1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
76
77
78
79
80
81
82
83
84
85
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
96
97
98
99
100
101
102
103
104
105
106
107
108
109
110
111
112
113
114
115
116
117
118
119
120
121
122
123
124
125
126
127
128
129
130
131
132
133
134
135
136
137
138
139
140
141
142
143
144
145
146
147
148
149
150
151
152
153
154
155
156
157
158
159
160
161
162
163
164
165
166
167
168
169
170
171
172
173
174
175
176
177
178
179
180
181
182
183
184
185
186
187
188
189
190
191
192
193
194
195
196
197
198
199
200
201
202
203
204
205
206
207
208
209
210
211
212
213
214
215
216
217
218
219
220
221
222
223
224
225
226
227
228
229
230
231
232
233
234
235
236
237
238
239
240
241
242
243
244
245
246
247
248
249
250
251
252
253
254
255
256
257
258
259
260
261
262
263
264
265
266
267
268
269
270
271
272
273
274
275
276
277
278
279
280
281
282
283
284
285
286
287
288
289
290
291
292
293
294
295
296
297
298
299
300
301
302
303
304
305
306
307
308
309
310
311
312
313
314
315
316
317
318
319
320
321
322
323
324
325
326
327
328
329
330
331
332
333
334
335
336
337
338
339
340
341
342
343
344
345
346
347
348
349
350
351
352
353
354
355
356
357
358
359
360
361
362
363
364
365
366
367
368
369
370
371
372
373
374
375
376
377
378
379
380
381
382
383
384
385
386
387
388
389
390
391
392
393
394
395
396
397
398
399
400
401
402
403
404
405
406
407
408
409
410
411
412
413
414
415
416
417
418
419
420
421
422
423
424
425
426
427
428
429
430
431
432
433
434
435
436
437
438
439
440
441
442
443
444
445
446
447
448
449
450
451
452
453
454
455
456
457
458
459
460
461
462
463
464
465
466
467
468
469
470
471
472
473
474
475
476
477
478
479
480
481
482
483
484
485
486
487
488
489
490
491
492
493
494
495
496
497
498
499
500
501
502
503
504
505
506
507
508
509
510
511
512
513
514
515
516
517
518
519
520
521
522
523
524
525
526
527
528
529
530
531
532
533
534
535
536
537
538
539
540
541
542
543
544
545
546
547
548
549
550
551
552
553
554
555
556
557
558
559
560
561
562
563
564
565
566
567
568
569
570
571
572
573
574
575
576
577
578
579
580
581
582
583
584
585
586
587
588
589
590
591
592
593
594
595
596
597
598
599
600
601
602
603
604
605
606
607
608
609
610
611
612
613
614
615
616
617
618
619
620
621
622
623
624
625
626
627
628
629
630
631
632
633
634
635
636
637
638
639
640
641
642
643
644
645
646
647
648
649
650
651
652
653
654
655
656
657
658
659
660
661
662
663
664
665
666
667
668
669
670
671
672
673
674
675
676
677
678
679
680
681
682
683
684
685
686
687
688
689
690
691
692
693
694
695
696
697
698
699
700
701
702
703
704
705
706
707
708
|
%
% grundlagen.tex -- Grundlagen
%
% (c) 2021 Prof Dr Andreas Müller, OST Ostschweizer Fachhochschule
%
\section{Matrixpotenzen
\label{buch:section:grundlagen}}
\rhead{Matrixpotenzen}
Die Zerlegung einer Matrix in einfachere Blöcke ist gleichbedeutend
damit, Basen für Unterräume zu finden, die sich unter der Abbildung
nicht ändern.
Im Allgemeinen wird der ganze Raum $\Bbbk^n$ kein solcher invarianter
Unterraum sein.
In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, wie man durch Iteration
der Abbildung, also durch Betrachtung von Matrixpotenzen, immer zu
\index{Matrixpotenz}%
einer Zerlegung in invariante Unterräume kommen kann.
\index{invarianter Unterraum}%
\index{Unterraum, invarianter}%
Daraus ergibt sich dann in Abschnitt~\ref{buch:subsection:nilpotente-matrizen}
bereits eine Normalform für nilpotente Matrizen.
\index{nilpotent}%
\begin{figure}
\centering
\includegraphics[width=\textwidth]{chapters/40-eigenwerte/images/kernbild.pdf}
\caption{Iterierte Kerne und Bilder einer $3\times 3$-Matrix mit Rang~2.
Die abnehmend geschachtelten iterierten Bilder
$\mathcal{J}^1(A) \subset \mathcal{J}^2(A)$
sind links dargestellt, die zunehmen geschachtelten iterierten Kerne
$\mathcal{K}^1(A) \subset \mathcal{K}^2(A)$ rechts.
