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diff --git a/buch/chapters/20-polynome/chapter.tex b/buch/chapters/20-polynome/chapter.tex index b044bcd..c7fc9e9 100644 --- a/buch/chapters/20-polynome/chapter.tex +++ b/buch/chapters/20-polynome/chapter.tex @@ -15,7 +15,7 @@ p(X) = a_nX^n+a_{n-1}X^{n-1} + \cdots a_2X^2 + a_1X + a_0. Ursprünglich stand das Symbol $X$ als Platzhalter für eine Zahl. Die Polynomgleichung $Y=p(X)$ drückt dann einen Zusammenhang zwischen den Grössen $X$ und $Y$ aus. -Zum Beispiel drückt +Zum Beispiel drückt \begin{equation} H = -\frac12gT^2 + v_0T +h_0 = p(T) \label{buch:eqn:polynome:beispiel} @@ -53,14 +53,14 @@ gelten. In dieser algebraischen Sichtweise können je nach den gewählten algebraischen Rechenregeln für $X$ interessante rechnerische Strukturen abgebildet werden. \index{algebraische Sichtweise}% -Ziel dieses Kapitels ist zu zeigen, wie man die Rechenregeln für $X$ +Ziel dieses Kapitels ist zu zeigen, wie man die Rechenregeln für $X$ mit Hilfe von Matrizen allgemein darstellen kann. Diese Betrachtungsweise wird später in Anwendungen ermöglichen, -handliche Realisierungen für das Rechnen mit Grössen zu finden, +handliche Realisierungen für das Rechnen mit Grössen zu finden, die polynomielle Gleichungen erfüllen. Ebenso sollen in späteren Kapiteln die Regeln \eqref{buch:eqn:polynome:basic} -erweitert werden oder abgelöst werden um weitere Anwendungen zu erschliessen. +erweitert oder abgelöst werden um weitere Anwendungen zu erschliessen. Bei der Auswahl der zusätzlichen algebraischen Regeln muss man sehr vorsichtig vorgehen. @@ -71,7 +71,7 @@ Aber auch eine Regel wie $X^2 \ge 0$, die für alle reellen Zahlen gilt, würde die Anwendungsmöglichkeiten zu stark einschränken. Es gibt zwar keine reelle Zahl, die man in das Polynom $p(X)=X^2+1$ einsetzen könnte, so dass es den Wert $0$ annimmt. -Man könnte $X$ aber als ein neues Objekt ausserhalb von $\mathbb{R}$ +Man könnte $X$ aber als ein neues Objekt ausserhalb von $\mathbb{R}$ betrachten, welches die Gleichung $X^2+1=0$ erfüllt. In den komplexen Zahlen $\mathbb{C}$ gibt es mit der imaginären Einheit $i\in\mathbb{C}$ tatsächlich ein Zahl mit der Eigenschaft @@ -80,7 +80,8 @@ verletzt. Für das Symbol $X$ sollen also die ``üblichen'' Rechenregeln gelten. Dies ist natürlich nur sinnvoll, wenn man auch mit den Koeffizienten -$a_0,\dots,a_n$ rechnen kann, sind müssen also Elemente einer +$a_0,\dots,a_n$ rechnen kann. +Sie müssen also Elemente einer algebraischen Struktur sein, in der mindestens die Addition und die Multiplikation definiert sind. Die ganzen Zahlen $\mathbb{Z}$ kommen dafür in Frage, aber auch diff --git a/buch/chapters/20-polynome/definitionen.tex b/buch/chapters/20-polynome/definitionen.tex index 