aboutsummaryrefslogtreecommitdiffstats
path: root/buch/chapters/020-exponential
diff options
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authorAndreas Müller <andreas.mueller@othello.ch>2021-12-27 20:34:52 +0100
committerAndreas Müller <andreas.mueller@othello.ch>2021-12-27 20:34:52 +0100
commitb061e8140748608327055591a6c9e8a9722274a2 (patch)
tree6e47719c8a1481934480d1ca94526d826d3bf876 /buch/chapters/020-exponential
parentlineare differenzengleichungen, beta, integral-gamma (diff)
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new stuff about logarithms
Diffstat (limited to 'buch/chapters/020-exponential')
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-rw-r--r--buch/chapters/020-exponential/images/buergiausschnitt.tex27
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8 files changed, 636 insertions, 6 deletions
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index 0000000..3e64452
--- /dev/null
+++ b/buch/chapters/020-exponential/images/Log_Calc-Figure7.jpeg
Binary files differ
diff --git a/buch/chapters/020-exponential/images/Makefile b/buch/chapters/020-exponential/images/Makefile
index 63ebc4f..0a57348 100644
--- a/buch/chapters/020-exponential/images/Makefile
+++ b/buch/chapters/020-exponential/images/Makefile
@@ -4,7 +4,7 @@
# (c) 2021 Prof Dr Andreas Müller, OST Ostschweizer Fachhochschule
#
-all: xexpx.pdf w.pdf
+all: xexpx.pdf w.pdf buergiausschnitt.pdf
xexpx.pdf: xexpx.tex
pdflatex xexpx.tex
@@ -12,4 +12,5 @@ xexpx.pdf: xexpx.tex
w.pdf: w.tex
pdflatex w.tex
-
+buergiausschnitt.pdf: buergiausschnitt.tex buergi1.pdf
+ pdflatex buergiausschnitt.tex
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new file mode 100644
index 0000000..d4a8977
--- /dev/null
+++ b/buch/chapters/020-exponential/images/buergi1.pdf
Binary files differ
diff --git a/buch/chapters/020-exponential/images/buergiausschnitt.pdf b/buch/chapters/020-exponential/images/buergiausschnitt.pdf
new file mode 100644
index 0000000..abc55ef
--- /dev/null
+++ b/buch/chapters/020-exponential/images/buergiausschnitt.pdf
Binary files differ
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new file mode 100644
index 0000000..c6f9654
--- /dev/null
+++ b/buch/chapters/020-exponential/images/buergiausschnitt.tex
@@ -0,0 +1,27 @@
+%
+% buergiausschnitt.tex -- template for standalon tikz images
+%
+% (c) 2021 Prof Dr Andreas Müller, OST Ostschweizer Fachhochschule
+%
+\documentclass[tikz]{standalone}
+\usepackage{amsmath}
+\usepackage{times}
+\usepackage{txfonts}
+\usepackage{pgfplots}
+\usepackage{csvsimple}
+\usetikzlibrary{arrows,intersections,math}
+\begin{document}
+\def\skala{1}
+\begin{tikzpicture}[>=latex,thick,scale=\skala]
+
+\def\w{7.5}
+\def\h{10}
+
+\begin{scope}
+\clip (-7.4,-10.4) rectangle (7.9,12.1);
+\node at (0,0) {\includegraphics{buergi1.pdf}};
+\end{scope}
+
+\end{tikzpicture}
+\end{document}
+
diff --git a/buch/chapters/020-exponential/log.tex b/buch/chapters/020-exponential/log.tex
index 3bfb346..add63c3 100644
--- a/buch/chapters/020-exponential/log.tex
+++ b/buch/chapters/020-exponential/log.tex
@@ -5,5 +5,315 @@
%
\section{Logarithmen
\label{buch:exponential:section:logarithmen}}
+Heutezutage wird die Logarithmusfunktion als die Umkehrfunktion
+der Exponentialfunktion definiert.
