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diff --git a/buch/chapters/05-zahlen/komplex.tex b/buch/chapters/05-zahlen/komplex.tex index 7198e68..0c5eb70 100644 --- a/buch/chapters/05-zahlen/komplex.tex +++ b/buch/chapters/05-zahlen/komplex.tex @@ -276,6 +276,122 @@ komplexen Ebene eine Drehstreckung durch. Auf diese geometrische Beschreibung der Multiplikation werden wir zurückkommen, wenn wir die komplexen Zahlen als Matrizen beschreiben wollen. +\subsubsection{Algebraische Vollständigkeit} +Die komplexen Zahlen $\mathbb{C}$ sind als Erweiterung von $\mathbb{R}$ +so konstruiert worden, dass die Gleichung $x^2+1=0$ eine Lösung hat. +Etwas überraschend ist dagegen, dass in dieser Erweiterung jetzt jede +beliebige algebraische Gleichung lösbar geworden. +Dies ist der Inhalt des Fundamentalsatzes der Algebra. + +\begin{satz}[Fundamentalsatz der Algebra] +\index{Fundamentalsatz der Algebra}% +Jede algebraische Gleichung der Form +\[ +p(x)=x^n + a_{n-1}x^{n-1}+a_1x+a_0=0,\qquad a_k\in\mathbb{C} +\] +mit komplexen Koeffizienten hat $n$ möglicherweise mit Vielfachheit +gezähle Nullstellen $\alpha_1,\dots,\alpha_m$, d.~h.~das Polynom $p(x)$ +lässt sich in Linearfaktoren +\[ +p(x) += +(x-\alpha_1)^{k_1}(x-\alpha_2)^{k_2}\cdot\ldots\cdot(x-\alpha_m)^{k_m} +\] +zerlegen, wobei $k_1+k_2+\dots+k_m=n$. +Die Zahlen $k_j$ heisst die {\em Vielfachheit} der Nullstelle $\alpha_j$. +\end{satz} + +Der Fundamentalsatz der Algebra wurde erstmals von Carl Friedrich Gauss +\index{Gauss, Carl Friedrich}% +bewiesen. +Seither sind viele alternative Beweise mit Methoden aus den verschiedensten +Gebieten der Mathematik gegeben worden. +Etwas salopp könnten man sagen, dass der Fundamentalsatz ausdrückt, dass +die Konstruktion der Zahlensysteme mit $\mathbb{C}$ abgeschlossen ist, +soweit damit die Lösbarkeit beliebiger Gleichungen angestrebt ist. + +\subsubsection{Quaternionen und Octonionen} +Die komplexen Zahlen ermöglichen eine sehr effiziente Beschreibung +geometrischer Abbildungen wie Translationen, Spiegelungen und +Drehstreckungen in der Ebene. +Es drängt sich damit die Frage auf, ob sich $\mathbb{C}$ so erweitern +lässt, dass man damit auch Drehungen im dreidimensionalen Raum +beschreiben könnte. +Da Drehungen um verschiedene Achsen nicht vertauschen, kann eine solche +Erweiterung nicht mehr kommutativ sein. + +William Rowan Hamilton propagierte ab 1843 eine Erweiterung von $\mathbb{C}$ +mit zwei zusätzlichen Einheiten $j$ und $k$ mit den nichtkommutativen +Relationen +\begin{equation} +i^2 = j^2 = k^2 = ijk = -1. +\label{buch:zahlen:eqn:quaternionenregeln} +\end{equation} +Er nannte die Menge aller Linearkombinationen +\[ +\mathbb{H} = \{ a_0+a_1i+a_2j+a_3k\;|\; a_l\in \mathbb{R}\} +\] +die {\em Quaternionen}, die Einheiten $i$, $j$ und $k$ heissen auch +\index{Quaternionen}% +Einheitsquaternionen. +\index{Einheitsquaternionen}% +Konjugation, Betrag und Division können ganz ähnlich wie bei den +komplexen Zahlen definiert werden und machen $\mathbb{H}$ zu einer +sogenannten {\em Divisionsalgebra}. +\index{Divisionsalgebra}% +Alle Rechenregeln mit Ausnahme der Kommutativität der Multiplikation +sind weiterhin gültig und durch jede von $0$ verschiedene Quaternion +kann auch dividiert werden. + +Aus den Regeln für die Quadrate der Einheiten in +\eqref{buch:zahlen:eqn:quaternionenregeln} folgt zum Beispiel +$i^{-1}=-i$, $j^{-1}=-j$ und $k^{-1}=-k$. +Die letzte Bedingung liefert daraus +\[ +ijk=-1 +\qquad\Rightarrow\qquad +\left\{ +\quad +\begin{aligned} +ij +&= +ijkk^{-1}=-1k^{-1}=k +\\ +i^2jk&=-i=-jk +\\ +-j^2k&=-ji=k +\end{aligned} +\right. +\] +Aus den Relationen~\eqref{buch:zahlen:eqn:quaternionenregeln} +folgt also insbesondere auch, dass $ij=-ji$. +Ebenso kann abgeleitet werden, dass $jk=-kj$ und $ik=-ki$. +Man sagt, die Einheiten sind {\em antikommutativ}. +\index{antikommutativ}% + +Die Beschreibung von Drehungen mit Quaternionen ist in der +Computergraphik sehr beliebt, weil eine Quaternion mit nur vier +Komponenten $a_0,\dots,a_3$ vollständig beschrieben ist. +Eine Transformationsmatrix des dreidimensionalen Raumes enthält +dagegen neun Koeffizienten, die vergleichsweise komplizierte +Abhängigkeiten erfüllen müssen. +Quaternionen haben auch in weiteren Gebieten interessante Anwendungen, +zum Beispiel in der Quantenmechanik, wo antikommutierende Operatoren +bei der Beschreibung von Fermionen eine zentrale Rolle spielen. + +Aus rein algebraischer Sicht kann man die Frage stellen, ob es eventuell +auch noch grössere Divisionsalgebren gibt, die $\mathbb{H}$ erweitern. +Tatsächlich hat Arthur Cayley 1845 eine achtdimensionale Algebra, +die Oktonionen $\mathbb{O}$, mit vier weiteren Einheiten beschrieben. +\index{Cayley, Arthur}% +Allerdings sind die Oktonionen nur beschränkt praktisch anwendbar. +Grund dafür ist die Tatsache, dass die Multiplikation in $\mathbb{O}$ +nicht mehr assoziativ ist. +Das Produkt von mehr als zwei Faktoren aus $\mathbb{O}$ ist von der +Reihenfolge der Ausführung der Multiplikationen abhängig. + + + |