% % Anwendung: Gauss-Quadratur % \section{Anwendung: Gauss-Quadratur \label{buch:orthogonal:section:gauss-quadratur}} \rhead{Gauss-Quadratur} Orthogonale Polynome haben eine etwas unerwartet Anwendung in einem von Gauss erdachten numerischen Integrationsverfahren. Es basiert auf der Beobachtung, dass viele Funktionen sich sehr gut durch Polynome approximieren lassen. Wenn man also sicherstellt, dass ein Verfahren für Polynome sehr gut funktioniert, darf man auch davon ausgehen, dass es für andere Funktionen nicht allzu schlecht sein wird. \subsection{Interpolationspolynome} Zu einer stetigen Funktion $f(x)$ auf dem Intervall $[-1,1]$ ist ein Polynome vom Grad $n$ gesucht, welches in den Punkten $x_0{$}c<{$}|>{$}r<{$}|>{$}r<{$}|} \hline n & \text{Gauss-Quadratur} & \text{Trapezregel} \\ \hline \phantom{0}2 & 0.\u{95}74271077563381 & 0.\u{95}63709682242596 \\ \phantom{0}4 & 0.\u{95661}28333449730 & 0.\u{956}5513401768598 \\ \phantom{0}6 & 0.\u{9566114}812034364 & 0.\u{956}5847489712136 \\ \phantom{0}8 & 0.\u{956611477}5028123 & 0.\u{956}5964425360520 \\ 10 & 0.\u{9566114774905}637 & 0.\u{9566}018550715587 \\ 12 & 0.\u{956611477490518}7 & 0.\u{9566}047952369826 \\ 14 & 0.\u{95661147749051}72 & 0.\u{9566}065680717177 \\ 16 & 0.\u{956611477490518}7 & 0.\u{9566}077187127541 \\ 18 & 0.\u{956611477490518}3 & 0.\u{9566}085075898731 \\ 20 & 0.\u{956611477490518}4 & 0.\u{9566}090718697414 \\ \hline \infty & 0.9566114774905183 & 0.9566114774905183 \\ \hline \end{tabular} \caption{Integral von $\sqrt{1-x^2}$ zwischen $-\frac12$ und $\frac12$ berechnet mit Gauss-Quadratur und der Trapezregel, aber mit zehnmal so vielen Stützstellen. Bereits mit 12 Stützstellen erreicht die Gauss-Quadratur Maschinengenauigkeit, die Trapezregel liefert auch mit 200 Stützstellen nicht mehr als 4 korrekte Nachkommastellen. \label{buch:integral:gaussquadratur:table0.5}} \end{table} %\begin{table} %\def\u#1{\underline{#1}} %\centering %\begin{tabular}{|>{$}c<{$}|>{$}r<{$}|>{$}r<{$}|} %\hline % n & \text{Gauss-Quadratur} & \text{Trapezregel} \\ %\hline %\phantom{0}2 & 1.\u{5}379206741571556 & 1.\u{5}093105464758343 \\ %\phantom{0}4 & 1.\u{51}32373472933831 & 1.\u{51}13754509594814 \\ %\phantom{0}6 & 1.\u{512}1624557410367 & 1.\u{51}17610879524799 \\ %\phantom{0}8 & 1.\u{51207}93479994321 & 1.\u{51}18963282632112 \\ % 10 & 1.\u{51207}13859966004 & 1.\u{51}19589735776959 \\ % 12 & 1.\u{512070}5317779943 & 1.\u{51}19930161260693 \\ % 14 & 1.\u{5120704}334802813 & 1.\u{5120}135471596636 \\ % 16 & 1.\u{5120704}216176006 & 1.\u{5120}268743889558 \\ % 18 & 1.\u{5120704}201359081 & 1.\u{5120}360123137213 \\ % 20 & 1.\u{5120704199}459651 & 1.\u{5120}425490275837 \\ %\hline % \infty & 1.5120704199172947 & 1.5120704199172947 \\ %\hline %\end{tabular} %\end{table} %\begin{table} %\def\u#1{\underline{#1}} %\centering %\begin{tabular}{|>{$}c<{$}|>{$}r<{$}|>{$}r<{$}|} %\hline % n & \text{Gauss-Quadratur} & \text{Trapezregel} \\ %\hline %\phantom{0}2 & 1.\u{}6246862220133462 & 1.\u{5}597986803933712 \\ %\phantom{0}4 & 1.\u{5}759105515463101 & 1.\u{56}63563456168101 \\ %\phantom{0}6 & 1.\u{5}706630058381434 & 1.\u{56}77252866190838 \\ %\phantom{0}8 & 1.\u{56}94851106536780 & 1.\u{568}2298707696152 \\ % 10 & 1.\u{56}91283195332679 & 1.