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+++ b/buch/chapters/40-eigenwerte/grundlagen.tex
@@ -0,0 +1,1002 @@
+%
+% grundlagen.tex -- Grundlagen
+%
+% (c) 2021 Prof Dr Andreas Müller, OST Ostschweizer Fachhochschule
+%
+\section{Grundlagen
+\label{buch:section:grundlagen}}
+\rhead{Grundlagen}
+Die Potenzen $A^k$ sind besonders einfach zu berechnen, wenn die Matrix
+Diagonalform hat, wenn also $A=\operatorname{diag}(\lambda_1,\dots,\lambda_n)$
+ist.
+In diesem Fall ist $Ae_k=\lambda_k e_k$ für jeden Standardbasisvektor $e_k$.
+Statt sich auf Diagonalmatrizen zu beschränken könnten man also auch
+Vektoren $v$ suchen, für die gilt $Av=\lambda v$, die also von $A$ nur
+gestreckt werden.
+Gelingt es, eine Basis aus solchen sogenanten {\em Eigenvektoren} zu finden,
+dann kann man die Matrix $A$ durch Basiswechsel in diese Form bringen.
+
+%
+% Kern und Bild von Matrixpotenzen
+%
+\subsection{Kern und Bild von Matrixpotenzen
+\label{buch:subsection:kern-und-bild}}
+In diesem Abschnitt ist $A\in M_n(\Bbbk)$, $A$ beschreibt eine lineare
+Abbildung $f\colon\Bbbk^n\to \Bbbk^n$.
+In diesem Abschnitt sollen Kern und Bild der Potenzen $A^k$ untersucht
+werden.
+\begin{definition}
+Wir bezeichnen Kern und Bild der iterierten Abbildung $A^k$ mit
+\[
+\mathcal{K}^k(A)
+=
+\ker A^k
+\qquad\text{und}\qquad
+\mathcal{J}^k(A)
+=
+\operatorname{im} A^k.
+\]
+\end{definition}
+
+Durch Iteration wird das Bild immer kleiner.
+Wegen
+\[
+\mathcal{J}^k (A)
+=
+\operatorname{im} A^k
+=
+\operatorname{im} A^{k-1} A
+=
+\{ A^{k-1} Av\;|\; v \in \Bbbk^n\}
+\subset
+\{ A^{k-1} v\;|\; v \in \Bbbk^n\}
+=
+\mathcal{J}^{k-1}(A)
+\]
+folgt
+\begin{equation}
+\Bbbk^n
+=
+\operatorname{im}E
+=
+\operatorname{im}A^0
+=
+\mathcal{J}^0(A)
+\supset
+\mathcal{J}^1(A)
+=
+\operatorname{im}A
+\supset
+\mathcal{J}^2(A)
+\supset\dots\supset
+\mathcal{J}^k(A)
+\supset
+\mathcal{J}^{k+1}(A)
+\supset \dots \supset
+\{0\}.
+\label{buch:eigenwerte:eqn:Jkchain}
+\end{equation}
+Für die Kerne gilt etwas Ähnliches.
+Ein Vektor $x\in \mathcal{K}^k(A)$ erfüllt $A^kx=0$.
+Dann erfüllt er aber erst recht auch
+\[
+A^{k+1}x=A\underbrace{A^kx}_{\displaystyle=0}=0,
+\]
+also ist $x\in\mathcal{K}^k(A)$.
+Es folgt
+\begin{equation}
+\{0\}
+=
+\mathcal{K}^0(A) = \ker A^0 = \ker E
+\subset
+\mathcal{K}^1(A) = \ker A
+\subset
+\dots
+\subset
+\mathcal{K}^k(A)
+\subset
+\mathcal{K}^{k+1}(A)
+\subset
+\dots
+\subset
+\Bbbk^n.
+\label{buch:eigenwerte:eqn:Kkchain}
+\end{equation}
+Neben diesen offensichtlichen Resultaten kann man aber noch mehr
+sagen.
+Es ist klar, dass in beiden Ketten
+\label{buch:eigenwerte:eqn:Jkchain}
+und
+\label{buch:eigenwerte:eqn:Kkchain}
+nur in höchstens $n$ Schritten eine wirkliche Änderung stattfinden
+kann.
+Man kann aber sogar genau sagen, wo Änderungen stattfinden:
+
+\begin{satz}
+\label{buch:eigenwerte:satz:ketten}
+Ist $A\in M_n(\Bbbk)$ eine $n\times n$-Matrix, dann gibt es eine Zahl $k$
+so, dass
+\[
+\begin{array}{rcccccccccccl}
+0=\mathcal{K}^0(A)
+&\subsetneq& \mathcal{K}^1(A) &\subsetneq& \mathcal{K}^2(A)
+&\subsetneq&\dots&\subsetneq&
+\mathcal{K}^k(A) &=& \mathcal{K}^{k+1}(A) &=& \dots
+\\
+\Bbbk^n= \mathcal{J}^0(A)
+&\supsetneq& \mathcal{J}^1(A) &\supsetneq& \mathcal{J}^2(A)
+&\supsetneq&\dots&\supsetneq&
+\mathcal{J}^k(A) &=& \mathcal{J}^{k+1}(A) &=& \dots
+\end{array}
+\]
+ist.
+\end{satz}
+
+\begin{proof}[Beweis]
+Es sind zwei Aussagen zu beweisen.
+Erstens müssen wir zeigen, dass die Dimension von $\mathcal{K}^i(A)$
+nicht mehr grösser werden kann, wenn sie zweimal hintereinander gleich war.
+Nehmen wir daher an, dass $\mathcal{K}^i(A) = \mathcal{K}^{i+1}(A)$.
+Wir müssen $\mathcal{K}^{i+2}(A)$ bestimmen.
