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diff --git a/buch/chapters/60-gruppen/chapter.tex b/buch/chapters/60-gruppen/chapter.tex index d07db3f..c2aa68d 100644 --- a/buch/chapters/60-gruppen/chapter.tex +++ b/buch/chapters/60-gruppen/chapter.tex @@ -7,6 +7,30 @@ \label{buch:chapter:matrizengruppen}} \lhead{Matrizengruppen} \rhead{} +Matrizen können dazu verwendet werden, Symmetrien von geometrischen oder +physikalischen Systemen zu beschreiben. +Neben diskreten Symmetrien wie zum Beispiel Spiegelungen gehören dazu +auch kontinuierliche Symmetrien wie Translationen oder Invarianz einer +phyisikalischen Grösse über die Zeit. +Solche Symmetrien müssen durch Matrizen beschrieben werden können, +die auf stetige oder sogar differenzierbare Art von der Zeit abhängen. +Die Menge der Matrizen, die zur Beschreibung solcher Symmetrien benutzt +werden, muss also eine zusätzliche Struktur haben, die ermöglicht, +sinnvoll über Stetigkeit und Differenzierbarkeit bei Matrizen +zu sprechen. + +Die Menge der Matrizen bilden zunächst eine Gruppe, +die zusätzliche differenziarbare Struktur macht daraus +eine sogenannte Lie-Gruppe. +Die Ableitungen nach einem Parameter liegen in der sogenannten +Lie-Algebra, einer Matrizen-Algebra mit dem antisymmetrischen +Lie-Klammer-Produkt $[A,B]=AB-BA$, auch Kommutator genannt. +Lie-Gruppe und Lie-Algebra sind eng miteinander verknüpft, +so eng, dass sich die meisten Eigenschaften der Gruppe aus den Eigenschaften +der Lie-Gruppe aus der Lie-Algebra ableiten lassen. +Die Verbindung wird hergestellt durch die Exponentialabbildung. +Ziel dieses Kapitels ist, die Grundzüge dieses interessanten +Zusammenhangs darzustellen. \input{chapters/60-gruppen/symmetrien.tex} \input{chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex} diff --git a/buch/chapters/60-gruppen/images/castle.jpeg b/buch/chapters/60-gruppen/images/castle.jpeg Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..bf90a36 --- /dev/null +++ b/buch/chapters/60-gruppen/images/castle.jpeg diff --git a/buch/chapters/60-gruppen/lie-algebren.tex b/buch/chapters/60-gruppen/lie-algebren.tex index 69d4b1d..6c6b74b 100644 --- a/buch/chapters/60-gruppen/lie-algebren.tex +++ b/buch/chapters/60-gruppen/lie-algebren.tex @@ -6,3 +6,258 @@ \section{Lie-Algebren \label{buch:section:lie-algebren}} \rhead{Lie-Algebren} +Im vorangegangenen Abschnitt wurde gezeigt, dass alle beschriebenen +Matrizengruppen als Untermannigfaltigkeiten im $n^2$-dimensionalen +Vektorraum $M_n(\mathbb{R}9$ betrachtet werden können. +Die Gruppen haben damit nicht nur die algebraische Struktur einer +Matrixgruppe, sie haben auch die geometrische Struktur einer +Mannigfaltigkeit. +Insbesondere ist es sinnvoll, von Ableitungen zu sprechen. + +Eindimensionale Untergruppen einer Gruppe können auch als Kurven +innerhalb der Gruppe angesehen werden. +In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, wie man zu jeder eindimensionalen +Untergruppe einen Vektor in $M_n(\mathbb{R})$ finden kann derart, dass +der Vektor als Tangentialvektor an diese Kurve gelten kann. +Aus einer Abbildung zwischen der Gruppe und diesen Tagentialvektoren +erhält man dann auch eine algebraische Struktur auf diesen Tangentialvektoren, +die sogenannte Lie-Algebra. +Sie ist charakteristisch für die Gruppe. +Insbesondere werden wir sehen, wie die Gruppen $\operatorname{SO}(3)$ +und $\operatorname{SU}(2)$ die gleich Lie-Algebra haben und dass die +Lie-Algebra von $\operatorname{SO}(3)$ mit dem Vektorprodukt in $\mathbb{R}^3$ +übereinstimmt. + +% +% Tangentialvektoren und SO(2) +% +\subsection{Tangentialvektoren und $\operatorname{SO}(2)$} +Die Drehungen in der Ebene können reell als Matrizen der Form +\[ +D_{\alpha} += +\begin{pmatrix} +\cos\alpha&-\sin\alpha\\ +\sin\alpha& \cos\alpha +\end{pmatrix} +\] +als eidimensionale Kurve innerhalb von $M_2(\mathbb{R})$ beschrieben +werden. +Alternativ können Drehungen um den Winkel $\alpha$ als mit Hilfe von +der Abbildung +$ +\alpha\mapsto e^{i\alpha} +$ +als komplexe Zahlen vom Betrag $1$ beschrieben werden. +Dies sind zwei verschiedene Parametrisierungen der gleichen +geometrischen Transformation. + +Die Ableitung nach $\alpha$ ist $ie^{i\alpha}$, der Tangentialvektor +im Punkt $e^{i\alpha}$ ist also $ie^{i\alpha}$. +Die Multiplikation mit $i$ ist die Drehung um $90^\circ$, der Tangentialvektor +ist also der um $90^\circ$ gedrehte Ortsvektor zum Punkt auf der Kurve. + +In der Darstelllung als $2\times 2$-Matrix ist die Ableitung +\[ +\frac{d}{d\alpha}D_\alpha += +\frac{d}{d\alpha} +\begin{pmatrix} +\cos\alpha& -\sin\alpha\\ +\sin\alpha& \cos\alpha +\end{pmatrix} += +\begin{pmatrix} +-\sin\alpha & -\cos\alpha \\ + \cos\alpha & -\sin\alpha +\end{pmatrix}. +\] +Die rechte Seite kann wieder mit der Drehmatrix $D_\alpha$ geschrieben +werden, es ist nämlich +\[ +\frac{d}{d\alpha}D_\alpha += +\begin{pmatrix} +-\sin\alpha & -\cos\alpha \\ + \cos\alpha & -\sin\alpha +\end{pmatrix} += +\begin{pmatrix} +\cos\alpha & -\sin\alpha\\ +\sin\alpha & \cos\alpha +\end{pmatrix} +\begin{pmatrix} +0&-1\\ +1& 0 +\end{pmatrix} += +D_\alpha J. +\] +Der Tangentialvektor an die Kurve $\alpha\mapsto D_\alpha$ innerhalb +$M_2(\mathbb{R})$ im Punkt $D_\alpha$ ist also die Matrix +$JD_\alpha$. +Die Matrix $J$ ist die Drehung um $90^\circ$, denn $J=D_{\frac{\pi}2}$. +Der Zusammenhang zwischen dem Punkt $D_\alpha$ und dem Tangentialvektor +ist also analog zur Beschreibug mit komplexen Zahlen. + +Im Komplexen vermittelt die Exponentialfunktion den Zusammenhang zwischen +dem Winkel $\alpha$ und dre Drehung $e^{i\alpha}$. +Der Grund dafür ist natürlich die Differentialgleichung +\[ +\frac{d}{d\alpha} z(\alpha) = iz(\alpha). +\] +Die analoge Differentialgleichung +\[ +\frac{d}{d\alpha} D_\alpha = J D_\alpha +\] +führt auf die Matrix-Exponentialreihe +\begin{align*} +D_\alpha += +\exp (J\alpha) +&= +\sum_{k=0}^\infty \frac{(J\alpha)^k}{k!} += +\biggl( +1-\frac{\alpha^2}{2!} + \frac{\alpha^4}{4!} -\frac{\alpha^6}{6!}+\dots +\biggr) ++ +J\biggl( +\alpha - \frac{\alpha^3}{3!