\label{buch:eigenwerte:img:kernbild}}
\end{figure}
\begin{figure}
\centering
\includegraphics[width=\textwidth]{chapters/40-eigenwerte/images/kombiniert.pdf}
\caption{Iterierte Kerne und Bilder einer $3\times 3$-Matrix mit Rang~2.
Da $\dim\mathcal{J}^2(A)=1$ und $\dim\mathcal{J}^1(A)=2$ ist, muss es
einen Vektor in $\mathcal{J}^1(A)$ geben, der von $A$ auf $0$ abgebildet
wird, der also auch im Kern $\mathcal{K}^1(A)$ liegt.
Daher ist $\mathcal{K}^1(A)$ die Schnittgerade von $\mathcal{J}^1(A)$ und
$\mathcal{K}^2(A)$.
Man kann auch gut erkennen, dass
$\mathbb{R}^3
=
\mathcal{K}^1(A)\oplus \mathcal{J}^1(A)
=
\mathcal{K}^2(A) \oplus \mathcal{J}^2(A)$
ist.
\label{buch:eigenwerte:img:kombiniert}}
\end{figure}
%
% Kern und Bild von Matrixpotenzen
%
\subsection{Kern und Bild von Matrixpotenzen
\label{buch:subsection:kern-und-bild}}
In diesem Abschnitt ist $A\in M_n(\Bbbk)$, $A$ beschreibt eine lineare
Abbildung $f\colon\Bbbk^n\to \Bbbk^n$.
Im Folgenden sollen Kern und Bild der Potenzen $A^k$ untersucht werden.
\begin{definition}
Wir bezeichnen Kern und Bild der iterierten Abbildung $A^k$ mit
\[
\mathcal{K}^k(A)
=
\ker A^k
\qquad\text{und}\qquad
\mathcal{J}^k(A)
=
\operatorname{im} A^k.
\]
\index{KkA@$\mathcal{K}^k(A)$}%
\index{JkA@$\mathcal{J}^k(A)$}%
\end{definition}
Durch Iteration wird das Bild immer kleiner.
Wegen
\[
\mathcal{J}^k (A)
=
\operatorname{im} A^k
=
\operatorname{im} A^{k-1} A
=
\{ A^{k-1} Av\;|\; v \in \Bbbk^n\}
\subset
\{ A^{k-1} v\;|\; v \in \Bbbk^n\}
=
\mathcal{J}^{k-1}(A)
\]
folgt
\begin{equation}
\Bbbk^n
=
\operatorname{im}E
=
\operatorname{im}A^0
=
\mathcal{J}^0(A)
\supset
\mathcal{J}^1(A)
=
\operatorname{im}A
\supset
\mathcal{J}^2(A)
\supset\dots\supset
\mathcal{J}^k(A)
\supset
\mathcal{J}^{k+1}(A)
\supset \dots \supset
\{0\}.
\label{buch:eigenwerte:eqn:Jkchain}
\end{equation}
Für die Kerne gilt etwas Ähnliches, sie werden immer grösser.
Ein Vektor $x\in \mathcal{K}^k(A)$ erfüllt $A^kx=0$.
Dann erfüllt er aber erst recht auch
\[
A^{k+1}x=A\underbrace{A^kx}_{\displaystyle=0}=0,
\]
also ist $x\in\mathcal{K}^k(A)$.
Es folgt
\begin{equation}
\{0\}
=
\mathcal{K}^0(A) = \ker A^0 = \ker E
\subset
\mathcal{K}^1(A) = \ker A
\subset
\dots
\subset
\mathcal{K}^k(A)
\subset
\mathcal{K}^{k+1}(A)
\subset
\dots
\subset
\Bbbk^n.
\label{buch:eigenwerte:eqn:Kkchain}
\end{equation}
Neben diesen offensichtlichen Resultaten kann man aber noch mehr
sagen.
Es ist klar, dass in beiden Ketten
\label{buch:eigenwerte:eqn:Jkchain}
und
\label{buch:eigenwerte:eqn:Kkchain}
nur in höchstens $n$ Schritten eine wirkliche Änderung stattfinden
kann.
Man kann aber sogar genau sagen, wo Änderungen stattfinden:
\begin{satz}
\label{buch:eigenwerte:satz:ketten}
Ist $A\in M_n(\Bbbk)$ eine $n\times n$-Matrix, dann gibt es eine Zahl $k$
so, dass
\[
\begin{array}{rcccccccccccl}
0=\mathcal{K}^0(A)
&\subsetneq& \mathcal{K}^1(A) &\subsetneq& \mathcal{K}^2(A)
&\subsetneq&\dots&\subsetneq&
\mathcal{K}^k(A) &=& \mathcal{K}^{k+1}(A) &=& \dots
\\
\Bbbk^n= \mathcal{J}^0(A)
&\supsetneq& \mathcal{J}^1(A) &\supsetneq& \mathcal{J}^2(A)
&\supsetneq&\dots&\supsetneq&
\mathcal{J}^k(A) &=& \mathcal{J}^{k+1}(A) &=& \dots
\end{array}
\]
ist.
