aboutsummaryrefslogtreecommitdiffstats
path: root/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex
diff options
context:
space:
mode:
Diffstat (limited to 'buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex')
-rw-r--r--buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex318
1 files changed, 318 insertions, 0 deletions
diff --git a/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex b/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex
index cb1ca84..1268ce2 100644
--- a/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex
+++ b/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex
@@ -6,3 +6,321 @@
\section{Lie-Gruppen
\label{buch:section:lie-gruppen}}
\rhead{Lie-Gruppen}
+
+\subsection{Drehungen in der Ebene
+\label{buch:gruppen:drehungen2d}}
+Drehungen der Ebene können in einer orthonormierten Basis durch
+Matrizen der Form
+\[
+D_{\alpha}
+=
+\begin{pmatrix}
+\cos\alpha&-\sin\alpha\\
+\sin\alpha& \cos\alpha
+\end{pmatrix}
+\]
+dargestellt werden.
+Wir bezeichnen die Menge der Drehmatrizen in der Ebene mit
+$\operatorname{SO}(2)\subset\operatorname{GL}_2(\mathbb{R})$.
+Die Abbildung
+\[
+D_{\bullet}
+\colon
+\mathbb{R}\to \operatorname{SO}(2)
+:
+\alpha \mapsto D_{\alpha}
+\]
+hat die Eigenschaften
+\begin{align*}
+D_{\alpha+\beta}&= D_{\alpha}D_{\beta}
+\\
+D_0&=I
+\\
+D_{2k\pi}&=I\qquad \forall k\in\mathbb{Z}.
+\end{align*}
+Daraus folgt zum Beispiel, dass $D_{\bullet}$ eine $2\pi$-periodische
+Funktion ist.
+$D_{\bullet}$ bildet die Menge der Winkel $[0,2\pi)$ bijektiv auf
+die Menge der Drehmatrizen in der Ebene ab.
+
+Ein alternatives Bild für die Drehungen der Ebene kann man in der komplexen
+Ebene $\mathbb{C}$ erhalten.
+Die Multiplikation mit der komplexen Zahl $e^{i\alpha}$ beschreibt eine
+Drehung der komplexen Ebene um den Winkel $\alpha$.
+Die Zahlen der Form $e^{i\alpha}$ haben den Betrag $1$ und die Abbildung
+\[
+f\colon \mathbb{R}\to \mathbb{C}:\alpha \mapsto e^{i\alpha}
+\]
+hat die Eigenschaften
+\begin{align*}
+f(\alpha+\beta) &= f(\alpha)f(\beta)
+\\
+f(0)&=1
+\\
+f(2\pi k)&=1\qquad\forall k\in\mathbb{Z},
+\end{align*}
+die zu den Eigenschaften der Abbildung $\alpha\mapsto D_{\alpha}$
+analog sind.
+
+Jede komplexe Zahl $z$ vom Betrag $1$ kann geschrieben werden in der Form
+$z=e^{i\alpha}$, die Abbildung $f$ ist also eine Parametrisierung des
+Einheitskreises in der Ebene.
+Wir bezeichen $S^1=\{z\in\mathbb{C}\;|\; |z|=1\}$ die komplexen Zahlen vom
+Betrag $1$.
+$S^1$ ist eine Gruppe bezüglich der Multiplikation, da für jede Zahl
+$z,w\in S^1$ gilt
+$|z^{-1}|=1$ und $|zw|=1$ und damit $z^{-1}\in S^1$ und $zw\in S^1$.
+
+Zu einer komplexen Zahl $z\in S^1$ gibt es einen bis auf Vielfache
+von $2\pi$ eindeutigen Winkel $\alpha(z)$ derart, dass $e^{i\alpha(z)}=z$.
+Damit kann man jetzt die Abbildung
+\[
+\varphi
+\colon
+S^1\to \operatorname{SO}(2)
+:
+z\mapsto D_{\alpha(z)}
+\]
+konstruieren.
+Da $D_{\alpha}$ $2\pi$-periodisch ist, geben um Vielfache
+von $2\pi$ verschiedene Wahlen von $\alpha(z)$ die gleiche
+Matrix $D_{\alpha(z)}$, die Abbildung $\varphi$ ist daher
+wohldefiniert.
+$\varphi$ erfüllt ausserdem die Bedingungen
+\begin{align*}
+\varphi(z_1z_2)
+&=
+D_{\alpha(z_1z_2)}
+=
+D_{\alpha(z_1)+\alpha(z_2)}
+=
+D_{\alpha(z_1)}D_{\alpha(z_2)}
+=
+\varphi(z_1)\varphi(z_2)
+\\
+\varphi(1)
+&=
+D_{\alpha(1)}
+=
+D_0
+=
+I
+\end{align*}
+Die Abbildung $\varphi$ ist ein Homomorphismus der Gruppe $S^1$
+in die Gruppe $\operatorname{SO}(2)$.
