% % elementar.tex % % (c) 2022 Prof Dr Andreas Müller, OST Ostschweizer Fachhochschlue % \subsection{Elementare Funktionen \label{buch:integral:subsection:elementar}} Etwas allgemeiner kann man sagen, dass in den Beispielen~\eqref{buch:integration:risch:eqn:integralbeispiel2} algebraische Erweiterungen von $\mathbb{Q}(x)$ und Erweiterungen um Logarithmen oder Exponentialfunktionen vorgekommen sind. Die Stammfunktionen verwenden dieselben Funktionen oder höchstens Erweiterungen um Logarithmen von Funktionen, die man schon im Integranden gesehen hat. % % Exponentielle und logarithmische Funktione % \subsubsection{Exponentielle und logarithmische Funktionen} In Abschnitt~\ref{buch:integral:subsection:diffke} haben wir bereits die Exponentialfunktion $e^x$ und die Logarithmusfunktion $\log x$ charakterisiert als eine Körpererweiterung durch Elemente, die der Differentialgleichung \[ \exp' = \exp \qquad\text{und}\qquad \log' = \frac{1}{x} \] genügen. Für die Stammfunktionen, die in Abschnitt~\ref{buch:integral:subsection:logexp} gefunden wurden, sind aber Logarithmusfunktionen nicht von $x$ sondern von beliebigen über $\mathbb{Q}$ algebraischen Elementen nötig. Um zu verstehen, wie wir diese Funktion als Körpererweiterung erhalten könnten, betrachten wir die Ableitung einer Exponentialfunktion $\vartheta(x) = \exp(f(x))$ und eines Logarithmus $\psi(x) = \log(f(x))$, wie man sie mit der Kettenregel berechnet hätte: \begin{align*} \vartheta'(x) &=\exp(f(x)) \cdot f'(x) & \psi'(x) &= \frac{f'(x)}{f(x)} \quad\Leftrightarrow\quad f(x)\psi'(x) = f'(x). \end{align*} Dies motiviert die folgende Definition \begin{definition} \label{buch:integral:def:explog} Sei $\mathscr{F}$ ein Differentialklörper und $f\in\mathscr{F}$. Ein Exponentialfunktion von $f$ ist ein $\vartheta\in \mathscr{F}$mit $\vartheta' = \vartheta f'$. Ein Logarithmus von $f$ ist ein $\vartheta\in\mathscr{F}$ mit $f\vartheta'=f'$. \end{definition} Für $f=x$ mit $f'=1$ reduziert sich die Definition~\ref{buch:integral:def:explog} auf die Definition der Exponentialfunktion $\exp(x)$ und Logarithmusfunktion $\log(x)$ auf Seite~\pageref{buch:integral:expundlog}. % % % \subsubsection{Transzendente Körpererweiterungen} Die Wurzelfunktionen haben wir früher als algebraische Erweiterungen eines Differentialkörpers erkannt. Die logarithmischen und exponentiellen Elemente gemäss Definition~\ref{buch:integral:def:explog} sind nicht algebraisch. \begin{definition} \label{buch:integral:def:transzendent} Sei $\mathscr{F}\subset\mathscr{G}$ eine Körpererweiterung und $\vartheta\in\mathscr{G}$. $\vartheta$ heisst {\em transzendent}, wenn $\vartheta$ nicht algebraisch ist. \end{definition} \begin{beispiel} Die Funktion $f = e^x + e^{2x} + e^{x/2}$ ist sicher transzendent, in diesem Beispiel zeigen wir, dass es mindestens drei verschiedene Möglichkeiten gibt, eine Körpererweiterung von $\mathbb{Q}(x)$ zu konstruieren, die $f$ enthält. Erste Möglichkeit: $f=\vartheta_1 + \vartheta_2 + \vartheta_3$ mit $\vartheta_1=e^x$, $\vartheta_2=e^{2x}$ und $\vartheta_3=e^{x/2}$. Jedes der Elemente $\vartheta_i$ ist exponentiell über $\mathbb{Q}(x)$ und $f$ ist in \[ \mathbb{Q}(x) \subset \mathbb{Q}(x,\vartheta_1) \subset \mathbb{Q}(x,\vartheta_1,\vartheta_2) \subset \mathbb{Q}(x,\vartheta_1,\vartheta_2,\vartheta_3) \ni f. \] Jede dieser Körpererweiterungen ist transzendent. Zweite Möglichkeit: $\vartheta_1=e^x$ ist exponentiell über $\mathbb{Q}(x)$ und $\mathbb{Q}(x,\vartheta_1)$ enthält wegen \[ (\vartheta_1^2)' = 2\vartheta_1\vartheta_1' = 2\vartheta_1^2, \] somit ist $\vartheta_1^2=\vartheta_2$ eine Exponentialfunktion von $2x$ über $\mathbb{Q}(x)$. Das Element $\vartheta_3=e^{x/2}$ ist zwar auch exponentiell über $\mathbb{Q}(x)$, es ist aber auch eine Nullstelle des Polynoms $m(z)=z^2-[\vartheta_1]$. Die Erweiterung $\mathbb{Q}(x,\vartheta_1)\subset\mathbb{Q}(x,\vartheta_1,\vartheta_3)$ ist eine algebraische Erweiterung, die $f=\vartheta_1 + \vartheta_1^2+\vartheta_3$ enthält. Dritte Möglichkeit: $\vartheta_3=e^{x/2}$ ist exponentiell über $\mathbb{Q}(x)$. Die transzendente Körpererweiterung \[ \mathbb{Q}(x) \subset \mathbb{Q}(x,\vartheta_3) \] enthält das Element $f=\vartheta_3^4+\vartheta_3^2 + \vartheta_3 $. \end{beispiel} Das Beispiel zeigt, dass man nicht sagen kann, dass eine Funktion ausschliesslich in einer algebraischen oder transzendenten Körpererweiterung zu finden ist. Vielmehr gibt es für die gleiche Funktion möglicherweise verschiedene Körpererweiterungen, die alle die Funktion enthalten können. % % Elementare Funktionen % \subsubsection{Elementare Funktionen} Die Stammfunktionen~\eqref{buch:integration:risch:eqn:integralbeispiel2} können aufgebaut werden, indem man dem Körper $\mathbb{Q}(x)$ schrittweise sowohl algebraische wie auch transzendente Elemente hinzufügt, wie in der folgenden Definition, die dies für abstrakte Differentialkörpererweiterungen formuliert. \begin{definition} Eine Körpererweiterung $\mathscr{F}\subset\mathscr{G}$ heisst {\em transzendente elementare Erweiterung}, wenn $\mathscr{G} = \mathscr{F}(\vartheta_1,\dots,\vartheta_n)$ und jedes der Element $\vartheta_i$ transzendent und logarithmisch oder exponentiell ist über $\mathscr{F}_{i-1}=\mathscr{F}(\vartheta_1,\dots,\vartheta_{i-1})$. Die Körpererweiterung $\mathscr{F}\subset\mathscr{G}$ heisst {\em elementare Erweiterung}, wenn $\mathscr{G} = \mathscr{F}(\vartheta_1,\dots,\vartheta_n)$ und jedes Element $\vartheta_i$ ist entweder logarithmisch, exponentiell oder algebraisch über $\mathscr{F}_{i-1}$. \end{definition} Die Funktionen, die als akzeptable Stammfunktionen für das Integrationsproblem in Betracht kommen, sind also jene, die in einer geeigneten elementaren Erweiterung des von $\mathbb{Q}(x)$ liegen. Ausserdem können auch noch weitere Konstanten nötig sein, sowohl algebraische Zahlen wie auch Konstanten wie $\pi$ oder $e$. \begin{definition} Sei $\mathscr{K}(x)$ der Differentialklörper der rationalen Funktionen über dem Konstantenkörper $\mathscr{K}\supset\mathbb{Q}$, der in $\mathbb{C}$ enthalten ist. Ist $\mathscr{F}\supset \mathscr{K}(x)$ eine transzendente elementare Erweiterung von $\mathscr{K}(x)$, dann heisst $\mathscr{F}$ ein Körper von {\em transzendenten elementaren Funktionen}. Ist $\mathscr{F}$ eine elementare Erweiterung von $\mathscr{K}(x)$, dann heisst $\mathscr{F}$ ein Körper von {\em elementaren Funktionen}. \end{definition} \subsubsection{Das Integrationsproblem} Die elementaren Funktionen enthalten alle Funktionen, die sich mit arithmetischen Operationen, Wurzeln, Exponentialfunktionen, Logarithmen und damit auch mit trigonometrischen und hyperbolischen Funktionen und ihren Umkehrfunktionen aus den rationalen Zahlen, der unabhängigen Variablen $x$ und möglicherweise einigen zusätzlichen Konstanten aufbauen lassen. Sei also $f$ eine Funktion in einem Körper von elementaren Funktionen \[ \mathscr(F) = \mathbb{Q}(\alpha_1,\dots,\alpha_l)(x,\vartheta_1,\dots,\vartheta_n). \] Eine elementare Stammfunktion ist eine Funktion $F=\int f$ in einer elementaren Körpererweiterung \[ \mathscr{G} = \mathbb{Q}(\alpha_1,\dots,\alpha_l,\dots,\alpha_{l+k}) (x,\vartheta_1,\dots,\vartheta_n,\dots,\vartheta_{n+m}) \] mit $F'=f$. Das Ziel ist, $F$ mit Hilfe eines Algorithmus zu bestimmen.