\end{satz}
\begin{proof}[Beweis]
Es sind zwei Aussagen zu beweisen.
Erstens müssen wir zeigen, dass die Dimension von $\mathcal{K}^i(A)$
nicht mehr grösser werden kann, wenn sie zweimal hintereinander gleich war.
Nehmen wir daher an, dass $\mathcal{K}^i(A) = \mathcal{K}^{i+1}(A)$.
Wir müssen $\mathcal{K}^{i+2}(A)$ bestimmen.
$\mathcal{K}^{i+2}(A)$ besteht aus allen Vektoren $x\in\Bbbk^n$ derart,
dass $Ax\in \mathcal{K}^{i+1}(A)=\mathcal{K}^i(A)$ ist.
Daraus ergibt sich, dass $AA^ix=0$, also ist $x\in\mathcal{K}^{i+1}(A)$.
Wir erhalten also
$\mathcal{K}^{i+2}(A)\subset\mathcal{K}^{i+1}\subset\mathcal{K}^{i+2}(A)$,
dies ist nur möglich, wenn beide gleich sind.
Analog kann man für die Bilder vorgehen.
Wir nehmen an, dass $\mathcal{J}^i(A) = \mathcal{J}^{i+1}(A)$ und
bestimmten $\mathcal{J}^{i+2}(A)$.
$\mathcal{J}^{i+2}(A)$ besteht aus all jenen Vektoren, die als
$Ax$ mit $x\in\mathcal{J}^{i+1}(A)=\mathcal{J}^i(A)$ erhalten
werden können.
Es gibt also insbesondere ein $y\in\Bbbk^n$ mit $x=A^iy$.
Dann ist $Ax=A^{i+1}y\in\mathcal{J}^{i+1}(A)$.
Insbesondere besteht $\mathcal{J}^{i+2}(A)$ genau aus den Vektoren
von $\mathcal{J}^{i+1}(A)$.
Zweitens müssen wir zeigen, dass die beiden Ketten bei der gleichen
Potenz von $A$ konstant werden.
Dies folgt jedoch daraus, dass $\dim\mathcal{J}^i(A) = \operatorname{Rang} A^i
= n - \dim\ker A^i = n -\dim\mathcal{K}^i(A)$.
Der Raum $\mathcal{J}^k(A)$ hört also beim gleichen $i$ auf, kleiner
zu werden, bei dem auch $\mathcal{K}^i(A)$ aufhört, grösser zu werden.
\end{proof}
\begin{satz}
Die Zahl $k$ in Satz~\ref{buch:eigenwerte:satz:ketten}
ist nicht grösser als $n$, also
\[
\mathcal{K}^n(A) = \mathcal{K}^l(A)
\qquad\text{und}\qquad
\mathcal{J}^n(A) = \mathcal{J}^l(A)
\]
für $l\ge n$.
\end{satz}
\begin{proof}[Beweis]
Nach Satz~\ref{buch:eigenwerte:satz:ketten} muss die
Dimension von $\mathcal{K}^i(A)$ in jedem Schritt um mindestens
$1$ zunehmen, das ist nur möglich, bis zur Dimension $n$.
Somit können sich $\mathcal{K}^i(A)$ und $\mathcal{J}^i(A)$ für $i>n$
nicht mehr ändern.
\end{proof}
\begin{figure}
\centering
\includegraphics{chapters/40-eigenwerte/images/dimjk.pdf}
\caption{Entwicklung der Dimension von $\dim\mathcal{K}^k(A)$ (grün)
und $\dim\mathcal{J}^k(A)$ (orange) in Abhängigkeit vom Exponenten $k$.
Für $k\ge l$ ändern sich die Dimensionen nicht mehr, $A$ eingeschränkt
auf $\mathcal{J}^l(A)=\mathcal{J}(A)$ ist injektiv.
\label{buch:eigenwerte:fig:dimjk}}
\end{figure}
Abbildung~\ref{buch:eigenwerte:fig:dimjk} zeigt die Abhängigkeit der
Dimensionen $\dim\mathcal{K}^k(A)$ und $\dim\mathcal{J}^k(A)$ von $k$.
