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authorAndreas Müller <andreas.mueller@ost.ch>2022-07-01 17:18:14 +0200
committerAndreas Müller <andreas.mueller@ost.ch>2022-07-01 17:18:14 +0200
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Einleitung fertig
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@@ -5,4 +5,7 @@
#
CHAPTERFILES += \
- chapters/000-einleitung/chapter.tex
+ chapters/000-einleitung/chapter.tex \
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+ chapters/000-einleitung/inhalt.tex
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index 559a468..e53eafb 100644
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@@ -7,110 +7,8 @@
\lhead{Einleitung}
\rhead{}
\addcontentsline{toc}{chapter}{Einleitung}
-Eine Polynomgleichung wie etwa
-\begin{equation}
-p(x) = ax^2+bx+c = 0
-\label{buch:einleitung:quadratisch}
-\end{equation}
-kann manchmal dadurch gelöst werden, dass man die Nullstellen errät
-und damit eine Faktorisierung $p(x)=a(x-x_1)(x-x_2)$ konstruiert.
-Doch im Allgemeinen wird man die Lösungsformel für quadratische
-Gleichungen verwenden, die auf quadratischem Ergänzen basiert.
-Es erlaubt die Gleichung~\eqref{buch:einleitung:quadratisch} umzwandeln in
-\[
-\biggl(x + \frac{b}{2a}\biggr)^2
-=
--\frac{c}{a} + \frac{b^2}{4a^2}
-=
-\frac{b^2-4ac}{4a^2}.
-\]
-Um diese Gleichung nach $x$ aufzulösen, muss man die inverse Funktion
-der Quadratfunktion zur Verfügung haben, die Wurzelfunktion.
-Dies ist wohl das älteste Beispiel einer speziellen Funktion,
-die man zu dem Zweck eingeführt hat, spezielle algebraische Gleichungen
-lösen zu können.
-Sie liefert die bekannte Lösungsformel
-\[
-x=\frac{-b\pm\sqrt{b^2-4ac}}{2a}
-\]
-für die quadratische Gleichung.
-
-Durch die Definition der Wurzelfunktion ist das Problem der numerischen
-Berechnung der Nullstelle natürlich noch nicht gelöst, aber man hat
-ein handliches mathematisches Symbol gewonnen, mit dem man die Lösungen
-übersichtlich beschreiben und algebraisch manipulieren kann.
-Diese Idee steht hinter allen weiteren in diesem Buch diskutierten
-Funktionen: wann immer ein wichtiges mathematisches Konzept sich nicht
-direkt durch die bereits entwickelten Funktionen ausdrücken lässt,
-erfindet man dafür eine neue Funktion oder Familie von Funktionen.
-Beispielsweise hat sich die Darstellung von Zahlen $x$ als Potenzen
-einer gemeinsamen Basis, zum Beispiel $x=10^y$, als sehr nützlich
-herausgestellt, um Multiplikationen auf die von Hand leichter
-ausführbaren Additionen zurückzuführen.
-Man braucht also die Fähigkeit, die Abhängigkeit des Exponenten $y$
-von $x$ auszudrücken, mit anderen Worten, man braucht die Logarithmusfunktion.
-
-Spezielle Funktionen wie die Wurzelfunktion und die Logarithmusfunktion
-werden also zu Bausteinen, die in der Lösung algebraischer oder auch
-analytischer Probleme verwendet werden können.
-Die Erfahrung zeigt, dass diese Funktionen immer wieder nützlich
-sind, es lohnt sich also, ihre Berechnung zum Beispiel in einer
-Bibliothek zu implementieren.
-Spezielle Funktionen sind in diesem Sinn eine mathematische Form
-des informatischen Prinzips des ``code reuse''.
-
-Die trigonometrischen Funktionen kann man als Lösungen des geometrischen
-Problems der Parametrisierung eines Kreises verstehen.
-Alternativ kann man $\sin x$ und $\cos x$ als spezielle Lösungen der
-Differentialgleichung $y''=-y$ verstehen.
-Viele andere Funktionen wie die hyperbolischen Funktionen oder die
-Bessel-Funktionen sind ebenfalls Lösungen spezieller Differentialgleichungen.
-Auch die Theorie der partiellen Differentialgleichungen gibt Anlass
-zu interessanten Lösungsfunktionen.