+$\mathcal{K}^{i+2}(A)$ besteht aus allen Vektoren $x\in\Bbbk^n$ derart,
+dass $Ax\in \mathcal{K}^{i+1}(A)=\mathcal{K}^i(A)$ ist.
+Daraus ergibt sich, dass $AA^ix=0$, also ist $x\in\mathcal{K}^{i+1}(A)$.
+Wir erhalten also
+$\mathcal{K}^{i+2}(A)\subset\mathcal{K}^{i+1}\subset\mathcal{K}^{i+2}(A)$,
+dies ist nur möglich, wenn beide gleich sind.
+
+Analog kann man für die Bilder vorgehen.
+Wir nehmen an, dass $\mathcal{J}^i(A) = \mathcal{J}^{i+1}(A)$ und
+bestimmten $\mathcal{J}^{i+2}(A)$.
+$\mathcal{J}^{i+2}(A)$ besteht aus all jenen Vektoren, die als
+$Ax$ mit $x\in\mathcal{J}^{i+1}(A)=\mathcal{J}^i(A)$ erhalten
+werden können.
+Es gibt also insbesondere ein $y\in\Bbbk^i$ mit $x=A^iy$.
+Dann ist $Ax=A^{i+1}y\in\mathcal{J}^{i+1}(A)$.
+Insbesondere besteht $\mathcal{J}^{i+2}(A)$ genau aus den Vektoren
+von $\mathcal{J}^{i+1}(A)$.
+
+Zweitens müssen wir zeigen, dass die beiden Ketten bei der gleichen
+Potenz von $A$ konstant werden.
+Dies folgt jedoch daraus, dass $\dim\mathcal{J}^i(A) = \operatorname{Rang} A^i
+= n - \dim\ker A^i = n -\dim\mathcal{K}^i(A)$.
+Der Raum $\mathcal{J}^k(A)$ hört also beim gleichen $i$ auf, kleiner
+zu werden, bei dem auch $\mathcal{K}^i(A)$ aufhört, grösser zu werden.
+\end{proof}
+
+\begin{satz}
+Die Zahl $k$ in Satz~\ref{buch:eigenwerte:satz:ketten}
+ist nicht grösser als $n$, also
+\[
+\mathcal{K}^n(A) = \mathcal{K}^l(A)
+\qquad\text{und}\qquad
+\mathcal{J}^n(A) = \mathcal{J}^l(A)
+\]
+für $l\ge n$.
+\end{satz}
+
+\begin{proof}[Beweis]
+Nach Satz~\ref{buch:eigenwerte:satz:ketten} muss die
+Dimension von $\mathcal{K}^i(A)$ in jedem Schritt um mindestens
+$1$ zunehmen, das ist nur möglich, bis zur Dimension $n$.
+Somit können sich $\mathcal{K}^i(A)$ und $\mathcal{J}^i(A)$ für $i>n$
+nicht mehr ändern.
+\end{proof}
+
+\begin{definition}
+\label{buch:eigenwerte:def:KundJ}
+Die gemäss Satz~\ref{buch:eigenwerte:satz:ketten} identischen Unterräume
+$\mathcal{K}^i(A)$ für $i\ge k$ und die identischen Unterräume
+$\mathcal{J}^i(A)$ für $i\ge k$ werden mit
+\[
+\begin{aligned}
+\mathcal{K} &= \mathcal{K}^i(A)&&\forall i\ge k \qquad\text{und}
+\\
+\mathcal{J} &= \mathcal{J}^i(A)&&\forall i\ge k
+\end{aligned}
+\]
+bezeichnet.
+\end{definition}
+
+%
+% Inveriante Unterräume
+%
+\subsection{Invariante Unterräume
+\label{buch:subsection:invariante-unterraeume}}
+Kern und Bild sind der erste Schritt zu einem besseren Verständnis
+einer linearen Abbildung oder ihrer Matrix.
+Invariante Räume dienen dazu, eine lineare Abbildung in einfachere
+Abbildungen zwischen ``kleineren'' Räumen zu zerlegen, wo sie leichter
+analysiert werden können.
+
+\begin{definition}
+Sei $f\colon V\to V$ eine lineare Abbildung eines Vektorraums in sich
+selbst.
+Ein Unterraum $U\subset V$ heisst {\em invarianter Unterraum},
+wenn
+\[
+f(U) = \{ f(x)\;|\; x\in U\} \subset U
+\]
+gilt.
+\end{definition}
+
+Der Kern $\ker A$ einer linearen Abbildung ist trivialerweise ein
+invarianter Unterraum, da alle Vektoren in $\ker A$ auf $0\in\ker A$
+abgebildet werden.
+Ebenso ist natürlich $\operatorname{im}A$ ein invarianter Unterraum,
+denn jeder Vektor wird in $\operatorname{im}A$ abgebildet, insbesondere
+auch jeder Vektor in $\operatorname{im}A$.
+
+\begin{satz}
+\label{buch:eigenwerte:satz:KJinvariant}
+Sei $f\colon V\to V$ eine lineare Abbildung mit Matrix $A$.
+Jeder der Unterräume $\mathcal{J}^i(A)$ und $\mathcal{K}^i(A)$
+ist ein invarianter Unterraum.
+\end{satz}
+
+\begin{proof}[Beweis]
+Sei $x\in\mathcal{K}^i(A)$, es gilt also $A^ix=0$.
+Wir müssen überprüfen, dass $Ax\in\mathcal{K}^i(A)$.
+Wir berechnen daher $A^i\cdot Ax=A^{i+1}x=A\cdot A^ix = A\cdot 0=0$,
+was zeigt, dass $Ax\in\mathcal{K}^i(A)$.
+
+Sei jetzt $x\in\mathcal{J}^i(A)$, es gibt also ein $y\in V$ derart, dass
+$A^iy=x$.
+Wir müssen überprüfen, dass $Ax\in\mathcal{J}^i(A)$.