Die Dimension $\dim\mathcal{J}^k(A)$ nimmt ab bis zu $k=l$, danach ändert
sie sich nicht mehr und die Einschränkung von $A$ auf $\mathcal{J}^l(A)$
ist injektiv.
Die Dimension $\dim\mathcal{K}^k(A)$ nimmt zu bis zu $k=l$, danach
ändert sie sich nicht mehr.
\begin{definition}
\label{buch:eigenwerte:def:KundJ}
Die gemäss Satz~\ref{buch:eigenwerte:satz:ketten} identischen Unterräume
$\mathcal{K}^i(A)$ für $i\ge k$ und die identischen Unterräume
$\mathcal{J}^i(A)$ für $i\ge k$ werden mit
\[
\begin{aligned}
\mathcal{K}(A) &= \mathcal{K}^i(A)&&\forall i\ge k \qquad\text{und}
\\
\mathcal{J}(A) &= \mathcal{J}^i(A)&&\forall i\ge k
\end{aligned}
\]
\index{KA@$\mathcal{K}(A)$}
\index{JA@$\mathcal{J}(A)$}
bezeichnet.
\end{definition}
%
% Inveriante Unterräume
%
\subsection{Invariante Unterräume
\label{buch:subsection:invariante-unterraeume}}
Kern und Bild sind der erste Schritt zu einem besseren Verständnis
einer linearen Abbildung oder ihrer Matrix.
Invariante Räume dienen dazu, eine lineare Abbildung in einfachere
Abbildungen zwischen ``kleineren'' Räumen zu zerlegen, wo sie leichter
analysiert werden können.
\begin{definition}
\label{buch:eigenwerte:def:invarianter-unterraum}
Sei $f\colon V\to V$ eine lineare Abbildung eines Vektorraums in sich
selbst.
Ein Unterraum $U\subset V$ heisst {\em invarianter Unterraum},
wenn
\[
f(U) = \{ f(x)\;|\; x\in U\} \subset U
\]
gilt.
\index{invarianter Unterraum}%
\index{Unterraum, invarianter}%
\end{definition}
Der Kern $\ker A$ einer linearen Abbildung ist trivialerweise ein
invarianter Unterraum, da alle Vektoren in $\ker A$ auf $0\in\ker A$
abgebildet werden.
Ebenso ist natürlich $\operatorname{im}A$ ein invarianter Unterraum,
denn jeder Vektor wird in $\operatorname{im}A$ abgebildet, insbesondere
auch jeder Vektor in $\operatorname{im}A$.
\begin{satz}
\label{buch:eigenwerte:satz:KJinvariant}
Sei $f\colon V\to V$ eine lineare Abbildung mit Matrix $A$.
Jeder der Unterräume $\mathcal{J}^i(A)$ und $\mathcal{K}^i(A)$
ist ein invarianter Unterraum.
\end{satz}
\begin{proof}[Beweis]
Sei $x\in\mathcal{K}^i(A)$, es gilt also $A^ix=0$.
Wir müssen überprüfen, dass $Ax\in\mathcal{K}^i(A)$.
Wir berechnen daher $A^i\cdot Ax=A^{i+1}x=A\cdot A^ix = A\cdot 0=0$,
was zeigt, dass $Ax\in\mathcal{K}^i(A)$.
Sei jetzt $x\in\mathcal{J}^i(A)$, es gibt also ein $y\in V$ derart, dass
$A^iy=x$.
Wir müssen überprüfen, dass $Ax\in\mathcal{J}^i(A)$.
Dazu berechnen wir $Ax=AA^iy=A^iAy\in\mathcal{J}^i(A)$, $Ax$ ist also das
Bild von $Ay$ unter $A^i$.
\end{proof}
\begin{korollar}
Die Unterräume $\mathcal{K}(A)\subset V$ und $\mathcal{J}(A)\subset V$
sind invariante Unterräume.
\end{korollar}
Die beiden Unterräume $\mathcal{K}(A)$ und $\mathcal{J}(A)$ sind besonders
interessant, da wir aus der Einschränkung der Abbildung $f$ auf diese
Unterräume mehr über $f$ lernen können.
\begin{satz}
\label{buch:eigenwerte:satz:fJinj}
Die Einschränkung von $f$ auf $\mathcal{J}(A)$ ist injektiv.
\end{satz}
\begin{proof}[Beweis]
Die Einschränkung von $f$ auf $\mathcal{J}^k(A)$ ist
$\mathcal{J}^k(A) \to \mathcal{J}^{k+1}(A)$, nach Definition von
$\mathcal{J}^{k+1}(A)$ ist diese Abbildung surjektiv.