-Die Separation des Poisson-Problems in Kugelkoordinaten führt zum Beispiel
-auf die Kugelfunktionen, mit denen sich beliebige Funktionen auf einer
-Kugeloberfläche analysieren und synthetisieren lassen.
-
-Die Lösungen einer linearer gewöhnlicher Differentialgleichung können
-oft mit Hilfe von Potenzreihen dargestellt werden.
-So kann man zum Beispiel die Potenzreihenentwicklung der Exponentialfunktion
-und der trigonometrischen Funktionen finden.
-Die Konvergenz einer Potenzreihe wird aber durch Singularitäten
-eingeschränkt.
-Komplexe Potenzreihen ermöglichen aber, solche Stellen zu ``umgehen''.
-Die Theorie der komplex differenzierbaren Funktionen bildet einen
-allgemeinen Rahmen, mit solchen Funktionen umzugehen und ist zum
-Beispiel nötig, um die Bessel-Funktionen der zweiten Art zu konstruieren,
-die ebenfalls Lösungen ger Bessel-Gleichung sind, aber bei $x=0$
-eine Singularität aufweisen.
-
-Die Stammfunktion $F(x)$ einer gegebenen Funktion $f(x)$ ist natürlich
-auch die Lösung der besonders einfachen Differentialgleichung $F'=f$.
-Ein bekanntes Beispiel ist die Stammfunktion der Wahrscheinlichkeitsdichte
-\[
-\varphi(x)
-=
-\frac{1}{\sqrt{2\pi}\sigma} e^{-\frac{(x-\mu)^2}{2\sigma^2}},
-\]
-der Normalverteilung, für die aber keine geschlossene Darstellung
-mit bekannten Funktionen bekannt ist.
-Sie kann aber durch die Fehlerfunktion
-\[
-\operatorname{erf}(x)
-=
-\frac{2}{\sqrt{\pi}} \int_0^x e^{-t^2}\,dt
-\]
-dargestellt werden.
-Mit dem Risch-Algorithmus kann man nachweisen, dass es tatsächlich
-keine Möglichkeit gibt, die Stammfunktion in geschlossener Form durch
-die bereits bekannten Funktionen darzustellen, die Definition einer
-neuen speziellen Funktion ist also der einzige Ausweg.
-Die Fehlerfunktion ist heute in der Standardbibliothek enthalten auf
-gleicher Stufe wie Wurzeln, trigonometrische Funktionen,
-Exponentialfunktionen oder Logarithmen.
-
-Die nachstehenden Kapitel sollen die vielfältigen Arten illustrieren,
-wie diese Prinzipien zu neuen und nützlichen speziellen Funktionen
-und ihren Anwendungen führen können.
+\input{chapters/000-einleitung/funktionsbegriff.tex}
+\input{chapters/000-einleitung/speziellefunktionen.tex}
+\input{chapters/000-einleitung/inhalt.tex}
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new file mode 100644
index 0000000..e684f82
--- /dev/null
+++ b/buch/chapters/000-einleitung/funktionsbegriff.tex
@@ -0,0 +1,74 @@
+%
+% Der Funktionsbegriff
+%
+\subsection*{Der mathematische Funktionsbegriff}
+Der moderne mathematische Funktionsbegriff ist die Krönungn einer
+langen Entwicklung.
+Erste Ansätze sind in der Darstellung voneinander abhängiger Grössen
+in einem Koordinatensystem durch Nikolaus von Oresme im 14.~Jahrhundert
+zu erkennen.
+Dieser Ansatz, Funktionen einfach nur als Kurven zu betrachten,
+war bis ins 17.~Jahrhundert verbreitet.
+Der Begriff {\em Funktion} selbst geht wahrscheinlich auf Leibniz
+zurück.
+
+Euler verwendete den Begriff oft austauschbar für zwei im Prinzip
+verschiedene Vorstellungen.
+Einerseits sah er jeden ``analytischen Ausdruck'' in einer Variablen
+$x$ als eine Funktion an, andererseits betrachtete er eine in einem
+Koordinatensystem freihändig gezeichnete Kurve als eine Funktion.
+Heute unterscheiden wir zwischen der Funktion, also der Zuordnung
+von $x$ zu den Funktionswerten $f(x)$ und dem Graphen, also der
+von Paaren $(x,f(x))$ gebildeten Kurve in einem Koordinatensystem.