\u{568}4701957758742 \\ % 12 & 1.\u{56}90013806299465 & 1.\u{568}6030805941198 \\ % 14 & 1.\u{5689}515434853885 & 1.\u{568}6841603070025 \\ % 16 & 1.\u{5689}306507843050 & 1.\u{568}7372230731711 \\ % 18 & 1.\u{5689}214761291217 & 1.\u{568}7738235496322 \\ % 20 & 1.\u{56891}73062385982 & 1.\u{568}8001228530786 \\ %\hline % \infty & 1.5689135396691616 & 1.5689135396691616 \\ %\hline %\end{tabular} %\end{table} \begin{table} \def\u#1{\underline{#1}} \centering \begin{tabular}{|>{$}c<{$}|>{$}r<{$}|>{$}r<{$}|} \hline n & \text{Gauss-Quadratur} & \text{Trapezregel} \\ \hline \phantom{0}2 & 1.\u{}6321752373234928 & 1.\u{5}561048774629949 \\ \phantom{0}4 & 1.\u{57}98691557134743 & 1.\u{5}660124134617943 \\ \phantom{0}6 & 1.\u{57}35853681692993 & 1.\u{5}683353001877542 \\ \phantom{0}8 & 1.\u{57}19413565928206 & 1.\u{5}692627503425400 \\ 10 & 1.\u{57}13388119633434 & 1.\u{5}697323578543481 \\ 12 & 1.\u{57}10710489948883 & 1.\u{570}0051217458713 \\ 14 & 1.\u{570}9362135398341 & 1.\u{570}1784766276063 \\ 16 & 1.\u{570}8621102742815 & 1.\u{570}2959121005231 \\ 18 & 1.\u{570}8186779483588 & 1.\u{570}3793521168343 \\ 20 & 1.\u{5707}919411931615 & 1.\u{570}4408749735932 \\ \hline \infty & 1.5707367072605671 & 1.5707367072605671 \\ \hline \end{tabular} \caption{Integral von $\sqrt{1-x^2}$ zwischen $-0.999$ und $0.999$ berechnet mit Gauss-Quadratur und der Trapezregel, aber mit zehnmal so vielen Stützstellen. Wegen der divergierenden Steigung des Integranden bei $\pm 1$ tun sich beide Verfahren sehr schwer. Trotzdem erreich die Gauss-Quadrator 4 korrekte Nachkommastellen mit 20 Stütztstellen, während die Trapezregel auch mit 200 Stützstellen nur 3 korrekte Nachkommastellen findet. \label{buch:integral:gaussquadratur:table0.999}} \end{table} \begin{figure} \centering \includegraphics{chapters/060-integral/gq/gq.pdf} \caption{Approximationsfehler des Integrals~\eqref{buch:integral:gaussquadratur:bspintegral} in Abhängigkeit von $a$. Die Divergenz der Ableitung des Integranden an den Intervallenden $\pm 1$ führt zu schlechter Konvergenz des Verfahrens, wenn $a$ nahe an $1$ ist. \label{buch:integral:gaussquadratur:fehler}} \end{figure} Zur Illustration der Genauigkeit der Gauss-Quadratur berechnen wir das Integral \begin{equation} \int_{-a}^a \sqrt{1-x^2}\,dx = \arcsin a + a \sqrt{1-a^2} \label{buch:integral:gaussquadratur:bspintegral} \end{equation} mit Gauss-Quadratur einerseits und dem Trapezverfahren andererseits. Da Gauss-Quadratur mit sehr viel weniger Sützstellen auskommt, berechnen wir die Trapeznäherung mit zehnmal so vielen Stützstelln. In den Tabellen~\ref{buch:integral:gaussquadratur:table0.5} und \ref{buch:integral:gaussquadratur:table0.999} sind die Resultate zusammengestellt. Für $a =\frac12$ zeigt Tabelle~\ref{buch:integral:gaussquadratur:table0.5} die sehr schnelle Konvergenz der Gauss-Quadratur, schon mit 12 Stützstellen wird Maschinengenauigkeit erreicht. Das Trapezverfahren dagegen erreicht auch mit 200 Stützstellen nur 4 korrekte Nachkommastellen. An den Stellen $x=\pm 1$ divergiert die Ableitung des Integranden des Integrals \eqref{buch:integral:gaussquadratur:bspintegral}. Da grösste und kleinste Stützstelle der Gauss-Quadratur immer deutlich vom Rand des