+Die Menge der Drehmatrizen in der Ebene kann also mit dem Einheitskreis
+in der komplexen Ebene identifiziert werden.
+
+%
+% Isometrien von R^n
+%
+\subsection{Isometrien von $\mathbb{R}^n$
+\label{buch:gruppen:isometrien}}
+Lineare Abbildungen der Ebene $\mathbb{R}^n$ mit dem üblichen Skalarprodukt
+können durch $n\times n$-Matrizen beschrieben werden.
+Die Matrizen, die das Skalarprodukt erhalten, bilden eine Gruppe,
+die in diesem Abschnitt genauer untersucht werden soll.
+Eine Matrix $A\in M_{2}(\mathbb{R})$ ändert das Skalarprodukt nicht, wenn
+für jedes beliebige Paar $x,y$ von Vektoren gilt
+$\langle Ax,Ay\rangle = \langle x,y\rangle$.
+Das Standardskalarprodukt kann mit dem Matrixprodukt ausgedrückt werden:
+\[
+\langle Ax,Ay\rangle
+=
+(Ax)^tAy
+=
+x^tA^tAy
+=
+x^ty
+=
+\langle x,y\rangle
+\]
+für jedes Paar von Vektoren $x,y\in\mathbb{R}$.
+
+Mit dem Skalarprodukt kann man auch die Matrixelemente einer Matrix
+einer Abbildung $f$ in der Standardbasis bestimmen.
+Das Skalarprodukt $\langle e_i, v\rangle$ ist die Länge der Projektion
+des Vektors $v$ auf die Richtung $e_i$.
+Die Komponenten von $Ae_j$ sind daher $a_{ij}=\langle e_i,f(e_j)\rangle$.
+Die Matrix $A$ der Abbildung $f$ hat also die Matrixelemente
+$a_{ij}=e_i^tAe_j$.
+
+\subsubsection{Die orthogonale Gruppe $\operatorname{O}(n)$}
+Die Matrixelemente von $A^tA$ sind
+$\langle A^tAe_i, e_j\rangle =\langle e_i,e_j\rangle = \delta_{ij}$
+sind diejenigen der Einheitsmatrix,
+die Matrix $A$ erfüllt $AA^t=I$ oder $A^{-1}=A^t$.
+Dies sind die {\em orthogonalen} Matrizen.
+Die Menge $\operatorname{O}(n)$ der isometrischen Abbildungen besteht
+daher aus den Matrizen
+\[
+\operatorname{O}(n)
+=
+\{ A\in M_n(\mathbb{R})\;|\; AA^t=I\}.
+\]
+Die Matrixgleichung $AA^t=I$ liefert $n(n+1)/2$ unabhängige Bedingungen,
+die die orthogonalen Matrizen innerhalb der $n^2$-dimensionalen
+Menge $M_n(\mathbb{R})$ auszeichnen.
+Die Menge $\operatorname{O}(n)$ der orthogonalen Matrizen hat daher
+die Dimension
+\[
+n^2 - \frac{n(n+1)}{2}
+=
+\frac{2n^2-n^2-n}{2}
+=
+\frac{n(n-1)}2.
+\]
+Im Spezialfall $n=2$ ist die Gruppe $O(2)$ eindimensional.
+
+\subsubsection{Die Gruppe $\operatorname{SO}(n)$}
+Die Gruppe $\operatorname{O}(n)$ enhält auch Isometrien, die
+die Orientierung des Raumes umkehren, wie zum Beispiel Spiegelungen.
+Wegen $\det (AA^t)=\det A\det A^t = (\det A)^2=1$ kann die Determinante
+einer orthogonalen Matrix nur $\pm 1$ sein.
+Orientierungserhaltende Isometrien haben Determinante $1$.
+
+Die Gruppe
+\[
+\operatorname{SO}(n)
+=
+\{A\in\operatorname{O}(n)\;|\; \det A=1\}
+\]
+heisst die {\em spezielle orthogonale Gruppe}.
+Die Dimension der Gruppe $\operatorname{O}(n)$ ist $n(n-1)/2$.
+
+\subsubsection{Die Gruppe $\operatorname{SO}(3)$}
+Die Gruppe $\operatorname{SO}(3)$ der Drehungen des dreidimensionalen
+Raumes hat die Dimension $3(3-1)/2=3$.
+Eine Drehung wird festgelegt durch die Richtung der Drehachse und den
+Drehwinkel.
+Die Richtung der Drehachse ist ein Einheitsvektor, also ein Punkt
+auf der zweidimensionalen Kugel.
+Der Drehwinkel ist der dritte Parameter.