} ++ \frac{\alpha^5}{5!} +- \frac{\alpha^7}{7!}+\dots +\biggr) +\\ +&= +I\cos\alpha ++ +J\sin\alpha, +\end{align*} +welche der Eulerschen Formel $e^{i\alpha} = \cos\alpha + i \sin\alpha$ +analog ist. + +In diesem Beispiel gibt es nur eine Tangentialrichtung und alle in Frage +kommenden Matrizen vertauschen miteinander. +Es ist daher nicht damit zu rechnen, dass sich eine interessante +Algebrastruktur für die Ableitungen konstruieren lässt. + +% +% Die Lie-Algebra einer Matrizengruppe +% +\subsection{Lie-Algebra einer Matrizengruppe} +Das eindimensionale Beispiel $\operatorname{SO}(2)$ hat gezeigt, dass +die Tangentialvektoren in einem beliebigen Punkt $D_\alpha$ aus dem +Tangentialvektor im Punkt $I$ durch Anwendung der Drehung hervorgehen, +die $I$ in $D_\alpha$ abbildet. +Die Drehungen einer eindimensionalen Untergruppe transportieren daher +den Tangentialvektor in $I$ entlang der Kurve auf jeden beliebigen +anderen Punkt. +Zu jedem Tangentialvektor im Punkt $I$ dürfte es daher genau eine +eindimensionale Untergruppe geben. + +Sei die Abbildung $\varrho\colon\mathbb{R}\to G$ eine Einparameter-Untergruppe +von $G\subset M_n(\mathbb{R})$. +Durch Ableitung der Gleichung $\varrho(t+x) = \varrho(t)\varrho(x)$ nach +$x$ folgt die Differentialgleichung +\[ +\varrho'(t) += +\frac{d}{dx}\varrho(t+x)\bigg|_{x=0} += +\varrho(t) \frac{d}{dx}\varrho(0)\bigg|_{x=0} += +\varrho(t) \varrho'(0). +\] +Der Tangentialvektor in $\varrho'(t)$ in $\varrho(t)$ ist daher +der Tangentialvektor $\varrho'(0)$ in $I$ transportiert in den Punkt +$\varrho(t)$ mit Hilfe der Matrix $\varrho(t)$. + +Aus der Differentialgleichung folgt auch, dass +\[ +\varrho(t) = \exp (t\varrho'(0)). +\] +Zu einem Tangentialvektor in $I$ kann man also immer die +Einparameter-Untergruppe mit Hilfe der Differentialgleichung +oder der expliziten Exponentialreihe rekonstruieren. + +Die eindimensionale Gruppe $\operatorname{SO}(2)$ ist abelsch und +hat einen eindimensionalen Tangentialraum, man kann also nicht mit +einer interessanten Algebrastruktur rechnen. +Für eine höherdimensionale, nichtabelsche Gruppe sollte sich aus +der Tatsache, dass es verschiedene eindimensionale Untergruppen gibt, +deren Elemente nicht mit den Elemente einer anderen solchen Gruppe +vertauschen, eine interessante Algebra konstruieren lassen, deren +Struktur die Nichtvertauschbarkeit wiederspiegelt. + +Seien also $A$ und $B$ Tangentialvektoren einer Matrizengruppe $G$, +die zu den Einparameter-Untergruppen $\varphi(t)=\exp At$ und +$\varrho(t)=\exp Bt$ gehören. +Insbesondere gilt $\varphi'(0)=A$ und $\varrho'(0)=B$. +Das Produkt $\pi(t)=\varphi(t)\varrho(t)$ ist allerdings nicht notwendigerweise +eine Einparametergruppe, denn dazu müsste gelten +\begin{align*} +\pi(t+s) +&= +\varphi(t+s)\varrho(t+s) += +\varphi(t)\varphi(s)\varrho(t)\varrho(s) +\\ += +\pi(t)\pi(s) +&= +\varphi(t)\varrho(t)\varphi(s)\varrho(s) +\end{align*} +Durch Multiplikation von links mit $\varphi(t)^{-1}$ und +mit $\varrho(s)^{-1}$ von rechts folgt, dass dies