+Ihren Ursprung hat sie jedoch im Bemühen, eine Methode zur Vereinfachung
+der numerischen Rechnung zu finden.
+In diesem Abschnitt soll die Geschichte kurz nachgezeichnet werden.
+
+\subsection{Multiplikation}
+Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, dass Multiplikationen
+sehr viel aufwendiger sind als Additionen.
+So braucht man für die Addition zweier $n$-stelliger Zahlen
+genau $n$ Additionen einstelliger Zahlen mit Übertrag.
+Für die Multiplikation sind zunächst $n^2$ einstellige Multiplikationen
+gefolgt von $n(n-1)$ Additionen einstelliger Zahlen mit Übertrag notwenig,
+um einen Faktor mit jeder Stelle des anderen zu multiplizieren.
+Anschliessend müssen dann $(n-1)^2$ einstellige Multiplikationen
+gefolgt von einstelligen Additionen mit Übertrag ausgeführt werden,
+um die Summe zu bilden.
+Der Aufwand für eine Multiplikation wächst also quadratisch mit
+der Genauigkeit, während der Aufwand für die addition nur linear
+anwächst.
+
+Eine gebräuchlich Methode war die Verwendung der trigonometrischen
+Identität
+\begin{align*}
+\sin(\alpha)\sin(\beta)
+&=
+\frac12
+\cos(\alpha-\beta)
+-
+\frac12
+\cos(\alpha+\beta).
+\intertext{Dies kann mit einer Tabelle nur der Sinus-Werte durchgeführt
+werden, indem man verwendet, dass $\sin x = \cos(90^\circ-x)$.
+Dies führt auf die Identität }
+\sin(\alpha)\sin(\beta)
+&=
+\frac12\bigl(\sin(90^\circ-\alpha+\beta)
+-
+\sin(90^\circ-\alpha-\beta)\bigr)
+\end{align*}
+Die Multiplikation der Zahlen $\sin\alpha$ und $\sin\beta$ verlangt
+daher nur zwei Konsultationen der Sinus-Tabelle, um die Winkel
+$\alpha$ und $\beta$ zu bestimmen, zwei Additionen zur Berechnung
+von
+$90^\circ-\alpha+\beta$
+und
+$90^\circ-\alpha-\beta$,
+zwei Konsultationen der Sinus-Tabelle gefolgt von einer Addition
+und einer
+Halbierungsoperationen, die sich ähnlich effizient wie Additionen
+durchführen lässt.
+Der Aufwand dieser Art der Durchführung der Multplikation ist also
+gleich gross wie $4$ Additionen und $4$ Tabellenkonsultationen.
+
+\begin{beispiel}
+In Abschnitt~\ref{buch:trigo:subsection:tabelle} ist beschrieben, wie
+schon im Altertum Tabellen für Sinus-Werte aufgestellt werden konnten.
+Mit der Tabelle~\ref{buch:trigo:table:sinus} kann man zum Beispiel die
+folgende Multiplikation durchführen.
+Gesucht ist das Produkt der Zahlen $x=0.51503807$ und $y=0.80901169$.
+Die Berechnung läuft wie folgt ab:
+\begin{align*}
+x&=0.80901169&
+&\Rightarrow&\sin\alpha &=x&
+&\Rightarrow&{\color{red}\alpha}&\approx {\color{red}54^\circ}
+\\
+y&=0.51503807&
+&\Rightarrow&\sin\beta &=y&
+&\Rightarrow&{\color{red}\beta}&\approx {\color{red}31^\circ}
+\\
+ & &
+& &{\color{red}\sin\delta_1}&={\color{red}0.92050485}&
+&\Leftarrow &{\color{blue}\delta_1}&=90^\circ-\alpha+\beta={\color{blue}67}
+\\
+ & &
+& &{\color{red}\sin\delta_2}&={\color{red}0.08715574}&
+&\Leftarrow &{\color{blue}\delta_2}&=90^\circ-\alpha-\beta={\color{blue}5}
+\\
+ &&
+ & &{\color{blue}\sin\delta_1+\sin\delta_2}&={\color{blue}0.83334911}
+\\
+xy&=0.41667455&
+ &\Leftarrow&\frac12(\sin\delta_1+\sin\delta_2)&={\color{darkgreen}0.41667455}
+\end{align*}
+Die roten Zahlen sind Resultate von Tabellenkonsultationen, die blauen
+ergeben sich durch Additionen, grün ist die Halbierungsoperation.