82356d7..135ebf6 100644 --- a/buch/chapters/20-polynome/definitionen.tex +++ b/buch/chapters/20-polynome/definitionen.tex @@ -6,7 +6,7 @@ \section{Definitionen \label{buch:section:polynome:definitionen}} \rhead{Definitionen} -In diesem Abschnitt stellen wir einige grundlegende Definitionen für das +In diesem Abschnitt stellen wir einige grundlegende Definitionen für das Rechnen mit Polynomen zusammen. % @@ -26,7 +26,7 @@ unter einer ``Zahl'' vorstellen. Wir bezeichnen die Menge, aus der die ``Zahlen'' kommen können mit $R$ und nennen sie die Menge der Skalare. \index{Skalar}% -Wenn wir uns vorstellen, dass man die Elemente von $R$ an Stelle von $X$ +Wenn wir uns vorstellen, dass man die Elemente von $R$ an Stelle von $X$ in das Polynom einsetzen kann, dann muss es möglich sein, in $R$ zu Multiplizieren und zu Addieren, und es müssen die üblichen Rechenregeln der Algebra gelten, $R$ muss also ein Ring sein. @@ -44,7 +44,7 @@ R[X] p(X) = a_nX^n+a_{n-1}X^{n-1} + \dots a_1X+a_0\;|\; a_k\in R, n\in\mathbb{N} \} \] -heisst die Menge der {\em Polynome} mit Koeffizienten in $R$ +heisst die Menge der {\em Polynome} mit Koeffizienten in $R$ oder {\em Polynome über} $R$. \index{Polynome über $R$}% @@ -77,7 +77,7 @@ Ein Polynom heisst {\em normiert} oder auch {\em monisch}, wenn der höchste Koeffizient oder auch {\em Leitkoeffizient} des Polynomus $1$ ist, also $a_n=1$. \index{Leitkoeffizient}% -Wann man in $R$ durch $a_n$ dividieren kann, dann kann man aus dem Polynom +Wenn man in $R$ durch $a_n$ dividieren kann, dann kann man aus dem Polynom $p(X)=a_nX^n+\dots$ mit Leitkoeffizient $a_n$ das normierte Polynom \[ \frac{1}{a_n}p(X) = \frac{1}{a_n}(a_nX^n + \dots + a_0)= @@ -86,9 +86,8 @@ X^n + \frac{a_{n-1}}{a_n}X^{n-1} + \dots + \frac{a_0}{a_n} machen. Man sagt auch, das Polynom $p(X)$ wurde normiert. -Die Beschreibung der Rechenoperationen wird etwas verkompliziert durch -die Tatsache, zwei Polynome nicht gleich viele von $0$ verschiedene -Koeffizienten haben müssen. +Die Tatsache, dass zwei Polynome nicht gleich viele von $0$ verschiedene Koeffizienten haben müssen, +verkompliziert die Beschreibung der Rechenoperationen ein wenig. Wir werden daher im Folgenden oft für ein Polynom \[ p(X) @@ -118,7 +117,7 @@ definiert ist. Die Menge $R[X]$ aller Polynome über $R$ wird zu einem Ring, wenn man die Rechenoperationen Addition und Multiplikation so definiert, wie man das in der Schule gelernt hat. -Die Summe von zwei Polynomen +Die Summe von zwei Polynomen \begin{align*} p(X) &= a_nX^n + a_{n-1}X^{n-1} + \dots + a_1X + a_0\\ q(X) &= b_mX^m + b_{m-1}X^{m-1} + \dots + b_1X + b_0 @@ -129,7 +128,7 @@ p(X)+q(X) = \sum_{k} (a_k+b_k)X^k, \] -wobei die Summe wieder so zu interpretieren ist, über alle Terme +wobei die Summe wieder so zu interpretieren ist, über alle Terme summiert wird, für die mindestens einer der Summanden von $0$ verschieden ist. @@ -234,7 +233,7 @@ beweist \eqref{buch:eqn:polynome:gradprodukt}. Es könnte aber passieren, dass $a_nb_m=0$ ist, d.