+Nach letzterer Vorstellung ist auch die Wurzelfunktion,
+die Umkehrfunktion der Quadratfunktion, $f(x)=x^2$ eine Funktion.
+Da zu jedem Argument zwei verschiedene Werte $\pm\sqrt{x}$
+für die Wurzel möglich sind, lässt sich diese ``Funktion'' nicht
+durch einen ``analytischen Ausdruck'' beschrieben.
+Euler beschrieb diese Situation als {\em mehrdeutige Funktion}.
+
+Was ``analytische Ausdrücke'' alles umfassen sollen, ist ebenfalls
+nicht scharf definiert.
+Dahinter verbergen sich viele versteckte Annahmen, zum Beispiel
+dass Funktionen automatisch stetig und möglicherweise sogar
+differenzierbar sind.
+Für Lagrange waren nur Funktionen akzeptabel, die durch Potenzreihen
+definiert waren, solche Funktionen nennen wir heute {\em analytisch}.
+Die Wahl von Potenzreihen zur Definition von Funktion ist einerseits
+willkürlich, warum nicht Linearkombinationen von trigonometrischen
+Funktionen?
+Andererseits gibt es beliebig oft differenzierbare Funktionen,
+deren Potenzreihe nicht gegen die Funktion konvergiert.
+
+Im 19.~Jahrhundert erfuhr die Analysis eine Reformierung.
+Ausgehend vom nun präzis gefassten Grenzwertbegriff wurden Stetigkeit
+und Differenzierbarkeit als eigenständige Eigenschaften von
+Funktionen erkannt.
+Eine Funktion war jetzt nur noch eine eindeutige Zuordnung
+$x\mapsto f(x)$.
+Stetigkeit ist die Eigenschaft, dass der Grenzwert in einem
+Punkt des Definitionsbereichs existiert und mit dem Funktionswert
+in diesem Punkt übereinstimmt.
+Später wurden auch Differenzierbarkeit und Integrierbarkeit als
+Eigenschaften von Funktionen erkannt, die vorhanden sein können,
+aber nicht müssen.
+
+Der nun präzis gefasste Funktionsbegriff ist nur selten direkt anwendbar.
+In der Physik treten Funktionen als Lösungen von Differentialgleichungen
+auf.
+Sie sind also immer mindestens differenzierbar, haben aber typischerweise
+noch viele weitere Eigenschaften.
+So sind zum Beispiel die Lösungen der Differentialgleichung
+$y''=-n^2 y$ auf dem Intervall $[-\pi,\pi]$ die Funktionen
+$\sin(nx)$ und $\cos(nx)$ für $n\in\mathbb{N}$.
+Wie Fourier herausgefunden hat, lässt sich jede stetige $2\pi$-periodische
+Funktion als Linearkombination dieser Funktionen approximieren.
+
+Eine Familie von Differentialgleichungen, die durch wenige Parameter
+charakterisiert ist, führt auch zu einer Familie von Lösungsfunktionen, die
+sich durch die gleichen Parameter beschreiben lassen.
+Sie ist unmittelbar nützlich, da sie jedes Anwendungsproblem löst,
+welches durch diese Differentialgleichung modelliert werden kann.
+In diesem Sinne ist eine solche spezielle Funktionenfamilie interessanter
+als eine beliebige differenzierbare Funktion.
+
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new file mode 100644
index 0000000..1b9f35b
--- /dev/null
+++ b/buch/chapters/000-einleitung/inhalt.tex
@@ -0,0 +1,153 @@
+%
+% Was ist zu erwarten
+%
+\subsection*{Was ist zu erwarten?}
+Spezielle Funktionen wie die eben angedeuteten werden also zu
+Bausteinen, die in der Lösung algebraischer oder auch analytischer
+Probleme verwendet werden können.
+Die Erfahrung zeigt, dass diese Funktionen immer wieder nützlich
+sind, es lohnt sich also, ihre Berechnung zum Beispiel in einer
+Bibliothek zu implementieren.
+Spezielle Funktionen sind in diesem Sinn eine mathematische Form
+des informatischen Prinzips des ``code reuse''.
+
+Die nachstehenden Kapitel sollen die vielfältigen Arten illustrieren,
+wie diese Prinzipien zu neuen und nützlichen speziellen Funktionen
+und ihren Anwendungen führen können.
+Hier eine kurze Übersicht über ihren Inhalt.