+Alle acht Stellen des Resultates sind korrekt.
+\end{beispiel}
+
+Das Verfahren funktioniert also, hat aber eine ganze Reihe von Nachteilen:
+\begin{enumerate}
+\item
+Die Zahl der Operationen ist ziemlich gross.
+Immerhin sind vier Tabellenkonsultationen nötig, drei Additionen und die
+Halbierungsoperation.
+\item
+Es funktioniert nur für Zahlen zwischen $0$ und $1$.
+Für Zahlen ausserhalb dieses Intervalls ist es die Aufgabe des
+Anwenders, eine Skalierung vorzunehmen und sie später bei der Angabe
+des Resultates wieder einfliessen zu lassen.
+Das Quadrat von $2$ kann berechnet werden als
+\(2^2 = 100 \cdot 0.2\cdot 0.2\), was mit dem Winkel
+$\alpha=\beta=11.537^\circ$ möglich ist.
+Das Resultat der Multiplikation nach obigem Verfahren ist dann
+\[
+\frac12\bigl(
+\sin(90^\circ-\alpha+\beta)
+-
+\sin(90^\circ-\alpha-\beta)
+\bigr)
+=
+\frac12\bigl(
+1-
+\sin 66.926^\circ
+\bigr)
+=
+\frac12( 1-0.9200)
+=
+\frac12\cdot 0.08=0.04,
+\]
+woraus sich dann das Quadrat von $2$ als
+$2^2 = 100\cdot 0.2^2 = 100\cdot 0.04 = 4$
+ergibt.
+Dieser Nachteil gilt allerdings auch für Rechenverfahren mit Logarithmen
+oder mit einem Rechenschieber, bei dem ebenfalls nur die Mantisse
+berechnet wird, der Anwender ist selbst für die Bestimmung des Exponenten
+verantwortlich.
+\item
+Es kann vorkommen, dass die Winkel $90^\circ-\alpha+\beta$
+und $90^\circ-\alpha-\beta$ nicht im Intervall zwischen $0$ und $90^\circ$
+liegen.
+In diesem Fall ist eine zusätzliche Reduktion des Winkels nötig.
+Falls der Winkel negativ ist, muss in den folgenden Schritt zusätzlich
+das Vorzeichen berücksichtigt werden.
+\end{enumerate}
+
+
+\subsection{Die Erfindung der Logarithmen}
+Die Lösung des Problems ist die Verwendung von Exponentialfunktionen
+anstelle von trigonometrischen Funktionen.
+Um das Produkt von zwei Zahlen $x$ und $y$ zu bestimmen, müssen erst
+die Exponenten $\xi$ und $\eta$ bestimmt werden, für die $x=b^\xi$
+$y=b^\eta$ ist.
+Das Produkt ist dann $xy = b^{\xi+\eta}$, es muss also die Summe
+$\xi+\eta$ berechnet werden und aus einer Tabelle der Funktion
+$b^\bullet$ kann dann das Produkt abgelesen werden.
+Der Wert der Basis $b$ ist dabei noch frei und wurde auch von
+den Erfindern der Logarithmen verschieden angegangen.