~h.~es ist durchaus möglich, dass der Grad kleiner ist. Schliesslich kann der höchsten Koeffizient von $\lambda p(X)$ nicht grösser -als der höchste Koeffizient von $p(X)$ sein, was +als der höchste Koeffizient von $p(X)$ sein, was \eqref{buch:eqn:polynome:gradskalar} beweist. \end{proof} @@ -253,7 +252,7 @@ a_nb_m = \begin{pmatrix}0&0\\0&0\end{pmatrix}. \end{equation} Diese unangehme Situation tritt immer ein, wenn es von Null verschiedene Elemente gibt, deren Produkt $0$ ist. -In Matrizenringen ist das der Normalfall, man kann diesen fall also nicht +In Matrizenringen ist das der Normalfall, man kann diesen Fall also nicht einfach ausschliessen. In den Zahlenmengen wie $\mathbb{Z}$, $\mathbb{Q}$ und $\mathbb{R}$ passiert das natürlich nie. @@ -262,13 +261,13 @@ das natürlich nie. Ein Ring $R$ heisst {\em nullteilerfrei}, wenn für zwei Elemente $a,b\in R$ aus $ab=0$ immer geschlossen werden kann, dass $a=0$ oder $b=0$. -Ein von $0$ verschiedenes Element $a\in R$ heisst ein Nullteiler, -wenn es eine $b\in R$ mit $b\ne 0$ gibt derart dass $b=0$. +Ein von $0$ verschiedenes Element $a\in R$ heisst Nullteiler, +wenn es eine $b\in R$ mit $b\ne 0$ gibt derart dass $ab=0$. \index{Nullteiler} \index{nullteilerfrei} \end{definition} -Die beiden Matrizen in +Die beiden Matrizen in \eqref{buch:eqn:definitionen:nullteilerbeispiel} sind Nullteiler im Ring $M_2(\mathbb{Z})$ der $2\times 2$-Matrizen. Der Matrizenring $M_2(\mathbb{Z})$ ist also nicht nullteilerfrei. @@ -294,17 +293,17 @@ Dann gilt \begin{proof}[Beweis] Der Fall, dass der höchste Koeffizient verschwindet, weil $a_n$, $b_m$ -und $\lambda$ Nullteiler sind, kann unter den gegebenen Voraussetzungen +oder $\lambda$ Nullteiler sind, kann unter den gegebenen Voraussetzungen nicht eintreten, daher werden die in Lemma~\ref{lemma:rechenregelnfuerpolynomgrad} gefunden Ungleichungen -exakt für Produkte exakt. +für Produkte exakt. \end{proof} Die Gleichung \eqref{buch:eqn:polynome:gradskalarexakt} kann im Fall $\lambda=0$ natürlich nicht gelten. Betrachten wir $\lambda$ wieder als ein Polynom, dann folgt aus -\eqref{buch:eqn:polynome:gradproduktexakt}, dass +\eqref{buch:eqn:polynome:gradsummeexakt}, dass \[ \begin{aligned} \lambda&\ne 0 &&\Rightarrow& \deg (\lambda p) &= \deg\lambda + \deg p = 0+\deg p @@ -312,13 +311,14 @@ Betrachten wir $\lambda$ wieder als ein Polynom, dann folgt aus \lambda&=0 &&\Rightarrow& \deg (0 p) &= \deg 0 + \deg p = \deg 0 \end{aligned} \] -Diese Gleichung kann also nur aufrechterhalten werden, wenn $\deg 0$ eine -Zahl ist mit der Eigenschaft, dass man immer noch $\deg 0$ bekommt, -wenn man irgend eine Zahl $\deg p$ hinzuaddiert. -So eine Zahl gibt es in den ganzen Zahlen nicht, wenn zu einer ganzen -Zahl eine andere ganze Zahl hinzuaddiert, ändert sich fast immer etwas. -Man muss daher $\deg 0 = -\infty$ setzen mit der Festlegung, dass -$-\infty + n = -\infty$ gilt für beliebige ganze Zahlen $n$. +Diese Gleichung kann also nur aufrechterhalten werden, wenn die ``Zahl'' $\deg 0$ die Eigenschaft besitzt, dass man immer noch $\deg 0$ bekommt, +wenn man irgend eine Zahl $\deg p$ hinzuaddiert. Wenn also +\[\deg 0 + \deg p = \deg 0 \qquad \forall \deg p \in \mathbb Z\] +gilt. +So eine Zahl gibt es in den ganzen Zahlen nicht. +Wenn man zu einer ganzen Zahl eine andere ganze Zahl hinzuaddiert, ändert sich fast immer etwas. +Man muss daher $\deg 0 = -\infty$ setzen und festlegen, dass +$-\infty + n = -\infty$ für beliebige ganze Zahlen $n$ gilt. \begin{definition} \label{buch:def:definitionen:polynomfilterung} @@ -338,18 +338,18 @@ R^{(-\infty)}[X] & \subset & R^{(0)}[X] & \subset & R^{(1)}[X] & \subset & \dots & \subset & R^{(k)}[X] & \subset - & R^{(k+1)}[x] & \subset & \dots & \subset + & R^{(k+1)}[X] & \subset & \dots & \subset & R[X]\\[3pt] \bigg\| & &\bigg\| & - &\bigg\| & & & + &\bigg\| & & & && && & & & \\[3pt] \{0\} & \subset & R & \subset - & \{ax+b\;|a,b\in R\} & \subset & \dots & + & \{a_1X+a_0\;|a_k\in R\} & \subset & \dots & \end{array} \] und ihre Vereinigung ist $R[X]$. @@ -378,7 +378,199 @@ R^{(k+l)}[X]. % \subsection{Teilbarkeit \label{buch:subsection:polynome:teilbarkeit}} -XXX TODO +Im Ring der ganzen Zahlen sind nicht alle Divisionen ohne Rest +ausführbar, so entsteht das Konzept der Teilbarkeit. +Der Divisionsalgorithmus, den man in der Schule lernt, liefert +zu beliebigen ganzen Zahlen $a,b\in\mathbb{Z}$ den Quotienten +$q$ und den Rest $r$ derart, dass $a=qb+r$. +Der Algorithmus basiert auf der Zehnersystemdarstellung +\begin{align*} +a &= a_n10^{n} + a_{n-1}10^{n-1} + \dots + a_110^{1} + a_0 +\\ +b &= b_m10^{n} + b_{m-1}10^{n-1} + \dots + b_110^{1} + b_0 +\end{align*} +und ermittelt den Quotienten, indem er mit den einzelnen Stellen +$a_k$ und $b_k$ arbeitet. +Er ist also eigentlich ein Algorithmus für die Polynome +\begin{align*} +a &= a_nX^{n} + a_{n-1}X^{n-1} + \dots + a_1X^{1} + a_0 +\\ +b &= b_mX^{n} + b_{m-1}X^{n-1} + \dots + b_1X^{1} + b_0, +\end{align*} +mit dem einzigen Unterschied, dass statt $X$ mit der festen Zahl $X=10$ +gearbeitet wird. +Der Teilungsalgorithmus für Polynome lässt sich aber leicht +rekonstruieren. + +\subsubsection{Polynomdivision} +Wir zeigen den Polynomdivisionsalgorithmus an einem konkreten Beispiel. +Gesucht sind Quotient $q\in \mathbb{Z}[X]$ und