+Dazu berechnen wir $Ax=AA^iy=A^iAy\in\mathcal{J}^i(A)$, $Ax$ ist also das
+Bild von $Ay$ unter $A^i$.
+\end{proof}
+
+\begin{korollar}
+Die Unterräume $\mathcal{K}(A)\subset V$ und $\mathcal{J}(A)\subset V$
+sind invariante Unterräume.
+\end{korollar}
+
+Die beiden Unterräume $\mathcal{K}(A)$ und $\mathcal{J}(A)$ sind besonders
+interessant, da wir aus der Einschränkung der Abbildung $f$ auf diese
+Unterräume mehr über $f$ lernen können.
+
+\begin{satz}
+\label{buch:eigenwerte:satz:fJinj}
+Die Einschränkung von $f$ auf $\mathcal{J}(A)$ ist injektiv.
+\end{satz}
+
+\begin{proof}[Beweis]
+Die Einschränkung von $f$ auf $\mathcal{J}^k(A)$ ist
+$\mathcal{J}^k(A) \to \mathcal{J}^{k+1}(A)$, nach Definition von
+$\mathcal{J}^{k+1}(A)$ ist diese Abbildung surjektiv.
+Da aber $\mathcal{J}^k(A)=\mathcal{J}^{k+1}(A)$ ist, ist
+$f\colon \mathcal{J}^k(A)\to\mathcal{J}^k(A)$ surjektiv,
+also ist $f$ auf $\mathcal{J}^k(A)$ auch injektiv.
+\end{proof}
+
+Die beiden Unterräume $\mathcal{J}(A)$ und $\mathcal{K}(A)$
+sind Bild und Kern der iterierten Abbildung mit Matrix $A^k$.
+Das bedeutet, dass $\dim\mathcal{J}(A)+\mathcal{K}(A)=n$.
+Da $\mathcal{K}(A)=\ker A^k$ und andererseits $A$ injektiv ist auf
+$\mathcal{J}(A)$, muss $\mathcal{J}(A)\cap\mathcal{K}(A)=0$.
+Es folgt, dass $V=\mathcal{J}(A) + \mathcal{K}(A)$.
+
+In $\mathcal{K}(A)$ und $\mathcal{J}(A)$ kann man unabhängig voneinander
+jeweils eine Basis wählen.
+Die Basen von $\mathcal{K}(A)$ und $\mathcal{J}(A)$ zusammen ergeben
+eine Basis von $V$.
+Die Matrix $A'$ in dieser Basis wird die Blockform
+\[
+A'
+=
+\left(
+\begin{array}{ccc|ccc}
+&&&&&\\
+&A_{\mathcal{K}'}&&&&\\
+&&&&&\\
+\hline
+&&&&&\\
+&&&&A_{\mathcal{J}'}&\\
+&&&&&\\
+\end{array}
+\right)
+\]
+haben, wobei die Matrix $A_\mathcal{J}'$ invertierbar ist.
+Die Zerlegung in invariante Unterräume ergibt also eine natürlich
+Aufteilung der Matrix $A$ in kleiner Matrizen mit zum Teil bekannten
+Eigenschaften.
+
+%
+% Spezialfall, nilpotente Matrizen
+%
+\subsection{Nilpotente Matrizen
+\label{buch:subsection:nilpotente-matrizen}}
+Die Zerlegung von $V$ in die beiden invarianten Unterräume $\mathcal{J}(A)$
+und $\mathcal{K}(A)$ reduziert die lineare Abbildung auf zwei Abbildungen
+mit speziellen Eigenschaften.
+Es wurde bereits in Satz~\label{buch:eigenwerte:satz:fJinj} gezeigt,
+dass die Einschränkung auf $\mathcal{J}(A)$ injektiv ist.
+Die Einschränkung auf $\mathcal{K}(A)$ bildet nach Definition alle
+Vektoren nach $k$-facher Iteration auf $0$ ab, $A^k\mathcal{K}(A)=0$.
+Solche Abbildungen haben eine speziellen Namen.
+
+\begin{definition}
+\label{buch:eigenwerte:def:nilpotent}
+Eine Matrix $A$ heisst nilpotent, wenn es eine Zahl $k$ gibt, so dass
+$A^k=0$.
+\end{definition}
+
+\begin{beispiel}
+Obere (oder untere) Dreiecksmatrizen mit Nullen auf der Diagonalen
+sind nilpotent.
+Wir rechnen dies wie folgt nach.
+Die Matrix $A$ mit Einträgen $a_{ij}$
+\[
+A=\begin{pmatrix}
+ 0 &a_{12}&a_{13}&\dots &a_{1,n-1}&a_{1n} \\
+ 0 & 0 &a_{23}&\dots &a_{1,n-1}&a_{2n} \\
+ 0 & 0 & 0 &\dots &a_{1,n-1}&a_{3n} \\
+\vdots&\vdots&\vdots&\ddots&\vdots &\vdots \\
+ 0 & 0 & 0 &\dots & 0 &a_{n-1,n}\\
+ 0 & 0 & 0 &\dots & 0 & 0
+\end{pmatrix}
+\]
+erfüllt $a_{ij}=0$ für $i\ge j$.
+Wir zeigen jetzt, dass sich bei der Multiplikation die nicht
+verschwinden Elemente bei der Multiplikation noch rechts oben
+verschieben.
+Dazu multiplizieren wir zwei Matrizen $B$ und $C$ mit
+$b_{ij}=0$ für $i+k>j$ und $c_{ij}=0$ für $i+l>j$.
+In der folgenden graphischen Darstellung der Matrizen sind die
+Bereiche, wo die Matrixelemente verschwinden, weiss.
+\begin{center}
+\includegraphics{chapters/40-eigenwerte/images/nilpotent.pdf}
+\end{center}
+Bei der Berechnung des Elementes $d_{ij}$ wird die Zeile $i$ von $B$
+mit der Spalte $j$ von $C$ multipliziert.