Da aber $\mathcal{J}^k(A)=\mathcal{J}^{k+1}(A)$ ist, ist
$f\colon \mathcal{J}^k(A)\to\mathcal{J}^k(A)$ surjektiv,
also ist $f$ auf $\mathcal{J}^k(A)$ auch injektiv.
\end{proof}
Die beiden Unterräume $\mathcal{J}(A)$ und $\mathcal{K}(A)$
sind Bild und Kern der iterierten Abbildung mit Matrix $A^k$.
Das bedeutet, dass $\dim\mathcal{J}(A)+\mathcal{K}(A)=n$.
Da $\mathcal{K}(A)=\ker A^k$ und andererseits $A$ injektiv ist auf
$\mathcal{J}(A)$, muss $\mathcal{J}(A)\cap\mathcal{K}(A)=0$.
Es folgt, dass $V=\mathcal{J}(A) + \mathcal{K}(A)$.
In $\mathcal{K}(A)$ und $\mathcal{J}(A)$ kann man unabhängig voneinander
jeweils eine Basis wählen.
Die Basen von $\mathcal{K}(A)$ und $\mathcal{J}(A)$ zusammen ergeben
eine Basis von $V$.
Die Matrix $A'$ in dieser Basis wird die Blockform
\[
A'
=
\left(
\begin{array}{ccc|ccc}
&&&&&\\
&A'_{\mathcal{K}}&&&&\\
&&&&&\\
\hline
&&&&&\\
&&&&A'_{\mathcal{J}}&\\
&&&&&\\
\end{array}
\right)
\]
haben, wobei die Matrix $A_\mathcal{J}'$ invertierbar ist.
Die Zerlegung in invariante Unterräume ergibt also eine natürlich
Aufteilung der Matrix $A$ in kleiner Matrizen mit zum Teil bekannten
Eigenschaften.
%
% Spezialfall, nilpotente Matrizen
%
\subsection{Nilpotente Matrizen
\label{buch:subsection:nilpotente-matrizen}}
Die Zerlegung von $V$ in die beiden invarianten Unterräume $\mathcal{J}(A)$
und $\mathcal{K}(A)$ reduziert die lineare Abbildung auf zwei Abbildungen
mit speziellen Eigenschaften.
Es wurde bereits in Satz~\label{buch:eigenwerte:satz:fJinj} gezeigt,
dass die Einschränkung auf $\mathcal{J}(A)$ injektiv ist.
Die Einschränkung auf $\mathcal{K}(A)$ bildet nach
Definition~\ref{buch:eigenwerte:def:KundJ} alle
Vektoren nach $k$-facher Iteration auf $0$ ab, $A^k\mathcal{K}(A)=0$.
Solche Abbildungen haben eine speziellen Namen.
\begin{definition}
\label{buch:eigenwerte:def:nilpotent}
Eine Matrix $A$ heisst {\em nilpotent}, wenn es eine Zahl $k$ gibt, so dass
$A^k=0$.
\index{nilpotent}%
\end{definition}
\begin{beispiel}
Obere (oder untere) Dreiecksmatrizen mit Nullen auf der Diagonalen
sind nilpotent.
\index{Dreicksmatrix}%
Wir rechnen dies wie folgt nach.
Die Matrix $A$ mit Einträgen $a_{i\!j}$
\[
A=\begin{pmatrix}
0 &a_{12}&a_{13}&\dots &a_{1,n-1}&a_{1n} \\
0 & 0 &a_{23}&\dots &a_{1,n-1}&a_{2n} \\
0 & 0 & 0 &\dots &a_{1,n-1}&a_{3n} \\
\vdots&\vdots&\vdots&\ddots&\vdots &\vdots \\
0 & 0 & 0 &\dots & 0 &a_{n-1,n}\\
0 & 0 & 0 &\dots & 0 & 0
\end{pmatrix}
\]
erfüllt $a_{i\!j}=0$ für $i\ge j$.
Wir zeigen jetzt, dass sich bei der Multiplikation die nicht
verschwinden Elemente bei der Multiplikation noch rechts oben
verschieben.
Dazu multiplizieren wir zwei Matrizen $B$ und $C$ mit
$b_{i\!j}=0$ für $i+k>j$ und $c_{i\!j}=0$ für $i+l>j$.
In der folgenden graphischen Darstellung der Matrizen sind die
Bereiche, wo die Matrixelemente verschwinden, weiss.
\begin{center}
\includegraphics{chapters/40-eigenwerte/images/nilpotent.pdf}
\end{center}
Bei der Berechnung des Elementes $d_{i\!j}$ wird die Zeile $i$ von $B$
mit der Spalte $j$ von $C$ multipliziert.
Die blau eingefärbten Elemente in dieser Zeile und Spalte sind $0$.