Rest $r\in\mathbb{Z}[X]$ +der beiden Polynome +\begin{equation} +\begin{aligned} +a(X) &= X^4 - X^3 -7X^2 + X + 6\\ +b(X) &= X^2+X+1, +\end{aligned} +\label{buch:polynome:eqn:divisionsaufgabe} +\end{equation} +für die also gilt $a=bq+r$. +Die Division ergibt +\[ +\arraycolsep=1.4pt +\begin{array}{rcrcrcrcrcrcrcrcrcrcr} +X^4&-& X^3&-&7X^2&+& X&+&6&:&X^2&+&X&+&1&=&X^2&-&2X&-&6=q\\ +\llap{$-($}X^4&+& X^3&+& X^2\rlap{$)$}& & & & & & & & & & & & & & & & \\ \cline{1-5} + &-&2X^3&-&8X^2&+& X& & & & & & & & & & & & & & \\ + &\llap{$-($}-&2X^3&-&2X^2&-&2X\rlap{$)$}& & & & & & & & & & & & & & \\ \cline{2-7} + & & &-&6X^2&+&3X&+&6& & & & & & & & & & & & \\ + & & &\llap{$-($}-&6X^2&-&6X&-&6\rlap{$)$}& & & & & & & & & & & & \\ \cline{4-9} + & & & & & &9X&+&12\rlap{$\mathstrut=r$}& & & & & & & & & & & & \\ \cline{7-9} +\end{array} +\] +Durch nachrechnen kann man überprüfen, dass tatsächlich +\begin{align*} +bq +&= +X^4-X^3-7X^2-8X-6 +\\ +bq+r&= +X^4-X^3-7X^2+X+6 = a +\end{align*} +gilt. + +Das Beispiel~\eqref{buch:polynome:eqn:divisionsaufgabe} war besonders +einfach, weil der führende Koeffizient des Divisorpolynomes $1$ war. +Für $b=2X^2+X+1$ funktioniert der Algorithmus dagegen nicht mehr. +Jedes für $q$ in Frage kommende Polynom vom Grad $2$ muss von der +Form $q=q_2X^2+q_1X+q_0$ sein. +Multipliziert man mit $b$, erhält man $bq=2q_2X^4 + (2q_1+q_2)X^3+\dots$. +Insbesondere ist es nicht möglich mit ganzzahligen Quotienten +$q_k\in\mathbb{Z}$ auch nur der ersten Koeffizienten von $a$ zu +erhalten. +Dazu müsste nämlich $a_n = 1 = 2q_2$ oder $q_2 = \frac12\not\in\mathbb{Z}$ +sein. +Der Divisionsalgorithmus funktioniert also nur dann, wenn die +Division durch den führenden Koeffizienten des Divisorpolynomes $b$ +immer ausführbar ist. +Im Beispiel~\eqref{buch:polynome:eqn:divisionsaufgabe} war das der +Fall, weil der führende Koeffizient $1$ war. +Für beliebige Polynome $b\in R[X]$ ist das aber nur der Fall, +wenn die Koeffizienten in Tat und Wahrheit einem Körper entstammen. + +Im Folgenden betrachten wir daher nur noch Polynomringe mit Koeffizienten +in einem Körper $\Bbbk$. +In $\mathbb{Q}[X]$ ist die Division $a:b$ für die Polynome +\begin{equation} +\begin{aligned} +a(X) &= X^4 - X^3 -7X^2 + X + 6\\ +b(X) &= X^2+X+1, +\end{aligned} +\label{buch:polynome:eqn:divisionsaufgabe} +\end{equation} +problemlos durchführbar: +\[ +\arraycolsep=1.4pt +\renewcommand{\arraystretch}{1.2} +\begin{array}{rcrcrcrcrcrcrcrcrcrcr} +X^4&-& X^3&-& 7X^2&+& X&+& 6&:&2X^2&+&X&+&1&=&\frac12X^2&-&\frac34X&-\frac{27}{8} = q\\ +\llap{$-($}X^4&+&\frac12X^3&+& \frac12X^2\rlap{$)$}& & & & & & & & & & & & & & & \\ \cline{1-5} + &-&\frac32X^3&-&\frac{15}2X^2&+& X& & & & & & & & & & & & & \\ + &\llap{$-($}-&\frac32X^3&-&\frac{ 3}4X^2&-&\frac{ 