+Die blau eingefärbten Elemente in dieser Zeile und Spalte sind $0$.
+Aus der Darstellung ist abzulesen, dass das Produkt verschwindet,
+die roten, von $0$ verschiedenen Elemente von den blauen Elementen
+annihiliert werden.
+Dies passiert immer, wenn $i+k>j-l$ ist, oder $i+(k+l)> j$.
+
+Wir wenden diese Beobachtung jetzt auf die Potenzen $A^s$ an.
+Für die Matrixelemente von $A^s$ schreiben wir $a^s_{ij}$.
+Wir behaupten, dass die Matrixelemente $A^s$ die Bedingung
+$a_{ij}^s=0$ für $i+s>j$ erfüllen.
+Dies ist für $s=1$ nach Voraussetzung richtig, dies ist die
+Induktionsvoraussetzung.
+Nehmen wir jetzt an, dass $a_{ij}^s=0$ für $i+s>j$, dann folgt
+aus obiger Rechnung, dass $a_{ij}^{s+1}=0$ für $i+s+1>j$, so
+dass die Bedingung auch für $A^s$ gilt (Induktionsschritt).
+Mit vollständiger Induktion folgt, dass $a_{ij}^s=0$ für $i+s>j$.
+Insbesondere ist $A^n=0$, die Matrix $A$ ist nilpotent.
+\end{beispiel}
+
+Man kann die Konstruktion der Unterräume $\mathcal{K}^i(A)$ weiter
+dazu verwenden, eine Basis zu finden, in der eine nilpotente Matrix
+eine besonders einfach Form erhält.
+
+\begin{satz}
+\label{buch:eigenwerte:satz:nnilpotent}
+Sei $A$ eine nilpotente $n\times n$-Matrix mit der Eigenschaft, dass
+$A^{n-1}\ne 0$.
+Dann gibt es eine Basis so, dass $A$ die Form
+\begin{equation}
+A'
+=
+\begin{pmatrix}
+0&1& & & & \\
+ &0&1& & & \\
+ & &0& & & \\
+ & & &\ddots&1& \\
+ & & & &0&1\\
+ & & & & &0\\
+\end{pmatrix}
+\label{buch:eigenwerte:eqn:nnilpotent}
+\end{equation}
+bekommt.
+\end{satz}
+
+\begin{proof}[Beweis]
+Da $A^{n-1}\ne 0$ ist, gibt es einen Vektor $b_n$ derart, dass $A^{n-1}b_n\ne0$.
+Wir konstruieren die Vektoren
+\[
+b_n,\;
+b_{n-1}=Ab_n,\;
+b_{n-2}=Ab_{n-1},\;
+\dots,\;
+b_2=Ab_3,\;
+b_1=Ab_2.
+\]
+Aus der Konstruktion folgt $b_1=A^{n-1}b_n\ne 0$, aber $Ab_1=A^nb_n=0$.
+Aus der Konstruktion der iterierten Kerne $\mathcal{K}^i(A)$ folgt jetzt,
+dass die Vektoren $b_1,\dots,b_n$ eine Basis bilden.
+In dieser Basis hat die Matrix die Form~\ref{buch:eigenwerte:eqn:nnilpotent}.
+\end{proof}
+
+\begin{definition}
+Wir bezeichnen mit $N_n$ eine Matrix der Form
+\eqref{buch:eigenwerte:eqn:nnilpotent}.
+\end{definition}
+
+Mit etwas mehr Sorgfalt kann man auch die Bedingung, dass $A^{n-1}\ne 0$
+sein muss, im Satz~\ref{buch:eigenwerte:satz:nnilpotent} loswerden.
+
+\begin{satz}
+\label{buch:eigenwerte:satz:allgnilpotent}
+Sei $A$ ein nilpotente Matrix, dann gibt es eine Basis, in der die Matrix
+aus lauter Nullen besteht ausser in den Einträgen unmittelbar oberhalb der
+Hauptdiagonalen, wo die Einträge $0$ oder $1$ sind.
+Insbesondere zerfällt eine solche Matrix in Blöcke der Form $N_{k_i}$,
+$i=1,\dots,l$,
+wobei $k_1+\dots+k_l=n$ sein muss:
+\begin{equation}
+\def\temp#1{\multicolumn{1}{|c}{\raisebox{0pt}[17pt][12pt]{\phantom{x}$#1\mathstrut$}\phantom{x}}}
+A'
+=\left(
+\begin{array}{cccc}
+\cline{1-1}
+\temp{N_{k_1}} &\multicolumn{1}{|c}{}& & \\
+\cline{1-2}
+ &\temp{N_{k_2}}&\multicolumn{1}{|c}{}& \\
+\cline{2-3}
+ & &\temp{\ddots}&\multicolumn{1}{|c}{}\\
+\cline{3-4}
+ & & &\multicolumn{1}{|c|}{\raisebox{0pt}[17pt][12pt]{\phantom{x}$N_{k_l}$}\phantom{x}}\\
+\cline{4-4}
+\end{array}
+\right)
+\label{buch:eigenwerte:eqn:allgnilpotent}
+\end{equation}
+\end{satz}
+
+Die Einschränkung von $f$ auf den invarianten Unterraum $\mathcal{K}(A)$
+ist nilpotent.
+Die Zerlegung $V=\mathcal{J}(A)\oplus \mathcal{K}(A)$ führt also zu einer
+Zerlegung der Abbildung $f$ in eine invertierbare Abbildung
+$\mathcal{J}(A)\to\mathcal{J}(A)$ und eine
+nilpotente Abbildung $\mathcal{K}(A)\to\mathcal{K}(A)$.
+Nach Satz~\ref{buch:eigenwerte:satz:allgnilpotent} kann man in
+$\mathcal{K}(A)$ eine Basis so wählen, dass die Matrix die Blockform
+\eqref{buch:eigenwerte:eqn:allgnilpotent} erhält.