Aus der Darstellung ist abzulesen, dass das Produkt verschwindet,
wenn die roten, von $0$ verschiedenen Elemente von den blauen
Elementen annihiliert werden.
Dies passiert immer, wenn $i+k>j-l$ ist, oder $i+(k+l)> j$.
Wir wenden diese Beobachtung jetzt auf die Potenzen $A^s$ an.
Für die Matrixelemente von $A^s$ schreiben wir $a^s_{i\!j}$.
Wir behaupten, dass die Matrixelemente von $A^s$ die Bedingung
$a_{i\!j}^s=0$ für $i+s>j$ erfüllen.
Dies ist für $s=1$ nach Voraussetzung richtig, dies ist die
Induktionsverankerung.
Nehmen wir jetzt an, dass $a_{i\!j}^s=0$ für $i+s>j$, dann folgt
aus obiger Rechnung, dass $a_{i\!j}^{s+1}=0$ für $i+s+1>j$, so
dass die Bedingung auch für $A^s$ gilt (Induktionsschritt).
Mit vollständiger Induktion folgt, dass $a_{i\!j}^s=0$ für $i+s>j$.
Insbesondere ist $A^n=0$, die Matrix $A$ ist nilpotent.
\end{beispiel}
Man kann die Konstruktion der Unterräume $\mathcal{K}^i(A)$ weiter
dazu verwenden, eine Basis zu finden, in der eine nilpotente Matrix
eine besonders einfach Form erhält.
\begin{satz}
\label{buch:eigenwerte:satz:nnilpotent}
Sei $A$ eine nilpotente $n\times n$-Matrix mit der Eigenschaft, dass
$A^{n-1}\ne 0$.
Dann gibt es eine Basis so, dass $A$ die Form
\begin{equation}
A'
=
\begin{pmatrix}
0&1& & & & \\
&0&1& & & \\
& &0& & & \\
& & &\ddots&1& \\
& & & &0&1\\
& & & & &0\\
\end{pmatrix}
\label{buch:eigenwerte:eqn:nnilpotent}
\end{equation}
bekommt.
\end{satz}
\begin{proof}[Beweis]
Da $A^{n-1}\ne 0$ ist, gibt es einen Vektor $b_n$ derart, dass $A^{n-1}b_n\ne0$.
Wir konstruieren die Vektoren
\[
b_n,\;
b_{n-1}=Ab_n,\;
b_{n-2}=Ab_{n-1},\;
\dots,\;
b_2=Ab_3,\;
b_1=Ab_2.
\]
Aus der Konstruktion folgt $b_1=A^{n-1}b_n\ne 0$, aber $Ab_1=A^nb_n=0$.
Aus der Konstruktion der iterierten Kerne $\mathcal{K}^i(A)$ folgt jetzt,
dass die Vektoren $b_1,\dots,b_n$ eine Basis bilden.
In dieser Basis hat die Matrix die Form~\ref{buch:eigenwerte:eqn:nnilpotent}.
\end{proof}
\begin{definition}
Wir bezeichnen mit $N_n$ eine Matrix der Form
\eqref{buch:eigenwerte:eqn:nnilpotent}.
\end{definition}
Mit etwas mehr Sorgfalt kann man auch die Bedingung, dass $A^{n-1}\ne 0$
sein muss, im Satz~\ref{buch:eigenwerte:satz:nnilpotent} loswerden.
Sie bedeutet nämlich dass sich die Matrix in mehrere kleinere Blöcke
der Form~\eqref{buch:eigenwerte:eqn:nnilpotent} zerlegen lässt, wie
der folgende Satz zeigt.
\begin{satz}
\label{buch:eigenwerte:satz:allgnilpotent}
Sei $A$ ein nilpotente Matrix, dann gibt es eine Basis, in der die Matrix
aus lauter Nullen besteht ausser in den Einträgen unmittelbar oberhalb der
Hauptdiagonalen, wo die Einträge $0$ oder $1$ sind.
Insbesondere zerfällt eine solche Matrix in Blöcke der Form $N_{k_i}$,
$i=1,\dots,l$,
wobei $k_1+\dots+k_l=n$ sein muss:
\begin{equation}
\def\temp#1{\multicolumn{1}{|c}{\raisebox{0pt}[17pt][12pt]{\phantom{x}$#1\mathstrut$}\phantom{x}}}
A'
=\left(
\begin{array}{cccc}
\cline{1-1}
\temp{N_{k_1}} &\multicolumn{1}{|c}{}& & \\
\cline{1-2}
&\temp{N_{k_2}}&\multicolumn{1}{|c}{}& \\
\cline{2-3}
& &\temp{\ddots}&\multicolumn{1}{|c}{}\\
\cline{3-4}
& & &\multicolumn{1}{|c|}{\raisebox{0pt}[17pt][12pt]{\phantom{x}$N_{k_l}$}\phantom{x}}\\
\cline{4-4}
\end{array}
\right).
