% % differentialalgebren.tex % % (c) 2021 Prof Dr Andreas Müller, OST Ostschweizer Fachhochschule % \section{Differentialkörper und der Satz von Liouville \label{buch:integrale:section:dkoerper}} \rhead{Differentialkörper und der Satz von Liouville} Das Problem der Darstellbarkeit eines Integrals in geschlossener Form verlangt zunächst einmal nach einer Definition dessen, was man als ``geschlossene Form'' akzeptieren will. Die sogenannten {\em elementaren Funktionen} von Abschnitt~\ref{buch:integrale:section:elementar} bilden dafür den theoretischen Rahmen. Das Problem ist dann die Frage zu beantworten, ob ein Integral eine Stammfunktion hat, die eine elementare Funktion ist. Der Satz von Liouville von Abschnitt~\ref{buch:integrale:section:liouville} löst das Problem. \subsection{Eine Analogie \label{buch:integrale:section:analogie}} % XXX Analogie: Formel für Polynom-Nullstellen % XXX Stammfunktion als elementare Funktion Das Analysis-Problem, eine Stammfunktion zu finden, ist analog zum wohlbekannten algebraischen Problem, Nullstellen von Polynomen zu finden. Wir entwickeln diese Analogie in etwas mehr Detail, um zu sehen, ob man aus dem algebraischen Problem etwas über das Problem der Analysis lernen kann. Für ein Polynom $p(X) = a_nX^n+a_{n-1}X^{n-1}+\dots+a_1X+a_0\in\mathbb{C}[X]$ mit Koeffizienten $a_k\in\mathbb{C}$ ist es sehr einfach, für jede beliebige komplexe Zahl $z\in\mathbb{C}$ den Wert $p(z)$ des Polynoms auszurechnen. Ein paar wenige Rechenregeln genügen dazu, man kann leicht einem Kind beibringen, mit einem Taschenrechner so einen Wert auszurechnen. Ähnlich sieht es mit der Ableitungsoperation aus. Einige wenige Ableitungsregeln, die man in der Analysis~I lernt, erlauben, auf mehr oder weniger mechanische Art und Weise, jede beliebige Funktion abzuleiten. Man kann auch leicht einen Computer dazu programmieren, solche Ableitungen symbolisch zu berechnen. Aus dem Fundamentalsatz der Algebra, der von Gauss vollständig bewiesen wurde, ist bekannt, dass jedes Polynom mit Koeffizienten in $\mathbb{C}$ genau so viele Lösungen in $\mathbb{C}$, wie der Grad des Polynoms angibt. Dies ist aber ein Existenzsatz, er sagt nichts darüber aus, wie man diese Lösungen finden kann. In Spezialfällen, wie zum Beispiel für quadratische Polynome, gibt es spezialsierte Lösungsverfahren, mit denen man Lösungen angeben kann. Natürlich existieren numerische Methoden wie zum Beispiel das Newton-Verfahren, mit dem man Nullstellen von Polynomen beliebig genau bestimmen kann. Der Fundamentalsatz der Integralrechnung besagt, dass jede stetige Funktion eine Stammfunktion hat, die bis auf eine Konstante eindeutig bestimmt ist. Auch dieser Existenzsatz gibt keinerlei Hinweise darauf, wie man die Stammfunktion finden kann. In der Analysis-Vorlesung lernt man viele Tricks, die in einer beindruckenden Zahl von Spezialfällen ermöglichen, ein passende Funktion anzugeben. Man lernt auch numerische Verfahren kennen, mit denen sich Werte der Stammfunktion, also bestimmte Integrale, mit beliebiger Genauigkeit finden kann. Die numerische Lösung des Nullstellenproblems ist insofern unbefriedigend, als sie nur schwer eine Diskussion der Abhängigkeit der Nullstellen von den Koeffizienten des Polynoms ermöglichen. Eine Formel wie die Lösungsformel für die quadratische Gleichung stellt genau für solche Fälle ein ideales Werkzeug bereit. Was man sich also wünscht ist nicht nur einfach eine Lösung, sondern eine einfache Formel zur Bestimmung aller Lösungen. Im Zusammenhang mit algebraischen Gleichungen erwartet man eine Formel, in der nur arithmetische Operationen und Wurzeln vorkommen. Für quadratische Gleichungen ist so eine Formel seit dem Altertum bekannt, Formeln für die kubische Gleichung und die Gleichung vierten Grades wurden im 16.