+
+%
+% Begriff des Eigenwertes und Eigenvektors
+%
+\subsection{Eigenwerte und Eigenvektoren
+\label{buch:subsection:eigenwerte-und-eigenvektoren}}
+In diesem Abschnitt betrachten wir Vektorräume $V=\Bbbk^n$ über einem
+beliebigen Körper $\Bbbk$ und quadratische Matrizen
+$A\in M_n(\Bbbk)$.
+In den meisten Anwendungen wird $\Bbbk=\mathbb{R}$ sein.
+Da aber in $\mathbb{R}$ nicht alle algebraischen Gleichungen lösbar sind,
+ist es manchmal notwendig, den Vektorraum zu erweitern um zum Beispiel
+Eigenschaften der Matrix $A$ abzuleiten.
+
+\begin{definition}
+Ein Vektor $v\in V$ heisst {\em Eigenvektor} von $A$ zum Eigenwert
+$\lambda\in\Bbbk$, wenn $v\ne 0$ und $Av=\lambda v$ gilt.
+\end{definition}
+
+Die Bedingung $v\ne 0$ dient dazu, pathologische Situationen auszuschliessen.
+Für den Nullvektor gilt $A0=\lambda 0$ für jeden beliebigen Wert von
+$\lambda\in\Bbbk$.
+Würde man $v=0$ zulassen, wäre jede Zahl in $\Bbbk$ ein Eigenwert,
+ein Eigenwert von $A$ wäre nichts besonderes.
+Ausserdem wäre $0$ ein Eigenvektor zu jedem beliebigen Eigenwert.
+
+Eigenvektoren sind nicht eindeutig bestimmt, jedes von $0$ verschiedene
+Vielfache von $v$ ist ebenfalls ein Eigenvektor.
+Zu einem Eigenwert kann man also einen Eigenvektor jeweils mit
+geeigneten Eigenschaften finden, zum Beispiel kann man für $\Bbbk = \mathbb{R}$
+Eigenvektoren auf Länge $1$ normieren.
+Im Folgenden werden wir oft die abkürzend linear unabhängige Eigenvektoren
+einfach als ``verschiedene'' Eigenvektoren bezeichnen.
+
+Wenn $v$ ein Eigenvektor von $A$ zum Eigenwert $\lambda$ ist, dann kann
+man ihn mit zusätzlichen Vektoren $v_2,\dots,v_n$ zu einer Basis
+$\mathcal{B}=\{v,v_2,\dots,v_n\}$
+von $V$ ergänzen.
+Die Vektoren $v_k$ mit $k=2,\dots,n$ werden von $A$ natürlich auch
+in den Vektorraum $V$ abgebildet, können also als Linearkombinationen
+\[
+Av = a_{1k}v + a_{2k}v_2 + a_{3k}v_3 + \dots a_{nk}v_n
+\]
+dargestellt werden.
+In der Basis $\mathcal{B}$ bekommt die Matrix $A$ daher die Form
+\[
+A'
+=
+\begin{pmatrix}
+\lambda&a_{12}&a_{13}&\dots &a_{1n}\\
+ 0 &a_{22}&a_{23}&\dots &a_{2n}\\
+ 0 &a_{32}&a_{33}&\dots &a_{3n}\\
+\vdots &\vdots&\vdots&\ddots&\vdots\\
+ 0 &a_{n2}&a_{n3}&\dots &a_{nn}
+\end{pmatrix}.
+\]
+Bereits ein einzelner Eigenwert und ein zugehöriger Eigenvektor
+ermöglichen uns also, die Matrix in eine etwas einfachere Form
+zu bringen.
+
+\begin{definition}
+Für $\lambda\in\Bbbk$ heisst
+\[
+E_\lambda
+=
+\{ v\;|\; Av=\lambda v\}
+\]
+der {\em Eigenraum} zum Eigenwert $\lambda$.
+\index{Eigenraum}%
+\end{definition}
+
+Der Eigenraum $E_\lambda$ ist ein Unterraum von $V$, denn wenn
+$u,v\in E_\lambda$, dann ist
+\[
+A(su+tv)
+=
+sAu+tAv
+=
+s\lambda u + t\lambda v
+=
+\lambda(su+tv),
+\]
+also ist auch $su+tv\in E_\lambda$.
+Der Fall $E_\lambda = \{0\}=0$ bedeutet natürlich, dass $\lambda$ gar kein
+Eigenwert ist.
+
+\begin{satz}
+Wenn $\dim E_\lambda=n$, dann ist $A=\lambda E$.
+\end{satz}
+
+\begin{proof}[Beweis]
+Da $V$ ein $n$-dimensionaler Vektoraum ist, ist $E_\lambda=V$.
+Jeder Vektor $v\in V$ erfüllt also die Bedingung $Av=\lambda v$,
+oder $A=\lambda E$.
+\end{proof}
+
+Wenn man die Eigenräume von $A$ kennt, dann kann man auch die Eigenräume
+von $A+\mu E$ berechnen.
+Ein Vektor $v\in E_\lambda$ erfüllt
+\[
+Av=\lambda v
+\qquad\Rightarrow\qquad
+(A+\mu)v = \lambda v + \mu v
+=
+(\lambda+\mu)v,
+\]
+somit ist $v$ ein Eigenvektor von $A+\mu E$ zum Eigenwert $\lambda+\mu$.
+Insbesondere können wir statt die Eigenvektoren von $A$ zum Eigenwert $\lambda$
+zu studieren, auch die Eigenvektoren zum Eigenwert $0$ von $A-\lambda E$
+untersuchen.
+
+%
+% Invariante Räume
+%
+\subsection{Verallgemeinerte Eigenräume
+\label{buch:subsection:verallgemeinerte-eigenraeume}}
+Wenn $\lambda$ ein Eigenwert der Matrix $A$ ist, dann ist
+ist $A-\lambda E$ injektiv und $\ker(A-\lambda E)\ne 0$.
