, was \[ \frac{(2k)!}{2^{2k}} = \frac12\cdot\frac32\cdot\frac52\cdot\ldots\cdot\frac{2k-1}2 \cdot \frac22\cdot\frac42\cdot\frac62\cdot\ldots\cdot\frac{2k}2 = ({\textstyle\frac12})_k\cdot k!. \] Damit kann jetzt die Kosinus-Funktion als \begin{align*} \cos x &= \sum_{k=0}^\infty \frac{2^k}{(2k)!}\biggl(\frac{-x^2}{4}\biggr)^k = \sum_{k=0}^\infty \frac{1}{(\frac12)_k} \frac{1}{k!}\biggl(\frac{-x^2}{4}\biggr)^k = \mathstrut_0F_1\biggl(;\frac12;-\frac{x^2}4\biggr) \end{align*} geschrieben werden kann. Die Ableitung der Kosinus-Funktion ist daher \begin{align*} \frac{d}{dx} \cos x &= \frac{d}{dx} \mathstrut_0F_1\biggl(;\frac12;-\frac{x^2}4\biggr) = \frac{1}{\frac12} \, \mathstrut_0F_1\biggl(;\frac32;-\frac{x^2}4\biggr) \cdot\biggl(-\frac{x}2\biggr) = -x \, \mathstrut_0F_1\biggl(;\frac32;-\frac{x^2}4\biggr) \intertext{Dies stimmt mit der in \eqref{buch:rekursion:hypergeometrisch:eqn:sinhyper} gefundenen Darstellung der Sinusfunktion mit Hilfe der hypergeometrischen Funktion $\mathstrut_0F_1$ überein, es ist also wie erwartet} &=-\sin x. \qedhere \end{align*} \end{beispiel} \subsubsection{Stammfunktion} Eine Stammfunktion kann man auf die gleiche Art und Weise wie die Ableitung finden. Termweises Integrieren der Funktion \eqref{buch:rekursion:hypergeometrisch:eqn:f} ergibt \begin{align} \int f(x)\,dx &= \sum_{k=0}^\infty \frac{ (a_1)_k\cdot\ldots\cdot(a_n)_k }{ (b_1)_k\cdot\ldots\cdot(b_m)_k } \frac{x^{k+1}}{(k+1)!}. \notag \intertext{Wieder muss man die Pochhammer-Symbole durch solche mit einem zusätzlichen Faktor schreiben. Dies ist möglich, wenn keiner der Parameter $a_i=1$ und $b_j=1$ ist. Die Stammfunktion wird daher } &= \sum_{k=1}^\infty \frac{ (a_1-1)(a_1)_k \cdot\ldots\cdot (a_n-1)(a_n)_k }{ (b_1-1)(b_1)_k \cdot\ldots\cdot (b_m-1)(b_m)_k } \frac{x^k}{k!} \notag \\ &= \sum_{k=1}^\infty \frac{ (a_1-1)_{k+1} \cdot\ldots\cdot (a_n-1)_{k+1} }{ (b_1-1)_{k+1} \cdot\ldots\cdot (b_m-1)_{k+1} } \frac{x^k}{k!} \label{buch:rekursion:hypergeometrisch:eqn:stammfunktion:summe} \\ &= \mathstrut_nF_m\biggl( \begin{matrix} a_1-1,\dots,a_n-1\\ b_1-1,\dots,b_m-1 \end{matrix} ;x \biggr) - \frac{(a_1-1)\dots(a_n-1)}{(b_1-1)\dots(b_m-1)}. \notag \end{align} Der Term auf der rechten Seite kompensiert den konstanten Term, der in der hypergeometrischen Funktion $\mathstrut_nF_m$ vorkommt, aber nicht in der Summe~\eqref{buch:rekursion:hypergeometrisch:eqn:stammfunktion:summe}. \subsection{Integraldarstellung der hypergeometrischen Funktion $\mathstrut_2F_1$} Das Integral \[ f(x) = \int_0^1 t^{b-1} (1-t)^{c-b-1} (1-xt)^{-a}\,dt \] kann im allgemeinen nicht in geschlossener Form evaluiert werden. Die Newtonsche binomische Reihe ermöglicht, den $x$ enthaltenden Faktor als \[ (1-xt)^{-a} = \sum_{k=0}^\infty \frac{(a)_k}{k!} x^k t^k \] zu schreiben. Setzt man dies ins Integral ein, erhält man \[ f(x) = \sum_{k=0}^\infty \frac{(a)_k}{k!} x^k \int_0^1 t^{b-1} (1-t)^{c-b-1} t^k\,dt = \sum_{k=0}^\infty \frac{(a)_k}{k!} x^k \int_0^1 t^{k+b-1} (1-t)^{c-b-1} t^k\,dt. \] Das Integral ist die Beta-Funktion $B(k+b,c-b)$ und kann daher mit Hilfe der Gamma-Funktion geschrieben werden. Es gilt \[ B(k+b,c-b) = \frac{\Gamma(k+b)\Gamma(c-b)}{\Gamma(c+k)}. \] Mit Hilfe der Funktionalgleichung der Gamma-Funktion kann man \begin{align*} \Gamma(u+k) &= \Gamma(u+k-1) (u+k-1) = \Gamma(u+k-2) (u+k-2)(u+k-1) \\ &= \ldots \\ &= \Gamma(u) u(u+1)\cdots(u+k-2)(u+k-1) \end{align*} schreiben, womit das Integral zu \begin{align*} f(x) &= \sum_{k=0}^\infty \frac{(a)_k}{k!} x^k \frac{\Gamma(k+b)\Gamma(c-b)}{\Gamma(c+k)} = \sum_{k=0}^\infty \frac{(a)_k}{k!} x^k \frac{\Gamma(b)(b)_k\Gamma(c-b)}{\Gamma(c)(c)_k} \\ &= \frac{\Gamma(b)\Gamma(c-b)}{\Gamma(c)} \sum_{k=0}^\infty\frac{(a)_k(b)_k}{(c)_k} x^k = \frac{\Gamma(b)\Gamma(c-b)}{\Gamma(c)}\,\mathstrut_2F_1(a,b;c;x) \end{align*} vereinfacht werden kann. Damit ist das Integral bestimmt. Durch Auflösung nach der hypergeometrischen Funktion bekommt man die folgende Integraldarstellung. \begin{satz} Die hypergeometrische Funktion $\mathstrut_2F_1$ hat die Integraldarstellung \[ \mathstrut_2F_1\biggl( \begin{matrix}a,b\\c\end{matrix};x \biggr) = \frac{\Gamma(c)}{\Gamma(b)\Gamma(c-b)} \int_0^1 t^{b-1}(1-t)^{c-b-1}(1-xt)^{-a}\,dt. \] \end{satz}