genau dann gilt, +wenn +\[ +\varphi(s)\varrho(t)=\varrho(t)\varphi(s). +\] +Die beiden Seiten dieser Gleichung sind erneut verschiedene Punkte +in $G$. +Durch Multiplikation mit $\varrho(t)^{-1}$ von links und mit +$\varphi(s)^{-1}$ von rechts erhält man die äquivaliente +Bedingung +\begin{equation} +\varrho(-t)\varphi(s)\varrho(t)\varphi(-s)=I. +\label{buch:lie:konjugation} +\end{equation} +Ist die Gruppe $G$ nicht kommutativ, kann man nicht +annehmen, dass diese Bedingung erfüllt ist. + +Aus \eqref{buch:lie:konjugation} erhält man jetzt eine Kurve +\[ +t \mapsto \gamma(t,s) = \varrho(-t)\varphi(s)\varrho(t)\varphi(-s) \in G +\] +in der Gruppe, die für $t=0$ durch $I$ geht. +Ihren Tangentialvektor kann man durch Ableitung bekommen: +\begin{align*} +\frac{d}{dt}\gamma(t,s) +&= +-\varrho'(-t)\varphi(s)\varrho(t)\varphi(-s) ++\varrho(-t)\varphi(s)\varrho'(t)\varphi(-t) +\\ +\frac{d}{dt}\gamma(t)\bigg|_{t=0} +&= +-B\varphi(s) + \varphi(-s)B +\end{align*} +Durch erneute Ableitung nach $s$ erhält man dann +\begin{align*} +\frac{d}{ds} \frac{d}{dt}\gamma(t,s)\bigg|_{t=0} +&= +-B\varphi'(s) - \varphi(-s)B +\end{align*} + +% +% Die Lie-Algebra von SO(3) +% +\subsection{Die Lie-Algebra von $\operatorname{SO}(3)$} + +% +% Die Lie-Algebra von SU(2) +% +\subsection{Die Lie-Algebra von $\operatorname{SU}(2)$} + + + + diff --git a/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex b/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex index cb1ca84..1268ce2 100644 --- a/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex +++ b/buch/chapters/60-gruppen/lie-gruppen.tex @@ -6,3 +6,321 @@ \section{Lie-Gruppen \label{buch:section:lie-gruppen}} \rhead{Lie-Gruppen} + +\subsection{Drehungen in der Ebene +\label{buch:gruppen:drehungen2d}} +Drehungen der Ebene können in einer orthonormierten Basis durch +Matrizen der Form +\[ +D_{\alpha} += +\begin{pmatrix} +\cos\alpha&-\sin\alpha\\ +\sin\alpha& \cos\alpha +\end{pmatrix} +\] +dargestellt werden. +Wir bezeichnen die Menge der Drehmatrizen in der Ebene mit +$\operatorname{SO}(2)\subset\operatorname{GL}_2(\mathbb{R})$. +Die Abbildung +\[ +D_{\bullet} +\colon +\mathbb{R}\to \operatorname{SO}(2) +: +\alpha \mapsto D_{\alpha} +\] +hat die Eigenschaften +\begin{align*} +D_{\alpha+\beta}&= D_{\alpha}D_{\beta} +\\ +D_0&=I +\\ +D_{2k\pi}&=I\qquad \forall k\in\mathbb{Z}. +\end{align*} +Daraus folgt zum Beispiel, dass $D_{\bullet}$ eine $2\pi$-periodische +Funktion ist. +$D_{\bullet}$ bildet die Menge der Winkel $[0,2\pi)$ bijektiv auf +die Menge der Drehmatrizen in der Ebene ab. + +Ein alternatives Bild für die Drehungen der Ebene kann man in der komplexen +Ebene $\mathbb{C}$ erhalten. +Die Multiplikation mit der komplexen Zahl $e^{i\alpha}$ beschreibt eine +Drehung der komplexen Ebene um den Winkel $\alpha$. +Die Zahlen der Form $e^{i\alpha}$ haben den Betrag $1$ und die Abbildung +\[ +f\colon \mathbb{R}\to \mathbb{C}:\alpha \mapsto e^{i\alpha} +\] +hat die Eigenschaften +\begin{align*} +f(\alpha+\beta) &= f(\alpha)f(\beta) +\\ +f(0)&=1 +\\ +f(2\pi k)&=1\qquad\forall k\in\mathbb{Z}, +\end{align*} +die zu den Eigenschaften der Abbildung $\alpha\mapsto D_{\alpha}$ +analog sind. + +Jede komplexe Zahl $z$ vom Betrag $1$ kann geschrieben werden in der Form +$z=e^{i\alpha}$, die Abbildung $f$ ist also eine Parametrisierung des +Einheitskreises in der Ebene. +Wir bezeichen $S^1=\{z\in\mathbb{C}\;|\; |z|=1\}$ die komplexen Zahlen vom +Betrag $1$. +$S^1$ ist eine Gruppe bezüglich der Multiplikation, da für jede Zahl +$z,w\in S^1$ gilt +$|z^{-1}|=1$ und $|zw|=1$ und damit $z^{-1}\in S^1$ und $zw\in S^1$. + +Zu einer komplexen Zahl $z\in S^1$ gibt es einen bis auf Vielfache +von $2\pi$ eindeutigen Winkel $\alpha(z)$ derart, dass $e^{i\alpha(z)}=z$. +Damit kann man jetzt die Abbildung +\[ +\varphi +\colon +S^1\to \operatorname{SO}(2) +: +z\mapsto D_{\alpha(z)} +\] +konstruieren. +Da $D_{\alpha}$ $2\pi$-periodisch ist, geben um Vielfache +von $2\pi$ verschiedene Wahlen von $\alpha(z)$ die gleiche +Matrix $D_{\alpha(z)}$, die Abbildung $\varphi$ ist daher +wohldefiniert. +$\varphi$ erfüllt ausserdem die Bedingungen +\begin{align*} +\varphi(z_1z_2) +&= +D_{\alpha(z_1z_2)} += +D_{\alpha(z_1)+\alpha(z_2)} += +D_{\alpha(z_1)}D_{\alpha(z_2)} += +\varphi(z_1)\varphi(z_2) +\\ +\varphi(1) +&= +D_{\alpha(1)} += +D_0 += +I +\end{align*} +Die Abbildung $\varphi$ ist ein Homomorphismus der Gruppe $S^1$ +in die Gruppe $\operatorname{SO}(2)$. +Die Menge der Drehmatrizen in der Ebene kann also mit dem Einheitskreis +in der komplexen Ebene identifiziert werden. + +% +% Isometrien von R^n +% +\subsection{Isometrien von $\mathbb{R}^n$ +\label{buch:gruppen:isometrien}} +Lineare Abbildungen der Ebene $\mathbb{R}^n$ mit dem üblichen Skalarprodukt +können durch $n\times n$-Matrizen beschrieben werden. +Die Matrizen, die das Skalarprodukt erhalten, bilden eine Gruppe, +die in diesem Abschnitt genauer untersucht werden soll. +Eine Matrix $A\in M_{2}(\mathbb{R})$ ändert das Skalarprodukt nicht, wenn +für jedes beliebige Paar $x,y$ von Vektoren gilt +$\langle Ax,Ay\rangle = \langle x,y\rangle$. +Das Standardskalarprodukt kann mit dem Matrixprodukt ausgedrückt werden: +\[ +\langle Ax,Ay\rangle += +(Ax)^tAy += +x^tA^tAy += +x^ty += +\langle x,y\rangle +\] +für jedes Paar von Vektoren $x,y\in\mathbb{R}$. + +Mit dem Skalarprodukt kann man auch die Matrixelemente einer Matrix +einer Abbildung $f$ in der Standardbasis bestimmen. +Das Skalarprodukt $\langle e_i, v\rangle$ ist die Länge der Projektion +des Vektors $v$ auf die Richtung $e_i$. +Die Komponenten von $Ae_j$ sind daher $a_{ij}=\langle e_i,f(e_j)\rangle$. +Die Matrix $A$ der Abbildung $f$ hat also die Matrixelemente +$a_{ij}=e_i^tAe_j$. + +\subsubsection{Die orthogonale Gruppe $\operatorname{O}(n)$} +Die Matrixelemente von $A^tA$ sind +$\langle A^tAe_i, e_j\rangle =\langle e_i,e_j\rangle = \delta_{ij}$ +sind diejenigen der Einheitsmatrix, +die Matrix $A$ erfüllt $AA^t=I$ oder $A^{-1}=A^t$. +Dies sind die {\em orthogonalen} Matrizen. +Die Menge $\operatorname{O}(n)$ der isometrischen Abbildungen besteht +daher aus den Matrizen +\[ +\operatorname{O}(n) += +\{ A\in M_n(\mathbb{R})\;|\; AA^t=I\}. +\] +Die Matrixgleichung $AA^t=I$ liefert $n(n+1)/2$ unabhängige Bedingungen, +die die orthogonalen Matrizen innerhalb der $n^2$-dimensionalen +Menge $M_n(\mathbb{R})$ auszeichnen. +Die Menge $\operatorname{O}(n)$ der orthogonalen Matrizen hat daher +die Dimension +\[ +n^2 - \frac{n(n+1)}{2} += +\frac{2n^2-n^2-n}{2} += +\frac{n(n-1)}2. +\] +Im Spezialfall $n=2$ ist die Gruppe $O(2)$ eindimensional. + +\subsubsection{Die Gruppe $\operatorname{SO}(n)$} +Die Gruppe $\operatorname{O}(n)$ enhält auch Isometrien, die +die Orientierung des Raumes umkehren, wie zum Beispiel Spiegelungen. +Wegen $\det (AA^t)=\det A\det A^t = (\det A)^2=1$ kann die Determinante +einer orthogonalen Matrix nur $\pm 1$ sein. +Orientierungserhaltende Isometrien haben Determinante $1$. + +Die Gruppe +\[ +\operatorname{SO}(n) += +\{A\in\operatorname{O}(n)\;|\; \det A=1\} +\] +heisst die {\em spezielle orthogonale Gruppe}. +Die Dimension der Gruppe $\operatorname{O}(n)$ ist $n(n-1)/2$. + +\subsubsection{Die Gruppe $\operatorname{SO}(3)$} +Die Gruppe $\operatorname{SO}(3)$ der Drehungen des dreidimensionalen +Raumes hat die Dimension $3(3-1)/2=3$. +Eine Drehung wird festgelegt durch die Richtung der Drehachse und den +Drehwinkel. +Die Richtung der Drehachse ist ein Einheitsvektor, also ein Punkt +auf der zweidimensionalen Kugel. +Der Drehwinkel ist der dritte Parameter. + +Drehungen mit kleinen Drehwinkeln können zusammengesetzt werden +aus den Matrizen +\[ +D_{x,\alpha} += +\begin{pmatrix} +1&0&0\\ +0&\cos\alpha&-\sin\alpha\\ +0&\sin\alpha& \cos\alpha +\end{pmatrix}, +\qquad +D_{y,\beta} += +\begin{pmatrix} + \cos\beta&0&\sin\beta\\ + 0 &1& 0 \\ +-\sin\beta&0&\cos\beta +\end{pmatrix}, +\qquad +D_{z,\gamma} += +\begin{pmatrix} +\cos\gamma&-\sin\gamma&0\\ +\sin\gamma& \cos\gamma&0\\ + 0 & 0 &1 +\end{pmatrix}, +\] +die Drehungen um die Koordinatenachsen um den Winkel $\alpha$ +beschreiben. +Auch die Winkel $\alpha$, $\beta$ und $\gamma$ können als die +drei Koordinaten der Mannigkfaltigkeit $\operatorname{SO}(3)$ +angesehen werden. + +% +% Die Gruppe SU(2) +% +\subsection{Die Gruppe $\operatorname{SU}(2)$ +\label{buch:gruppen:su2}} +Die Menge der Matrizen +\[ +\operatorname{SU}(2) += +\left\{ +\left. +A=\begin{pmatrix} a&b\\c&d\end{pmatrix} +\;\right|\; +a,b,c,d\in\mathbb{C},\det(A)=1, AA^*=I +\right\} +\] +heisst die {\em spezielle unitäre Gruppe}. +Wegen $\det(AB)=\det(A)\det(B)=1$ und $(AB)^*AB=B^*A^*AB=B^*B=I$ ist +$\operatorname{SU}(2)$ eine Untergruppe von $\operatorname{GL}_2(\mathbb{C})$. +Die Bedingungen $\det A=1$ und $AA^*=I$ schränken die möglichen Werte +von $a$ und $b$ weiter ein. +Aus +\[ +A^* += +\begin{pmatrix} +\overline{a}&\overline{c}\\ +\overline{b}&\overline{d} +\end{pmatrix} +\] +und den Bedingungen führen die Gleichungen +\[ +\begin{aligned} +a\overline{a}+b\overline{b}&=1 +&&\Rightarrow&|a|^2+|b|^2&=1 +\\ +a\overline{c}+b\overline{d}&=0 +&&\Rightarrow& +\frac{a}{b}&=-\frac{\overline{d}}{\overline{c}} +\\ +c\overline{a}+d\overline{b}&=0 +&&\Rightarrow& +\frac{c}{d}&=-\frac{\overline{b}}{\overline{a}} +\\ +c\overline{c}+d\overline{d}&=1&&\Rightarrow&|c|^2+|d|^2&=1 +\\ +ad-bc&=1 +\end{aligned} +\] +Aus der zweiten Gleichung kann man ableiten, dass es eine Zahl $t\in\mathbb{C}$ +gibt derart, dass $c=-t\overline{b}$ und $d=t\overline{a}$. +Damit wird die Bedingung an die Determinante zu +\[ +1 += +ad-bc = at\overline{a} - b(-t\overline{b}) += +t(|a|^2+|b|^2) += +t, +\] +also muss die Matrix $A$ die Form haben +\[ +A += +\begin{pmatrix} +a&b\\ +-\overline{b}&\overline{a} +\end{pmatrix} +\qquad\text{mit}\quad |a|^2+|b|^2=1. +\] +Schreibt man $a=a_1+ia_2$ und $b=b_1+ib_2$ mit rellen $a_i$ und $b_i$, +dann besteht $SU(2)$ aus den Matrizen der Form +\[ +A= +\begin{pmatrix} + a_1+ia_2&b_1+ib_2\\ +-b_1+ib_2&a_1-ia_2 +\end{pmatrix} +\] +mit der zusätzlichen Bedingung +\[ +|a|^2+|b|^2 += +a_1^2 + a_2^2 + b_1^2 + b_2^2 = 1. +\] +Die Matrizen von $\operatorname{SU}(2)$ stehen daher in einer +eins-zu-eins-Beziehung zu den Vektoren $(a_1,a_2,b_1,b_2)\in\mathbb{R}^4$ +eines vierdimensionalen reellen Vektorraums mit Länge $1$. +Geometrisch betrachtet ist also $\operatorname{SU}(2)$ eine dreidmensionalen +Kugel, die in einem vierdimensionalen Raum eingebettet ist. + + + diff --git a/buch/chapters/60-gruppen/symmetrien.tex b/buch/chapters/60-gruppen/symmetrien.tex index 8d5c0e0..cb07475 100644 --- a/buch/chapters/60-gruppen/symmetrien.tex +++ b/buch/chapters/60-gruppen/symmetrien.tex @@ -7,4 +7,102 @@ \section{Symmetrien \label{buch:section:symmetrien}} \rhead{Symmetrien} +Der geometrische Begriff der Symmetrie meint die Eigenschaft eines +geometrischen Objektes, dass es bei einer Bewegung auf sich selbst +abgebildet wird. +Das Wort stammt aus dem altgriechischen, wo es {\em Gleichmass} +bedeutet. +Spiegelsymmetrische Objekte zeichnen sich zum Beispiel dadurch aus, +dass Messungen von Strecken die gleichen Werte ergeben wie die Messungen +der entsprechenden gespiegelten Strecken (siehe auch +Abbildung~\ref{buch:lie:bild:castlehoward}, was die Herkunft des +Begriffs verständlich macht. +\begin{figure} +\centering +\includegraphics[width=\textwidth]{chapters/60-gruppen/images/castle.jpeg} +\caption{Das Castle Howard in Yorkshire war in dieser ausgeprägt symmetrischen +Form geplant, wurde dann aber in modifizeirter Form gebaut. +Messungen zwischen Punkten in der rechten Hälfte des Bildes +ergeben die gleichen Werte wie Messungen entsprechenden Strecken +in der linken Hälfte, was den Begriff Symmetrie rechtfertigt. +\label{buch:lie:bild:castlehoward}} +\end{figure} +In der Physik wird dem Begriff der Symmetrie daher auch eine erweiterte +Bedeutung gegeben. +Jede Transformation eines Systems, welche bestimmte Grössen nicht +verändert, wird als Symmetrie bezeichnet. +Die Gesetze der Physik sind typischerweise unabhängig davon, wo man den +den Nullpunkt der Zeit oder das räumlichen Koordinatensystems ansetzt, +eine