+Man kann daher die invarianten Unterräume $\mathcal{K}(A-\lambda E)$
+und $\mathcal{J}(A-\lambda E)$.
+
+\begin{beispiel}
+Wir untersuchen die Matrix
+\[
+A
+=
+\begin{pmatrix}
+1&1&-1&0\\
+0&3&-1&1\\
+0&2& 0&1\\
+0&0& 0&2
+\end{pmatrix}
+\]
+Man kann zeigen, dass $\lambda=1$ ein Eigenwert ist.
+Wir suchen die Zerlegung des Vektorraums $\mathbb{R}^4$ in invariante
+Unterräume $\mathcal{K}(A-E)$ und $\mathcal{J}(A-E)$.
+Die Matrix $B=A-E$ ist
+\[
+B
+=
+\begin{pmatrix}
+0&1&-1&0\\
+0&2&-1&1\\
+0&2&-1&1\\
+0&0& 0&2
+\end{pmatrix}
+\]
+und wir berechnen davon die Potenz
+\[
+D=B^4=(A-E)^4
+=
+\begin{pmatrix}
+0&0& 0&0\\
+0&2&-1&4\\
+0&2&-1&4\\
+0&0& 0&1
+\end{pmatrix}.
+\]
+Daraus kann man ablesen, dass das Bild $\operatorname{im}D$
+von $D$ die Basis
+\[
+b_1
+=
+\begin{pmatrix}
+0\\0\\0\\1
+\end{pmatrix}
+, \qquad
+b_2
+=
+\begin{pmatrix}
+0\\1\\1\\0
+\end{pmatrix}
+\]
+hat.
+Für den Kern von $D$ können wir zum Beispiel die Basisvektoren
+\[
+b_3
+=
+\begin{pmatrix}
+0\\1\\2\\0
+\end{pmatrix}
+,\qquad
+b_4
+=
+\begin{pmatrix}
+1\\0\\0\\0
+\end{pmatrix}
+\]
+verwenden.
+
+Als erstes überprüfen wir, ob diese Basisvektoren tatsächlich invariante
+Unterräume sind.
+Für $\mathcal{J}(A-E) = \langle b_1,b_2\rangle$
+berechnen wir
+\begin{align*}
+(A-E)b_1
+&=
+\begin{pmatrix} 0\\4\\4\\1 \end{pmatrix}
+=
+4b_2+b_1,
+\\
+(A-E)b_2
+&=
+\begin{pmatrix} 0\\1\\1\\0 \end{pmatrix}
+=
+b_2.
+\end{align*}
+Dies beweist, dass $\mathcal{J}(A-E)$ invariant ist.
+In dieser Basis hat die von $A-E$ beschriebene lineare Abbildung
+auf $\mathcal{J}(A-E)$ die Matrix
+\[
+A_{\mathcal{J}(A-E)}
+=
+\begin{pmatrix}
+1&4\\
+0&1
+\end{pmatrix}.
+\]
+
+Für den Kern $\mathcal{K}(A-E)$ findet man analog
+\[
+\left.
+\begin{aligned}
+Ab_3
+&=
+-b_4
+\\
+Ab_4
+&=0
+\end{aligned}
+\quad\right\}
+\qquad\Rightarrow\qquad
+A_{\mathcal{K}(A-E)}
+=
+\begin{pmatrix}
+0&-1\\
+0& 0
+\end{pmatrix}.
+\]
+In der Basis $\mathcal{B}=\{b_1,b_2,b_3,b_4\}$ hat $A$ die Matrix
+in Blockform
+\[
+A'
+=
+\left(
+\begin{array}{cc|cr}
+2&4& & \\
+0&2& & \\
+\hline
+ & &1&-1\\
+ & &0& 1
+\end{array}\right),
+\]
+die Blöcke gehören zu den invarianten Unterräumen $\mathcal{K}(A-E)$
+und $\mathcal{K}(A-E)$.
+Die aus $A-E$ gewonnen invarianten Unterräume sind offenbar auch invariante
+Unterräume für $A$.
+\end{beispiel}
+
+\begin{definition}
+Ist $A$ eine Matrix mit Eigenwert $\lambda$, dann heisst der invariante
+Unterraum
+\[
+\mathcal{E}_{\lambda}(A)
+=
+\mathcal{K}(A-\lambda E)
+\]
+der verallgemeinerte Eigenraum von $A$.
+\end{definition}
+
+Es ist klar, dass
+$E_\lambda(A)=\ker (A-\lambda E)\subset\mathcal{E}_{\lambda}(A)$.
+
+\subsection{Zerlegung in invariante Unterräume
+\label{buch:subsection:zerlegung-in-invariante-unterraeume}}
+Wenn $\lambda$ kein Eigenwert von $A$ ist, dann ist $A-\lambda E$
+injektiv und damit $\ker(A-\lambda E)=0$.
+Es folgt, dass $\mathcal{K}^i(A-\lambda E)=0$ und daher auch
+$\mathcal{J}^i(A-\lambda E)=V$.
+Die Zerlegung in invariante Unterräume $\mathcal{J}(A-\lambda E)$ und
+$\mathcal{K}(A-\lambda E)$ liefert in diesem Falle also nichts Neues.
+
+Für einen Eigenwert $\lambda_1$ von $A$ dagegen, erhalten wir die Zerlegung
+\[
+V
+=
+\mathcal{E}_{\lambda_1}(A)
+\oplus
+\underbrace{\mathcal{J}(A-\lambda_1 E)}_{\displaystyle =V_2},
+\]
+wobei $\mathcal{E}_{\lambda_1}(A)\ne 0$ ist.
+Die Matrix $A-\lambda_1 E$ ist eingeschränkt auf $\mathcal{E}_{\lambda_1}(A)$
+nilpotent.