3}4X\rlap{$)$}& & & & & & & & & & & & & \\\cline{2-7} + & & &-&\frac{27}4X^2&+&\frac{ 7}4X&+& 6& & & & & & & & & & & \\ + & & &\llap{$-($}-&\frac{27}4X^2&-&\frac{27}8X&-&\frac{27}{8}\rlap{$)$}& & & & & & & & & & & \\\cline{4-9} + & & & & & &\frac{41}8X&+&\frac{75}{8}\rlap{$\mathstrut=r$}& & & & & & & & & & & \\ +\end{array} +\] +Der Algorithmus funktioniert selbstverständlich genauso in $\mathbb{R}[X]$ +oder $\mathbb{C}[X]$, und ebenso in den in +Kapitel~\ref{buch:chapter:endliche-koerper} studierten endlichen Körpern. + +\subsubsection{Euklidische Ringe und Faktorzerlegung} +Der Polynomring $\Bbbk[X]$ hat noch eine weitere Eigenschaft, die ihn +von einem gewöhnlichen Ring unterschiedet. +Der Polynomdivisionsalgorithmus findet zu zwei Polynomen $f,g\in\Bbbk[X]$ +den Quotienten $q\in\Bbbk[X]$ und den Rest $r\in\Bbbk[X]$ mit +$f=qg+r$, wobei ausserdem $\deg r<\deg g$ ist. + +\begin{definition} +Ein {\em euklidischer Ring} $R$ ist ein nullteilerfreier Ring mit einer +Gradfunktion $\deg\colon R\setminus\{0\}\to\mathbb{N}$ mit folgenden +Eigenschaften +\begin{enumerate} +\item Für $x,y\in R$ gilt $\deg(xy) \ge \deg(x)$. +\item Für alle $x,y\in R$ gibt es $q,r\in R$ mit $x=qy+r$ mit +$\deg(y)>\deg(x)$ +\label{buch:20-polynome:def:euklidischerring-2} +\end{enumerate} +Bedingung~\ref{buch:20-polynome:def:euklidischerring-2} ist die +{\em Division mit Rest}. +\index{Gradfunktion}% +\index{Division mit Rest}% +\index{euklidischer Ring}% +\end{definition} + +Die ganzen Zahlen $\mathbb{Z}$ bilden einen euklidischen Ring mit der +Gradfunktion $\deg(z)=|z|$ für $z\in \mathbb{Z}$. +Aus dem Divisionsalgorithmus für ganze Zahlen leiten sich alle grundlegenden +Eigenschaften über Teilbarkeit und Primzahlen ab. +Eine Zahl $x$ ist teilbar durch $y$, wenn $x=qy$ mit $q\in \mathbb{Z}$, +es gibt Zahlen $p\in\mathbb{Z}$, die keine Teiler haben und jede Zahl +kann auf eindeutige Art und Weise in ein Produkt von Primfaktoren +zerlegt werden. + +\subsubsection{Irreduzible Polynome} +Das Konzept der Primzahl lässt sich wie folgt in den Polynomring übertragen. + +\begin{definition} +Ein Polynom $f\in R[X]$ heisst irreduzibel, es keine Faktorisierung $f=gh$ +in Faktoren $g,h\in R[X]$ mit $\deg(g)>0$ und $\deg(h) >0$. +\end{definition} + +\begin{beispiel} +Polynome ersten Grades $aX+b$ sind immer irreduzibel, da sie bereits +minimalen Grad haben. + +Sei jetzt $f=X^2+bX+c$ ein quadratisches Polynom in $\mathbb{Q}[X]$. +Wenn es faktorisierbar sein soll, dann müssen die Faktoren Polynome +ersten Grades sein, also $f=(X-x_1)(X-x_2)$ mit $x_i\in\mathbb{Q}$. +Die Zahlen $x_i$ die einzigen möglichen Lösungen für $x_i$ können mit +der Lösungsformel für die quadratische Gleichung +\[ +x_i = -\frac{b}2\pm\sqrt{\frac{b^2}{4}-c} +\] +gefunden