Transformation des Zeitnullpunktes oder des Ursprungs des +Koordinatensystems ändert daher die Bewegungsgleichungen nicht, sie ist +eine Symmetrie des Systems. + +Umgekehrt kann man fragen, welche Symmetrien ein System hat. +Da sich Symmetrien zusammensetzen und umkehren lassen, kann man in davon +ausgehen, dass die Symmetrietransformationen eine Gruppe bilden. +Besonders interessant ist dies im Falle von Transformationen, die +durch Matrizen beschrieben weren. +Eine unter der Symmetrie erhaltene Eigenschaft definiert so eine +Untergruppe der Gruppe $\operatorname{GL}_n(\mathbb{R})$ der +invertierbaren Matrizen. +Die erhaltenen Eigenschaften definieren eine Menge von Gleichungen, +denen die Elemente der Untergruppe genügen müssen. +Als Lösungsmenge einer Gleichung erhält die Untergruppe damit eine +zusätzliche geometrische Struktur, man nennt sie eine differenzierbare +Mannigfaltigkeit. +Dieser Begriff wird im Abschnitt~\ref{buch:subsection:mannigfaltigkeit} +eingeführt. +Es wird sich zum Beispiel zeigen, dass die Menge der Drehungen der +Ebene mit den Punkten eines Kreises parametrisieren lassen, +die Lösungen der Gleichung $x^2+y^2=1$ sind. + +Eine Lie-Gruppe ist eine Gruppe, die gleichzeitig eine differenzierbare +Mannigfaltigkeit ist. +Die Existenz von geometrischen Konzepten wie Tangentialvektoren +ermöglicht zusätzliche Werkzeuge, mit denen diese Gruppe untersucht +und verstanden werden können. +Ziel dieses Abschnitts ist, die Grundlagen für diese Untersuchung zu +schaffen, die dann im Abschnitt~\ref{buch:section:lie-algebren} +durchgeführt werden soll. + +\subsection{Algebraische Symmetrien +\label{buch:subsection:algebraische-symmetrien}} +Mit Matrizen lassen sich Symmetrien in einem geometrischen Problem +oder in einem physikalischen System beschreiben. +Man denkt dabei gerne zuerst an geometrische Symmetrien wie die +Symmetrie unter Punktspiegelung oder die Spiegelung an der $x_1$-$x_2$-Ebene, +wie sie zum Beispiel durch die Abbildungen +\[ +\mathbb{R}^3\to\mathbb{R}^3 : x\mapsto -x +\qquad\text{oder}\qquad +\mathbb{R}^3\to\mathbb{R}^3 : +\begin{pmatrix}x_1\\x_2\\x_3\end{pmatrix} +\mapsto +\begin{pmatrix}-x_1\\x_2\\x_3\end{pmatrix} +\] +dargestellt werden. +Beide haben zunächst die Eigenschaft, dass Längen und Winkel und damit +das Skalarprodukt erhalten sind. +Diese Eigenschaft allein erlaubt aber noch nicht, die beiden Transformationen +zu unterscheiden. +Die Punktspiegelung zeichnet sich dadurch aus, das alle Geraden und alle +Ebenen durch den Ursprung auf sich selbst abgebildet werden. +Dies funktioniert für die Ebenenspiegelung nicht, dort bleibt nur die +Spiegelungsebene (die $x_1$-$x_2$-Ebene im vorliegenden Fall) und +ihre Normale erhalten. +Die folgenden Beispiele sollen zeigen, wie solche Symmetriedefinitionen +auf algebraische Bedingungen an die Matrixelemente führen. + + +\subsection{Manningfaltigkeiten +\label{buch:subsection:mannigfaltigkeit}} + +\subsection{Der Satz von Noether +\label{buch:subsection:noether}} + + + + + + |