Intervalls entfernt ist, kann das Verfahren diese ``schwierigen'' Stellen nicht erkennen. Tabelle~\ref{buch:integral:gaussquadratur:table0.999} zeigt, wie die Konvergenz des Verfahrens in diesem Fall sehr viel schlechter ist. Dies zeigt auch der Graph in Abbildung~\ref{buch:integral:gaussquadratur:fehler}. \subsection{Skalarprodukte mit Gewichtsfunktion} Die Nullstellen der Legendre-Polynome ergaben ein gutes Integrationsverfahren für Polynome auf einem beschränkten Intervall. Die Beispiele haben aber auch gezeigt, dass Stellen, wo die Ableitung des Integranden divergiert, die Genauigkeit stark beeinträchtigen können. Ausserdem ist das Verfahren nicht anwendbar auf uneigentliche Integrale. \subsubsection{Umgang mit Singularitäten} Die Lösung des Problems mit Stellen mit divergenter Ableitung besteht darin, die Stützstellen in der Nähe dieser Stellen zu konzentrieren. Die Verwendung einer Gewichtsfunktion $w(x)$ kann genau dies erreichen. Statt das Integral einer Funktion $f(x)$ zu bestimmen, kann man $f(x)=g(x)w(x)$ schreiben, wobei $w(x)$ so gewählt werden soll, dass das Verhalten der Steigung an den Intervallenden gut wiedergibt. Dies ist mit einer Jacobischen Gewichtsfunktion immer möglich. Statt der Nullstellen der Legendre-Polynome sind dann die Nullstellen der Jacobi-Polynome und die Funktionswete von $g(x)$ an diesen Stellen zu verwenden, die Gewichte sind die Integrale von $l_i(x) P^{(\alpha,\beta)}(x)$. \subsubsection{Uneigentliche Integrale} Die Berechnung eines uneigentlichen Integrals auf dem Intervall $(0,\infty)$ oder $(-\infty,\infty)$ ist aus mehreren Gründen nicht direkt mit dem früher beschriebenen Gauss-Quadraturverfahren möglich. Die Stützstellen, die bei der Gauss-Quadratur in einem Intervall $(a,b)$ verwendet werden, entstehen dadurch, dass man die Nullstellen der Legendre-Polynome in $(-1,1)$ auf das Intervall $(a,b)$ skaliert. Dies führt offensichtlich nicht zum Erfolg, wenn ein oder beide Intervallgrenzen unendlich sind. Dieses Problem kann dadurch gelöst werden, dass man das unendliche Intervall $(a,\infty)$ mit \[ x = a + \frac{1-t}{t} \] auf das Intervall $[0,1]$ transformiert. Will man beim Intervall $(0,\infty)$ bleiben, dann ist zu beachten, dass das Integral eines Polynomes immer divergent ist, es ist also auf jeden Fall nötig, den Integranden durch Funktionen zu approximieren, die genügend schnell gegen $0$ gehen. Polynome beliebigen Grades können verwendet werden, wenn sie mit einer Funktion multipliziert werden, die schneller als jedes Polynom gegen $0$ geht, so dass das Integral immer noch konvergiert. Die Funktionen $e^{-x}$ für das Intervall $(0,\infty)$ oder $e^{-x^2}$ für das Intervall $(-\infty,\infty)$ kommen dafür in Frage. Um das Integral von $f(x)$ im Intervall $(0,\infty)$ zu berechnen, schreibt man daher zunächst \[ \int_0^\infty f(x)\,dx = \int_0^\infty g(x)e^{-x}\,dx = \int_0^\infty g(x) w(x)\,dx \quad\text{mit}\quad w(x)=e^{-x} \text{ und } g(x)=f(x)e^x. \] Dann approximiert man $g(x)$ durch ein Interpolationspolynom, so wie man das bei der Gauss-Quadratur gemacht hat. Als Stützstellen müssen dazu die Nullstellen der Laguerre-Polynome verwendet werden. Als Gewichte $w_i$ sind die Integrale der $l_i(x)e^{-x}$ zu verwenden.