+
+Drehungen mit kleinen Drehwinkeln können zusammengesetzt werden
+aus den Matrizen
+\[
+D_{x,\alpha}
+=
+\begin{pmatrix}
+1&0&0\\
+0&\cos\alpha&-\sin\alpha\\
+0&\sin\alpha& \cos\alpha
+\end{pmatrix},
+\qquad
+D_{y,\beta}
+=
+\begin{pmatrix}
+ \cos\beta&0&\sin\beta\\
+ 0 &1& 0 \\
+-\sin\beta&0&\cos\beta
+\end{pmatrix},
+\qquad
+D_{z,\gamma}
+=
+\begin{pmatrix}
+\cos\gamma&-\sin\gamma&0\\
+\sin\gamma& \cos\gamma&0\\
+ 0 & 0 &1
+\end{pmatrix},
+\]
+die Drehungen um die Koordinatenachsen um den Winkel $\alpha$
+beschreiben.
+Auch die Winkel $\alpha$, $\beta$ und $\gamma$ können als die
+drei Koordinaten der Mannigkfaltigkeit $\operatorname{SO}(3)$
+angesehen werden.
+
+%
+% Die Gruppe SU(2)
+%
+\subsection{Die Gruppe $\operatorname{SU}(2)$
+\label{buch:gruppen:su2}}
+Die Menge der Matrizen
+\[
+\operatorname{SU}(2)
+=
+\left\{
+\left.
+A=\begin{pmatrix} a&b\\c&d\end{pmatrix}
+\;\right|\;
+a,b,c,d\in\mathbb{C},\det(A)=1, AA^*=I
+\right\}
+\]
+heisst die {\em spezielle unitäre Gruppe}.
+Wegen $\det(AB)=\det(A)\det(B)=1$ und $(AB)^*AB=B^*A^*AB=B^*B=I$ ist
+$\operatorname{SU}(2)$ eine Untergruppe von $\operatorname{GL}_2(\mathbb{C})$.
+Die Bedingungen $\det A=1$ und $AA^*=I$ schränken die möglichen Werte
+von $a$ und $b$ weiter ein.
+Aus
+\[
+A^*
+=
+\begin{pmatrix}
+\overline{a}&\overline{c}\\
+\overline{b}&\overline{d}
+\end{pmatrix}
+\]
+und den Bedingungen führen die Gleichungen
+\[
+\begin{aligned}
+a\overline{a}+b\overline{b}&=1
+&&\Rightarrow&|a|^2+|b|^2&=1
+\\
+a\overline{c}+b\overline{d}&=0
+&&\Rightarrow&
+\frac{a}{b}&=-\frac{\overline{d}}{\overline{c}}
+\\
+c\overline{a}+d\overline{b}&=0
+&&\Rightarrow&
+\frac{c}{d}&=-\frac{\overline{b}}{\overline{a}}
+\\
+c\overline{c}+d\overline{d}&=1&&\Rightarrow&|c|^2+|d|^2&=1
+\\
+ad-bc&=1
+\end{aligned}
+\]
+Aus der zweiten Gleichung kann man ableiten, dass es eine Zahl $t\in\mathbb{C}$
+gibt derart, dass $c=-t\overline{b}$ und $d=t\overline{a}$.
+Damit wird die Bedingung an die Determinante zu
+\[
+1
+=
+ad-bc = at\overline{a} - b(-t\overline{b})
+=
+t(|a|^2+|b|^2)
+=
+t,
+\]
+also muss die Matrix $A$ die Form haben
+\[
+A
+=
+\begin{pmatrix}
+a&b\\
+-\overline{b}&\overline{a}
+\end{pmatrix}
+\qquad\text{mit}\quad |a|^2+|b|^2=1.
+\]
+Schreibt man $a=a_1+ia_2$ und $b=b_1+ib_2$ mit rellen $a_i$ und $b_i$,
+dann besteht $SU(2)$ aus den Matrizen der Form
+\[
+A=
+\begin{pmatrix}
+ a_1+ia_2&b_1+ib_2\\
+-b_1+ib_2&a_1-ia_2
+\end{pmatrix}
+\]
+mit der zusätzlichen Bedingung
+\[
+|a|^2+|b|^2
+=
+a_1^2 + a_2^2 + b_1^2 + b_2^2 = 1.
+\]
+Die Matrizen von $\operatorname{SU}(2)$ stehen daher in einer
+eins-zu-eins-Beziehung zu den Vektoren $(a_1,a_2,b_1,b_2)\in\mathbb{R}^4$
+eines vierdimensionalen reellen Vektorraums mit Länge $1$.
+Geometrisch betrachtet ist also $\operatorname{SU}(2)$ eine dreidmensionalen
+Kugel, die in einem vierdimensionalen Raum eingebettet ist.
+
+
+