~Jahrhundert von Cardano bzw.~Ferrari gefunden. Erst viel später haben Abel und Ruffini gezeigt, dass so eine allgemeine Formel für Polynome höheren Grades als 4 nicht existiert. Die Galois-Theorie, die auf den Ideen von Évariste Galois beruht, stellt eine vollständige Theorie unter anderem für die Lösbarkeit von Gleichungen durch Wurzelausdrücke dar. Numerische Integralwerte haben ebenfalls den Nachteil, dass damit Diskussionen wie die Abhängigkeit von Parametern eines Integranden nur schwer möglich sind. Was man sich daher wünscht ist eine Formel für die Stammfunktion, die Werte als Zusammensetzung gut bekannter Funktionen wie der Exponential- und Logarithmus-Funktionen oder der trigonometrischen Funktionen sowie Wurzeln, Potenzen und den arithmetischen Operationen. Man sagt, man möchte die Stammfunktion in ``geschlossener Form'' dargestellt haben. Tatsächlich ist dieses Problem auch zu Beginn des 19.~Jahrhunderts von Joseph Liouville genauer untersucht worden. Er hat zunächst eine Klasse von ``elementaren Funktionen'' definiert, die als Darstellungen einer Stammfunktion in Frage kommen. Der Satz von Liouville besagt dann, dass nur Funktionen mit einer ganz speziellen Form eine elementare Stammfunktion haben. Damit wird es möglich, zu entscheiden, ob ein Integrand wie $e^{-x^2}$ eine elementare Stammfunktion hat. Seit dieser Zeit weiss man zum Beispiel, dass die Fehlerfunktion nicht mit den bekannten Funktionen dargestellt werden kann. Mit dem Aufkommen der Computer und vor allem der Computer-Algebra-System (CAS) wurde die Frage nach der Bestimmung einer Stammfunktion erneut aktuell. Die ebenfalls weiter entwickelte abstrakte Algebra hat ermöglicht, die Ideen von Liouville in eine erweiterte, sogenannte differentielle Galois-Theorie zu verpacken, die eine vollständige Lösung des Problems darstellt. Robert Henry Risch hat in den Sechzigerjahren auf dieser Basis einen Algorithmus entwickelt, mit dem es möglich wird, zu entscheiden, ob eine Funktion eine elementare Stammfunktion hat und diese gegebenenfalls auch zu finden. Moderne CAS implementieren diesen Algorithmus in Teilen, besonders weit zu gehen scheint das quelloffene System Axiom. Der Risch-Algorithmus hat allerdings eine Achillesferse: er benötigt eine Method zu entscheiden, ob zwei Ausdrücke übereinstimmen. Dies ist jedoch ein im Allgemeinen nicht entscheidbares Problem. Moderne CAS treiben einigen Aufwand, um die Gleichheit von Ausdrücken zu entscheiden, sie können das Problem aber grundsätzlich nicht vollständig lösen. Damit kann der Risch-Algorithmus in praktischen Anwendungen das Stammfunktionsproblem ebenfalls nur mit Einschränkungen lösen, die durch die Fähigkeiten des Ausdrucksvergleichs in einem CAS gesetzt werden. Im Folgenden sollen elementare Funktionen definiert werden, es sollen die Grundideen der differentiellen Galois-Theorie zusammengetragen werden und der Satz von Liouvill vorgestellt werden. An Hand der Fehler-Funktion soll dann gezeigt werden, wie man jetzt einsehen kann, dass die Fehlerfunktion nicht elementar darstellbar ist. Im nächsten Abschnitt dann soll der Risch-Algorithmus skizziert werden. \subsection{Elementare Funktionen \label{buch:integrale:section:elementar}} \subsubsection{Rationale Funktionen} \subsubsection{Wurzeln} \subsubsection{Die trigonometrischen Funktionen} \subsection{Differentielle Algebra \label{buch:integrale:section:dalgebra}} \subsubsection{Ableitungsoperation} \subsubsection{Logarithmen und Exponentiale} \subsubsection{Elementare Körpererweiterungen} \subsection{Der Satz von Liouville \label{buch:integrale:section:liouville}} \subsection{Die Fehlerfunktion ist keine elementare Funktion \label{buch:integrale:section:fehlernichtelementar}}