+\begin{enumerate}
+\item
+Potenzen und Wurzeln: Potenzen und Polynome sind die einfachsten
+Funktionen, die sich unmittelbar aus den arithmetischen Operationen
+konstruieren lassen.
+Die zugehörigen Umkehrfunktionen sind die Wurzelfunktionen,
+sie lösen gewisse algebraische Gleichungen.
+Aus den Polynomen lassen sich weiter rationale Funktionen und
+Potenzreihen konstruieren, die als wichtige Werkzeuge zur Konstruktion
+spezieller Funktionen in späteren Kapiteln sind.
+\item
+Exponentialfunktion und Exponentialgleichungen.
+Die Exponentialfunktion entsteht aus dem Zinsproblem durch Grenzwert,
+die Jost Bürgi zur Berechnung seiner Logarithmentabelle verwendet hat.
+Hier zeigt sich die Nützlichkeit spezieller Funktionen als Grundlage
+für die numerische Rechnung: Logarithmentafeln waren über Jahrhunderte
+das zentrale Werkzeug für die Durchführung numerischer Rechnung.
+Besonders nützlich ist aber auch die Potenzreihendarstellung der
+Exponentialdarstellung, die meist für die numerische Berechnung
+verwendet wird.
+Die Lambert-$W$-schliesslich löst gewisse Exponentialgleichungen.
+\item
+Spezielle Funktionen aus der Geometrie.
+Dieses Kapitel startet mit der langen Geschichte der trigonometrischen
+Funktionen, den wahrscheinlich wichtigsten speziellen Funktionen für
+geometrische Anwendungen.
+Es führt aber auch die Kegelschnitte, die hyperbolischen Funktionen
+und andere Parametrisierungen der Kegelschnitte ein, die später
+wichtig werden.
+Es beginnt auch die Diskussion einiger geometrischer Fragestellungen
+die sich oft nur durch Definition neuer spezieller Funktionen lösen
+lassen, wie zum Beispiel das Problem der Kurvenlänge auf einer
+Ellipse.
+\item
+Spezielle Funktionen und Rekursion.
+Viele Probleme lassen eine Lösung in rekursiver Form zu.
+Zum Beispiel lässt sich die Fakultät durch eine Rekursionsbeziehung
+vollständig definieren.
+Dieses Kapitel zeigt, wie sich die Fakultät zur Gamma-Funktion
+$\Gamma(x)$ erweitern lässt, die für beliebige reelle $x$
+definiert ist.
+Sie ist aber nur die Spitze eines Eisbergs von weiteren wichtigen
+Funktionen.
+Die Beta-Integrale sind ebenfalls durch Rekursionsbeziehungen
+charakterisiert, lassen sich durch Gamma-Funktionen ausdrücken und
+haben als Anwendung die Verteilungsfunktionen der Ordnungsstatistiken.
+Lineare Differenzengleichungen sind Rekursionsgleichungen, die sich
+besonders leicht mit Potenzfunktionen lösen lassen.
+Alle diese Funktionen sind Speziallfälle einer sehr viel grösseren
+Klasse von Funktionen, den hypergeometrischen Funktionen, die sich
+durch eine Rekursionsbeziehung der Koeffizienten ihrer
+Potenzreihenentwicklung auszeichnen.
+Es wird sich in nächsten Kapitel zeigen, dass sie besonders gut
+geeignet sind, Lösungen von linearen Differentialgleichungen zu
+beschreiben.
+\item
+Differentialgleichungen.
+Lösungsfunktionen von Differentialgleichungen sind meistens die
+erste Anwendung, in der man die klassschen speziellen Funktionen
+kennenlernt.
+Sie entstehen mit Hilfe der Potenzreihenmethode und können daher
+als hypergeometrische Funktionen geschrieben werden.
+Sie sind aber von derart grosser Bedeutung für die Anwendung,
+dass viele dieser Funktionen als eigenständige Funktionenfamilien
+definiert worden sind.
+Die Bessel-Funktionen werden in diesem Zusammenhang eingehend
+behandelt.
+\item
+Integrale können als Lösungen sehr spezieller Differentialgleichungen
+betrachtet werden.
+Eine Stammfunktion $F(x)$ der Funktion $f(x)$ hat als Ableitung die
+ursprüngliche Funktion: $F'(x)=f(x)$.