+Die Zerlegung in invariante Unterräume ist zwar mit Hilfe von $A-\lambda_1E$
+gewonnen worden, ist aber natürlich auch eine Zerlegung in invariante
+Unterräume für $A$.
+Wir können daher das Problem auf $V_2$ einschränken und nach einem weiteren
+Eigenwert $\lambda_2$ von $A$ in $V_2$ suchen, was wieder eine Zerlegung
+in invariante Unterräume liefert.
+Indem wir so weiterarbeiten, bis wir den ganzen Raum ausgeschöpft haben,
+können wir eine Zerlegung des ganzen Raumes $V$ finden, so dass $A$ auf
+jedem einzelnen Summanden eine sehr einfach Form hat:
+
+\begin{satz}
+\label{buch:eigenwerte:satz:zerlegung-in-eigenraeume}
+Sei $V$ ein $\Bbbk$-Vektorraum und $f$ eine lineare Abbildung mit Matrix
+$A$ derart, dass alle Eigenwerte $\lambda_1,\dots,\lambda_l$ von $A$
+in $\Bbbk$ sind.
+Dann gibt es eine Zerlegung von $V$ in verallgemeinerte Eigenräume
+\[
+V
+=
+\mathcal{E}_{\lambda_1}(A)
+\oplus
+\mathcal{E}_{\lambda_2}(A)
+\oplus
+\dots
+\oplus
+\mathcal{E}_{\lambda_l}(A).
+\]
+Die Einschränkung von $A-\lambda_{i}E$ auf den Eigenraum
+$\mathcal{E}_{\lambda_i}(A)$ ist nilpotent.
+\end{satz}
+
+\subsection{Das charakteristische Polynom
+\label{buch:subsection:das-charakteristische-polynom}}
+Ein Eigenvektor von $A$ erfüllt $Av=\lambda v$ oder gleichbedeutend
+$(A-\lambda E)v=0$, er ist also eine nichttriviale Lösung des homogenen
+Gleichungssystems mit Koeffizientenmatrix $A-\lambda E$.
+Ein Eigenwert ist also ein Skalar derart, dass $A-\lambda E$
+singulär ist.
+Ob eine Matrix singulär ist, kann mit der Determinante festgestellt
+werden.
+Die Eigenwerte einer Matrix $A$ sind daher die Nullstellen
+von $\det(A-\lambda E)$.
+
+\begin{definition}
+Das {\em charakteristische Polynom}
+\[
+\chi_A(x)
+=
+\det (A-x E)
+=
+\left|
+\begin{matrix}
+a_{11}-x & a_{12} & \dots & a_{1n} \\
+a_{21} & a_{22}-x & \dots & a_{2n} \\
+\vdots &\vdots &\ddots & \vdots \\
+a_{n1} & a_{n2} &\dots & a_{nn}-x
+\end{matrix}
+\right|.
+\]
+der Matrix $A$ ist ein Polynom vom Grad $n$ mit Koeffizienten in $\Bbbk$.
+\end{definition}
+
+Findet man eine Nullstelle $\lambda\in\Bbbk$ von $\chi_A(x)$,
+dann ist die Matrix $A-\lambda E\in M_n(\Bbbk)$ und mit dem Gauss-Algorithmus
+kann man auch mindestens einen Vektor $v\in \Bbbk^n$ finden,
+der $Av=\lambda v$ erfüllt.
+Eine Matrix der Form wie in Satz~\ref{buch:eigenwerte:satz:jordanblock}
+hat
+\[
+\chi_A(x)
+=
+\left|
+\begin{matrix}
+\lambda-x & 1 & & & & \\
+ & \lambda-x & 1 & & & \\
+ & & \lambda-x & & & \\
+ & & &\ddots& & \\
+ & & & &\lambda-x& 1 \\
+ & & & & &\lambda-x
+\end{matrix}
+\right|
+=
+(\lambda-x)^n
+=
+(-1)^n (x-\lambda)^n
+\]
+als charakteristisches Polynom, welches $\lambda$ als einzige
+Nullstelle hat.
+Der Eigenraum der Matrix ist aber nur eindimensional, man kann also
+im Allgemeinen für jede Nullstelle des charakteristischen Polynoms
+nicht mehr als einen Eigenvektor (d.~h.~einen eindimensionalen Eigenraum)
+erwarten.
+
+Wenn das charakteristische Polynom von $A$ keine Nullstellen in $\Bbbk$ hat,
+dann kann es auch keine Eigenvektoren in $\Bbbk^n$ geben.
+Gäbe es nämlich einen solchen Vektor, dann müsste eine der Komponenten
+des Vektors von $0$ verschieden sein, wir nehmen an, dass es die Komponente
+in Zeile $k$ ist.
+Die Komponente $v_k$ kann man auf zwei Arten berechnen, einmal als
+die $k$-Komponenten von $Av$ und einmal als $k$-Komponente von $\lambda v$:
+\[
+a_{k1}v_1+\dots+a_{kn}v_n = \lambda v_k.
+\]
+Da $v_k\ne 0$ kann man nach $\lambda$ auflösen und erhält
+\[
+\lambda = \frac{a_{k1}v_1+\dots + a_{kn}v_n}{v_k}.
+\]
+Alle Terme auf der rechten Seite sind in $\Bbbk$ und werden nur mit
+Körperoperationen in $\Bbbk$ verknüpft, also muss auch $\lambda\in\Bbbk$
+sein, im Widerspruch zur Annahme.
+
+Durch Hinzufügen von geeigneten Elementen können wir immer zu einem
+Körper $\Bbbk'$ übergehen, in dem das charakteristische Polynom
+in Linearfaktoren zerfällt.
+In diesem Körper kann man jetzt das homogene lineare Gleichungssystem
+mit Koeffizientenmatrix $A-\lambda E$ lösen und damit mindestens
+einen Eigenvektor $v$ für jeden Eigenwert finden.