werden. +Die Faktorisierung ist also genau dann möglich, wenn $b^2/4-c$ ein +Quadrat in $\mathbb{Q}$. +In $\mathbb{R}$ ist das Polynom faktorisierbar, wenn $b^2-4c\ge 0$ ist. +In $\mathbb{C}$ gibt es keine Einschränkung, die Wurzel zu ziehen, +in $\mathbb{C}$ gibt es also keine irreduziblen Polynome im Grad $2$. +\end{beispiel} + +\subsubsection{Faktorisierung in einem Polynomring} +Ein Polynomring ist ganz offensichtlich auch ein euklidischer Ring. +Wir erwarten daher die entsprechenden Eigenschaften auch in einem +Polynomring. +Allerdings ist eine Faktorzerlegung nicht ganz eindeutig. +Wenn das Polynom $f\in\mathbb{Z}[X]$ die Faktorisierung +$f=g\cdot h$ mit $g,h\mathbb{Z}[X]$ hat, dann +ist $rg\cdot r^{-1}h$ ebenfalls eine Faktorisierung für jedes $r =\pm1$. +Dasselbe gilt in $\mathbb{Q}$ für jedes $r\in \mathbb{Q}^*$. +Faktorisierung ist also nur eindeutig bis auf Elemente der +Einheitengruppe des Koeffizientenringes. +Diese Mehrdeutigkeit kann in den Polynomringen $\Bbbk[X]$ +überwunden werden, indem die Polynome normiert werden. + +\begin{satz} +Ein normiertes Polynom $f\in \Bbbk[X]$ kann in +normierte Faktoren $g_1,\dots,g_k\in\Bbbk[X]$ zerlegt werden, so dass +$f=g_1\cdot\ldots\cdot g_k$, wobei die Faktoren irreduzibel sind. +Zwei solche Faktorisierungen unterscheiden sich nur durch die Reihenfolge +der Faktoren. +Ein Polynom $f\in \Bbbk[X]$ kann in ein Produkt $a_n g_1\cdot\ldots\cdot g_k$ +zerlegt werden, wobei die normierten Faktoren $g_i$ bis auf die Reihenfolge +eindeutig sind. +\end{satz} + % % Abschnitt über formale Potenzreihen diff --git a/buch/chapters/20-polynome/vektoren.tex b/buch/chapters/20-polynome/vektoren.tex index a797c09..408587d 100644 --- a/buch/chapters/20-polynome/vektoren.tex +++ b/buch/chapters/20-polynome/vektoren.tex @@ -35,17 +35,17 @@ Die Abbildung von Vektoren auf Polynome \colon R^n \to R[X] : \begin{pmatrix}a_0\\\vdots\\a_n\end{pmatrix} -\mapsto +\mapsto a_nX^n + a_{n-1}X^{n-1}+\dots+a_1X+a_0 \] -erfüllt also +erfüllt also \[ \varphi( \lambda a) = \lambda \varphi(a) \qquad\text{und}\qquad \varphi(a+b) = \varphi(a) + \varphi(b) \] und ist damit eine lineare Abbildung. -Umgekehrt kann man auch zu jedem Polynom $p(X)$ vom Grad $\le n$ einen +Umgekehrt kann man auch zu jedem Polynom $p(X)$ vom Grad~$\le n$ einen Vektor finden, der von $\varphi$ auf das Polynom $p(X)$ abgebildet wird. Die Abbildung $\varphi$ ist also ein Isomorphismus \[ @@ -108,7 +108,7 @@ b_0\\b_1\\\vdots\\b_m\\0\\\vdots \end{pmatrix} . \] -Die Moduln $R^{k}$ sind also alle ineinandergeschachtelt, können aber +Die Moduln $R^{k}$ sind also alle ineinandergeschachtelt, können aber alle auf konsistente Weise mit der Abbildung $\varphi$ in den Polynomring $R[X]$ abgebildet werden. \begin{center} |