\label{buch:eigenwerte:eqn:allgnilpotent}
\end{equation}
\end{satz}
Im Abschnitt~\ref{buch:subsection:normalform-einer-nilpotenten-matrix}
wird ein Algorithmus zur Bestimmung einer geeigneten Basis für die
Normalform~\eqref{buch:eigenwerte:eqn:allgnilpotent} in etwas mehr
Detail dargestellt.
Aus Satz lässt sich für eine beliebige lineare Abbildung auch bereits eine
partielle Normalform finden.
Die Einschränkung von $f$ auf den invarianten Unterraum $\mathcal{K}(A)$
ist nilpotent.
Die Zerlegung $V=\mathcal{J}(A)\oplus \mathcal{K}(A)$ führt also zu einer
Zerlegung der Abbildung $f$ in eine invertierbare Abbildung
$\mathcal{J}(A)\to\mathcal{J}(A)$ und eine
nilpotente Abbildung $\mathcal{K}(A)\to\mathcal{K}(A)$.
Nach Satz~\ref{buch:eigenwerte:satz:allgnilpotent} kann man in
$\mathcal{K}(A)$ eine Basis so wählen, dass die Matrix die Blockform
\eqref{buch:eigenwerte:eqn:allgnilpotent} erhält.
\begin{figure}
\centering
\includegraphics[width=\textwidth]{chapters/40-eigenwerte/images/jknilp.pdf}
\caption{Entwicklung der Dimensionen von Kern und Bild von $A^k$ in
Abhängigkeit von $k$
\label{buch:eigenwte:fig:jknilp}}
\end{figure}
\begin{beispiel}
In der Abbildung~\ref{buch:eigenwte:fig:jknilp} sind die Dimensionen
von Kern und Bild der Matrix
\[
\setcounter{MaxMatrixCols}{12}
A=\begin{pmatrix}
0& & & & & & & & & & & \\
&0& & & & & & & & & & \\
& &0& & & & & & & & & \\
& & &0& & & & & & & & \\
& & & &0&1& & & & & & \\
& & & & &0& & & & & & \\
& & & & & &0&1& & & & \\
& & & & & & &0&1& & & \\
& & & & & & & &0&1& & \\
& & & & & & & & &0&1& \\
& & & & & & & & & &0&
\end{pmatrix}
\]
dargestellt.
Die Matrix $A^k$ ist in den kleinen Quadraten am unteren Rand der Matrix
symbolisch dargestellt.
Grüne Spalten bestehen aus lauter Nullen, die zugehörigen
Standardbasisvektoren werden von diesem $A^k$ auf $0$ abgebildet.
Die orangen Felder enthalten Einsen, die entsprechenden Standardbasisvektoren
bilden daher eine Basis des Bildes von $A^k$.
\end{beispiel}
%
% Basis für die Jordan-Normalform einer nilpotenten Matrix
%
\subsection{Basis für die Normalform einer nilpotenten Matrix bestimmen
\label{buch:subsection:normalform-einer-nilpotenten-matrix}}
Die Zerlegung in die invarianten Unterräume $\mathcal{J}^k(f)$ und
$\mathcal{K}^k(f)$ ermöglichen, eine Basis zu finden, in der die
Matrix von $f$ die Blockform \eqref{buch:eigenwerte:eqn:allgnilpotent}
hat.
In diesem Abschnitt soll die Konstruktion einer solchen Basis
etwas ausführlicher beschrieben werden.
\begin{figure}
\centering
\includegraphics{chapters/40-eigenwerte/images/normalform.pdf}
\caption{Konstruktion der Basis für die Jordansche Normalform einer
nilpotenten Matrix.
Die Vektoren werden in der Reihenfolge von rechts nach links in die
Matrix gefüllt.
\label{buch:eigenwerte:fig:normalform}}
\end{figure}
Abbildung~\ref{buch:eigenwerte:fig:normalform} illustriert den Prozess
an einer nilpotenten Matrix $A$ mit $A^3=0$
Die vertikalen Rechtecke im linken Teil der Abbildung symbolisieren
die Unterräume $\mathcal{K}^k(A)$.
Es ist bekannt, dass $\mathcal{K}^k(A) \subset \mathcal{K}^{k+1}(A)$ ist,
die Einbettung wird in der Abbildung durch graue Rechtecke dargestellt.
Es sei wieder $l$ der Exponent, für den $\mathcal{K}^l(A)=\Bbbk^n$ wird.