+Während Ableiten ein einfacher, algebraischer Prozess ist,
+scheint das Finden einer Stammfunktion sehr viel anspruchsvoller
+zu sein.
+Spezielle Funktionen sinnvoll sein, wenn eine Stammfunktion sich nicht
+mit den bereits definierten Funktionen ausdrücken lässt.
+Es gibt eine systematische Methode zu entscheiden, ob eine Stammfunktion
+sich durch ``elementare Funktionen'' ausdrücken lässt, sie wird oft
+der Risch-Algorithmus genannt.
+\item
+Orthogonalität.
+Mit dem Integral lassen sich auch für Funktionen Skalarprodukte
+definieren.
+Orthogonalität zwischen Funktionen zeichnet dann Funktionen aus, die
+sich besonders gut zur Darstellung beliebiger stetiger oder
+integrierbarer Funktionen eignen.
+Die Fourier-Theorie und ihre vielen Varianten sind ein Resultat.
+Besonders einfache orthogonale Funktionenfamilien sind die orthogonalen
+Polynome, die ausserdem zu ausserordentlich genauen numerischen
+Integrationsverfahren führen.
+\item
+Integraltransformationen.
+Die trigonometrischen Funktionen sind die Grundlage der Fourier-Theorie.
+Doch auch andere spezielle Funktionenfamilien können ähnlich
+nützliche Integraltransformationen hergeben.
+Die Bessel-Funktionen stellen sich in diesem Zusammenhang als die
+Polarkoordinaten-Variante der Fourier-Theorie in der Ebene heraus.
+\item
+Funktionentheorie.
+Einige Eigenschaften der Lösungen gewöhnlicher Differentialgleichung
+sind allein mit der reellen Analysis nicht zu bewältigen.
+In der Welt der speziellen Funktionen hat man aber strengere
+Anforderungen an Funktionen, sie lassen sich immer als Funktionen
+einer komplexen Variablen verstehen.
+Dieses Kapitel stellt die wichtigsten Eigenschaften komplex
+differenzierbarer Funktionen zusammen und wendet sie zum Beispiel
+auf das Problem an, weitere Lösungen der Bessel-Differentialgleichung
+zu finden.
+\item
+Partielle Differentialgleichungen sind eine der wichtigsten Quellen
+der gewöhnlichen Differentialgleichungen, die nur mit speziellen
+Funktionen gelöst werden können.
+So führen rotationssymmetrische Wellenprobleme in der Ebene
+ganz natürlich auf die Besselsche Differentialgleichung und damit
+auf die Bessel-Funktionen als Lösungsfunktionen.
+\item
+Elliptische Funktionen.
+Einige der in Kapitel~\ref{buch:chapter:geometrie} angesprochenen
+Fragestellungen wie der Berechnung der Bogenlänge auf einer Ellipse
+lassen sich mit keiner der bisher vorgestellten Technik lösen.
+In diesem Kapitel werden die elliptischen Integrale und die
+zugehörigen Umkehrfunktionen vorgestellt.
+Die Jacobischen elliptischen Funktionen verallgemeinern
+die trigonometrischen Funktionen und können gewisse nichtlineare
+Differentialgleichungen lösen.
+Sie finden auch Anwendungen im Design elliptischer Filter
+(siehe Kapitel~\ref{chapter:ellfilter}).
+\end{enumerate}
+
+Natürlich ist damit das weite Gebiet der speziellen Funktionen
+nur ganz grob umrissen.
+Weitere Aspekte und Anwendungen werden in den Artikeln im zweiten
+Teil vorgestellt.
+Eine Übersicht dazu findet der Leser auf Seite~\pageref{buch:uebersicht}.
+
diff --git a/buch/chapters/000-einleitung/speziellefunktionen.tex b/buch/chapters/000-einleitung/speziellefunktionen.tex
new file mode 100644
index 0000000..8ca71bc
--- /dev/null
+++ b/buch/chapters/000-einleitung/speziellefunktionen.tex
@@ -0,0 +1,150 @@
+%
+% Spezielle Funktionen
+%
+\subsection*{Spezielle Funktionen}
+Der abstrakte Funktionsbegriff auferlegt einer Funktion nur ganz wenige
+Einschränkungen.
+Damit lässt sich zwar eine mathematische Theorie entwickeln, die
+klärt, unter welchen Umständen zusätzliche Eigenschaften wie Stetigkeit
+und Differenzierbarkeit zu erwarten sind.