+Die Komponenten von $v$ liegen in $\Bbbk'$, und mindestens eine davon kann
+nicht in $\Bbbk$ liegen.
+Das bedeutet aber nicht, dass man diese Vektoren nicht für theoretische
+Überlegungen über von $\Bbbk'$ unabhängige Eigenschaften der Matrix $A$ machen.
+Das folgende Beispiel soll diese Idee illustrieren.
+
+\begin{beispiel}
+Wir arbeiten in diesem Beispiel über dem Körper $\Bbbk=\mathbb{Q}$.
+Die Matrix
+\[
+A=\begin{pmatrix}
+-4&7\\
+-2&4
+\end{pmatrix}
+\in
+M_2(\mathbb{Q})
+\]
+hat das charakteristische Polynom
+\[
+\chi_A(x)
+=
+\left|
+\begin{matrix}
+-4-x&7\\-2&4-x
+\end{matrix}
+\right|
+=
+(-4-x)(4-x)-7\cdot(-2)
+=
+-16+x^2+14
+=
+x^2-2.
+\]
+Die Nullstellen sind $\pm\sqrt{2}$ und damit nicht in $\mathbb{Q}$.
+Wir gehen daher über zum Körper $\mathbb{Q}(\!\sqrt{2})$, in dem
+sich zwei Nullstellen $\lambda=\pm\sqrt{2}$ finden lassen.
+Zu jedem Eigenwert lässt sich auch ein Eigenvektor
+$v_{\pm\sqrt{2}}\in \mathbb{Q}(\!\sqrt{2})^2$, und unter Verwendung dieser
+Basis bekommt die Matrix $A'=TAT^{-1}$ Diagonalform.
+Die Transformationsmatrix $T$ enthält Matrixelemente aus
+$\mathbb{Q}(\!\sqrt{2})$, die nicht in $\mathbb{Q}$ liegen.
+Die Matrix $A$ lässt sich also über dem Körper $\mathbb{Q}(\!\sqrt{2})$
+diagonalisieren, nicht aber über dem Körper $\mathbb{Q}$.
+
+Da $A'$ Diagonalform hat mit $\pm\sqrt{2}$ auf der Diagonalen, folgt
+$A^{\prime 2} = 2E$, die Matrix $A'$ erfüllt also die Gleichung
+\begin{equation}
+A^{\prime 2}-E= \chi_{A}(A) = 0.
+\label{buch:grundlagen:eqn:cayley-hamilton-beispiel}
+\end{equation}
+Dies is ein Spezialfall des Satzes von Cayley-Hamilton~\ref{XXX}
+welcher besagt, dass jede Matrix $A$ eine Nullstelle ihres
+charakteristischen Polynoms ist: $\chi_A(A)=0$.
+Die Gleichung~\ref{buch:grundlagen:eqn:cayley-hamilton-beispiel}
+wurde zwar in $\mathbb{Q}(\!\sqrt{2})$ hergeleitet, aber in ihr kommen
+keine Koeffizienten aus $\mathbb{Q}(\!\sqrt{2})$ vor, die man nicht auch
+in $\mathbb{Q}$ berechnen könnte.
+Sie gilt daher ganz allgemein.
+\end{beispiel}
+
+\begin{beispiel}
+Die Matrix
+\[
+A=\begin{pmatrix}
+32&-41\\
+24&-32
+\end{pmatrix}
+\in
+M_2(\mathbb{R})
+\]
+über dem Körper $\Bbbk = \mathbb{R}$
+hat das charakteristische Polynom
+\[
+\det(A-xE)
+=
+\left|
+\begin{matrix}
+32-x&-41 \\
+25 &-32-x
+\end{matrix}
+\right|
+=
+(32-x)(-32-x)-25\cdot(-41)
+=
+x^2-32^2 + 1025
+=
+x^2+1.
+\]
+Die charakteristische Gleichung $\chi_A(x)=0$ hat in $\mathbb{R}$
+keine Lösungen, daher gehen wir zum Körper $\Bbbk'=\mathbb{C}$ über,
+in dem dank dem Fundamentalsatz der Algebra alle Nullstellen zu finden
+sind, sie sind $\pm i$.
+In $\mathbb C$ lassen sich dann auch Eigenvektoren finden, man muss dazu die
+folgenden linearen Gleichungssyteme lösen:
+\begin{align*}
+\begin{tabular}{|>{$}c<{$}>{$}c<{$}|}
+32-i&-41\\
+25 &-32-i
+\end{tabular}
+&
+\rightarrow
+\begin{tabular}{|>{$}c<{$}>{$}c<{$}|}
+1 & t\\
+0 & 0
+\end{tabular}
+&
+\begin{tabular}{|>{$}c<{$}>{$}c<{$}|}
+32+i&-41\\
+25 &-32+i
+\end{tabular}
+&
+\rightarrow
+\begin{tabular}{|>{$}c<{$}>{$}c<{$}|}
+1 & \overline{t}\\
+0 & 0
+\end{tabular},
+\intertext{wobei wir $t=-41/(32-i) =-41(32+i)/1025= -1.28 -0.04i = (64-1)/50$
+abgekürzt haben.
+Die zugehörigen Eigenvektoren sind}
+v_i&=\begin{pmatrix}t\\i\end{pmatrix}
+&
+v_{-i}&=\begin{pmatrix}\overline{t}\\i\end{pmatrix}
+\end{align*}
+Mit den Vektoren $v_i$ und $v_{-i}$ als Basis kann die Matrix $A$ als
+komplexe Matrix, also mit komplexem $T$ in die komplexe Diagonalmatrix
+$A'=\operatorname{diag}(i,-i)$ transformiert werden.
+Wieder kann man sofort ablesen, dass $A^{\prime2}+E=0$, und wieder kann
+man schliessen, dass für die relle Matrix $A$ ebenfalls $\chi_A(A)=0$
+gelten muss.
+\end{beispiel}
+
+
+
+