Da $\mathcal{K}^{l-1}(A)\ne \mathcal{K}^l(A)$ ist, muss es einen
komplementären Unterraum geben, in dem eine Basis gewählt wird.
Jeder der Vektoren $b_1,\dots,b_s$ dieser Basis gibt Anlass zu einem
Block der Form $N_l$, der auf dem Unterraum
$\langle b_i,Ab_i,\dots,A^{l-1}b_i\rangle$ operiert.
In der Abbildung ist $b_i$ durch einen roten Punkt symbolisiert und
die Bilder $Ab_i,\dots,A^{l-1}b_i$ werden durch blaue Pfeile untereinander
verbunden.
Der Raum $\mathcal{K}^{l-1}(A)$ enthält dann $\mathcal{K}^{l-2}(A)$ und
die Vektoren $Ab_1,\dots,Ab_s$.
Es ist aber möglich, dass diese Vektoren nicht den ganzen Raum
$\mathcal{K}^{l-1}(A)$ erzeugen.
In diesem Fall lassen sich die Vektoren mit Hilfe weiterer Vektoren
$b_{s+1},\dots,b_{s+r}$ zu einer Basisi von $\mathcal{K}^{l-1}(A)$
ergänzen.
Wie vorhin gibt jeder der Vektoren $b_{s+i}$ Anlass zu einem Block
der Form $N_{l-1}$, der auf dem Unterraum
$\langle b_{s+i},Ab_{s+i}\dots,A^{l-2}b_{s+i}\rangle$
operiert.
Durch Wiederholung dieses Prozesses können schrittweise Basisvektoren
$b_i$ erzeugt werden.
Die Matrix der Abbildung $f$ in der Basis $\{b_i,Ab_i,\dots,A^kb_i\}$
ist ein Block der Form $N_k$.
Für $0\le k\le l-1$ sind die Vektoren $A^kb_i$,
solange sie von $0$ verschieden sind,
alle nach Konstruktion linear unabhängig, sie bilden eine Basis
von $\mathcal{K}^l(A)=\Bbbk^n$.
\begin{beispiel}
Die Basis für die Zerlegung der Matrix
\[
A
=
\begin{pmatrix*}[r]
3& 1&-2\\
-21&-7&14\\
-6&-2& 4
\end{pmatrix*}
\]
in Blockform soll nach der oben beschriebenen Methode ermittelt werden.
Zunächst kann man nachrechnen, dass $A^2=0$ ist.
Der Kern von $A$ ist der Lösungsraum der Gleichung $Ax=0$, da alle Zeilen
Vielfache der ersten Zeile sind, reicht es zu verlangen, dass die
Komponenten $x_i$ der Lösung die Gleichung
\[
3x_1+x_2-2x_3=0
\]
erfüllen.
Jetzt muss ein Vektor $b_1$ ausserhalb von $\mathbb{L}$ gefunden werden,
der erste Standardbasisvektor $e_1$ kann dazu verwendet werden.
Es ist auch klar, dass $Ae_1\ne 0$ ist.
Wir verwenden daher die beiden Vektoren
\[
b_3=e_1=\begin{pmatrix} 1\\0\\0 \end{pmatrix}
,\qquad
b_2=Ab_3=\begin{pmatrix*}[r] 3\\-21\\-6 \end{pmatrix*}.
\]
In einem Unterraum mit
dieser Basis hat $A$ die Matrix $N_2$.
Jetzt muss noch ein Basisvektor $b_1$ gefunden werden,
der in $\ker A=\mathbb{L}$ liegt und so, dass $b_1$ und $b_2$
linear unabhängig sind.
Die zweite Bedingung kann leicht dadurch sichergestellt werden,
dass man die erste Komponente von $b_1$ als $0$ wählt.
Eine mögliche Lösung ist dann
\[
b_1=\begin{pmatrix}0\\2\\1\end{pmatrix}.
\]
Die Matrix
\[
B=\begin{pmatrix*}[r]
0& 1& 3\\
2& 0& -21\\
1& 0& -6
\end{pmatrix*}
\qquad\text{mit Inverser}
\qquad
B^{-1}=\begin{pmatrix*}[r]
0&-\frac23& \frac73\\
0&-\frac19& \frac29\\
1& \frac13&-\frac23
\end{pmatrix*}
\]
transformiert die Matrix $A$ auf den Block $N_3$:
\[
B^{-1}AB
=
B^{-1}\begin{pmatrix*}[r]
0&0& 3\\
0&0&-21\\
0&0& -6
\end{pmatrix*}
=
\left(
\begin{array}{c|cc}
0& & \\
\hline
&0&1\\
&0&0
\end{array}
\right)
=
N_3.
\qedhere
\]
\end{beispiel}
|