+Allgemeine Berechnungen kann man mit diesem Begriff aber nicht durchführen,
+seine Anwendbarkeit ist beschränkt.
+Praktisch nützlich wird der Funktionsbegriff also erst, wenn man ihn
+einschränkt auf anwendungsrelevante Eigenschaften.
+Die Mathematik hat in ihrer Geschichte genau dies immer wieder
+getan, wie im Folgenden kurz skizziert werden soll.
+
+%
+% Polynome und Wurzeln
+%
+\subsubsection{Polynome und Wurzeln}
+Eine Polynomgleichung wie etwa
+\begin{equation}
+p(x) = ax^2+bx+c = 0
+\label{buch:einleitung:quadratisch}
+\end{equation}
+kann manchmal dadurch gelöst werden, dass man die Nullstellen errät
+und damit eine Faktorisierung $p(x)=a(x-x_1)(x-x_2)$ konstruiert.
+Doch im Allgemeinen wird man die Lösungsformel für quadratische
+Gleichungen verwenden, die auf quadratischem Ergänzen basiert.
+Es erlaubt die Gleichung~\eqref{buch:einleitung:quadratisch} umzwandeln in
+\[
+\biggl(x + \frac{b}{2a}\biggr)^2
+=
+-\frac{c}{a} + \frac{b^2}{4a^2}
+=
+\frac{b^2-4ac}{4a^2}.
+\]
+Um diese Gleichung nach $x$ aufzulösen, muss man die inverse Funktion
+der Quadratfunktion zur Verfügung haben, die Wurzelfunktion.
+Dies ist wohl das älteste Beispiel einer speziellen Funktion,
+die man zu dem Zweck eingeführt hat, spezielle algebraische Gleichungen
+lösen zu können.
+Sie liefert die bekannte Lösungsformel
+\[
+x=\frac{-b\pm\sqrt{b^2-4ac}}{2a}
+\]
+für die quadratische Gleichung.
+
+%
+% Exponential- und Logarithmusfunktion
+%
+\subsubsection{Exponential- und Logarithmusfunktion}
+Durch die Definition der Wurzelfunktion ist das Problem der numerischen
+Berechnung der Nullstelle natürlich noch nicht gelöst, aber man hat
+ein handliches mathematisches Symbol gewonnen, mit dem man die Lösungen
+übersichtlich beschreiben und algebraisch manipulieren kann.
+Diese Idee steht hinter allen weiteren in diesem Buch diskutierten
+Funktionen: wann immer ein wichtiges mathematisches Konzept sich nicht
+direkt durch die bereits entwickelten Funktionen ausdrücken lässt,
+erfindet man dafür eine neue Funktion oder Familie von Funktionen.
+Beispielsweise hat sich die Darstellung von Zahlen $x$ als Potenzen
+einer gemeinsamen Basis, zum Beispiel $x=10^y$, als sehr nützlich
+herausgestellt, um Multiplikationen auf die von Hand leichter
+ausführbaren Additionen zurückzuführen.
+Man braucht also die Fähigkeit, die Abhängigkeit des Exponenten $y$
+von $x$ auszudrücken, mit anderen Worten, man braucht die
+Logarithmusfunktion.
+
+Auch die Logarithmusfunktion erlaubt nicht, die Gleichungen $xe^x=y$
+nach $x$ aufzulösen.
+Solche Exponentialgleichungen treten in verschiedenster Form auch in
+Anwendungen auf.
+Die Lambert-$W$-Funktion, die in Abschnitt~\ref{buch:section:lambertw}
+eingeführt wird, löst genau diese Aufgabe.
+
+
+%
+% Geometrisch definierte spezielle Funktionen
+%
+\subsubsection{Geometrisch definierte spezielle Funktionen}
+Die trigonometrischen Funktionen entstanden bereits im Altertum
+um das Problem der Vermessung der Himmelskugel zu lösen.
+Man kann sie aber auch zur Parametrisierung eines Kreises oder
+zur Beschreibung von Drehungen mit Drehmatrizen verwenden.
+Sie stellen auch eine Zusammenhang zwischen der Bogenlänge
+entlang eines Kreises und der zugehörigen Sehne her.
+Diese Ideen lassen sich auf eine grössere Klasse von Kurven,
+nämlich die Kegelschnitte verallgemeinern.
+Diese werden in Kapitel~\ref{buch:chapter:geometrie} eingeführt.
+Die Parametrisierungen der Hyperbeln zum Beispiel führt auf
+hyperbolische Funktion und macht eine Verbindung zu Exponential-
+und Logarithmusfunktion sichtbar.
+
+%
+% Lösungen von Differentialgleichungen
+%
+\subsubsection{Lösungen von Differentialgleichungen}
+Alternativ kann man $\sin x$ und $\cos x$ als spezielle Lösungen der
+Differentialgleichung $y''=-y$ verstehen.
+Viele andere Funktionen wie die hyperbolischen Funktionen oder die
+Bessel-Funktionen sind ebenfalls Lösungen spezieller Differentialgleichungen.
+
+Auch die Theorie der partiellen Differentialgleichungen, auf die
+im Kapitel~\ref{buch:chapter:pde} eingegangen wird, gibt Anlass
+zu interessanten Lösungsfunktionen.
+Die Separation des Poisson-Problems in Kugelkoordinaten führt zum Beispiel
+auf die Kugelfunktionen, mit denen sich beliebige Funktionen auf einer
+Kugeloberfläche analysieren und synthetisieren lassen.
+Die Lösungen einer linearer gewöhnlicher Differentialgleichung können
+oft mit Hilfe von Potenzreihen dargestellt werden.
+So kann man zum Beispiel die Potenzreihenentwicklung der Exponentialfunktion
+und der trigonometrischen Funktionen finden.
+Die Konvergenz einer Potenzreihe wird aber durch Singularitäten
+eingeschränkt.
+Komplexe Potenzreihen ermöglichen aber, solche Stellen zu ``umgehen''.
+Die Theorie der komplex differenzierbaren Funktionen bildet einen
+allgemeinen Rahmen, mit solchen Funktionen umzugehen und ist zum
+Beispiel nötig, um die Bessel-Funktionen der zweiten Art zu konstruieren,
+die ebenfalls Lösungen ger Bessel-Gleichung sind, aber bei $x=0$
+eine Singularität aufweisen.
+
+%
+% Stammfunktionen
+%
+\subsubsection{Stammfunktionen}
+Die Stammfunktion $F(x)$ einer gegebenen Funktion $f(x)$ ist natürlich
+auch die Lösung der besonders einfachen Differentialgleichung $F'=f$.
+Ein bekanntes Beispiel ist die Stammfunktion der Wahrscheinlichkeitsdichte
+\[
+\varphi(x)
+=
+\frac{1}{\sqrt{2\pi}\sigma} e^{-\frac{(x-\mu)^2}{2\sigma^2}},
+\]
+der Normalverteilung, für die aber keine geschlossene Darstellung
+mit bekannten Funktionen bekannt ist.
+Sie kann aber durch die Fehlerfunktion
+\[
+\operatorname{erf}(x)
+=
+\frac{2}{\sqrt{\pi}} \int_0^x e^{-t^2}\,dt
+\]
+dargestellt werden.
+Mit dem Risch-Algorithmus kann man nachweisen, dass es tatsächlich
+keine Möglichkeit gibt, die Stammfunktion in geschlossener Form durch
+die bereits bekannten Funktionen darzustellen, die Definition einer
+neuen speziellen Funktion ist also der einzige Ausweg.
+Die Fehlerfunktion ist heute in der Standardbibliothek enthalten auf
+gleicher Stufe wie Wurzeln, trigonometrische Funktionen,
+Exponentialfunktionen oder Logarithmen.
+
diff --git a/buch/chapters/070-orthogonalitaet/gaussquadratur.tex b/buch/chapters/070-orthogonalitaet/gaussquadratur.tex
index 4a25678..480a37d 100644
--- a/buch/chapters/070-orthogonalitaet/gaussquadratur.tex
+++ b/buch/chapters/070-orthogonalitaet/gaussquadratur.tex
@@ -552,7 +552,7 @@ w(x)=e^{-x}
\text{ und }
g(x)=f(x)e^x.
\]
-Dann approximiert $g(x)$ man durch ein Interpolationspolynom,
+Dann approximiert man $g(x)$ durch ein Interpolationspolynom,
so wie man das bei der Gauss-Quadratur gemacht hat.
Als Stützstellen müssen dazu die Nullstellen der Laguerre-Polynome
verwendet werden.