+
+\subsubsection{Die arithmetischen Progresstabulen von Jost Bürgi}
+\begin{figure}
+\centering
+\includegraphics{chapters/020-exponential/images/Log_Calc-Figure7.jpeg}
+\caption{Ausschnitt aus der ersten Seite von Jost Bürgis Tabelle der
+Potenzen von $1.0001$
+\label{buch:exponential:log:fig:buergi1}}
+\end{figure}
+\begin{figure}
+\centering
+\includegraphics[width=0.92\textwidth]{chapters/020-exponential/images/buergiausschnitt.pdf}
+\caption{Rekonstruktion der ersten Seite von Bürgis Tabelle aus
+\cite{buch:hal}
+\label{buch:exponential:log:fig:buergi2}}
+\end{figure}
+Der 1552 in Lichtensteig geborene schweizer Uhrmacher und Mathematiker
+hat in seinem Werk
+{\em Arithmetische und geometrische Progress Tabulen sambt gründlichem
+unterricht, wie solche nützlich in allerley Rechnungen zugebrauchen
+und verstanden werden soll}, welches 1620 in Prag erschien,
+eine Tabelle aller Werte
+\[
+10^8\cdot\biggl(1+\frac{1}{10000}\biggr)^n
+=
+10^8 \biggl(\biggl(1+\frac{1}{10000}\biggr)^{10000}\biggr)^{n\cdot10^{-4}}
+\]
+für $n=0$ bis $n=23027$.
+Die Abbildung~\ref{buch:exponential:log:fig:buergi1}
+zeigt, einen Ausschnitt aus der ersten Seite von Bürgis Tabelle.
+Die mit 10 multiplizierten Exponenten $n$ sind durchwegs als
+{\color{red}rote} Zahlen dargestellt.
+In jeder Spalten stehen 40 aufeinanderfolgende Werte, von Spalte
+zu Spalten nimmt der Wert von $n$ um 500 zu.
+Abbildung~\ref{buch:exponential:log:fig:buergi2} zeigt eine Rekonstruktion
+der ersten Seite.
+
+Um mit der Bürgischen Tafel eine Multiplikation durchzuführen,
+hat man also unter den schwarzen Zahlen Werte gesucht,
+der möglichst nahe an den gegebenen Faktoren sind.
+Dabei konnte die Genauigkeit noch gesteigert werden, indem zwischen
+aufeinanderfolgenden Werten interpoliert wurde.
+Die zugehörigen roten Zahlen wurden dann addiert und mit Hilfe der
+Tabelle wieder die schwarzen Zahlen ermittelt.
+
+\begin{beispiel}
+Die erste Seite \ref{buch:exponential:log:fig:buergi2} der Bürgischen
+Tabelle umfasst natürlich nur einen sehr kleine Teil des ganzen Werkes,
+trotzdem kann man daran den Gang der Rechnung illustrieren.
+Um die beiden schwarzen Zahlen $x=1.0023$ und $y=1.0017$ miteinander
+zu multiplizieren, sucht man die zugehörigen roten Zahlen in
+der Tabelle
+\[
+\renewcommand{\arraycolsep}{2pt}
+\begin{array}{rclcr}
+ & &\text{schwarze Zahl}&&\text{{\color{red}rote Zahl}} \\
+ x&=&1.0023 &\Rightarrow&{\color{red}2274}\\
+ y&=&1.0017 &\Rightarrow&{\color{red}1686}\\
+ xy&=&1.004039247 &\Leftarrow &{\color{red}3960}
+%\text{exakt}&=&1.0040391 & &
+\end{array}
+\]
+Das exakte Result ist $xy=1.0040391$.
+\end{beispiel}
+
+Die roten Zahlen werden in heutiger Terminologie Logarithmen zur
+Basis $b=1.0001$ im Wesentlichen genannt.
+In der Tabelle werden die Werte von $b^n$ in Abhängigkeit von $n$
+angegeben, es wurde also direkt die Exponentialfunktion $b^\bullet$
+tabuliert.
+In heutiger Sprechweise würde man dies als eine Antilogarithmentafel
+bezeichnen.
+
+\subsubsection{John Napier und die natürlichen Logarithmen}
+Der schottische Mathematiker John Napier (1550--1617) hat ein
+ausgeklügeltes Verfahren entwickelt,
+natürliche Logarithmen mit hoher Genauigkeit von mindestens sieben
+Stellen zu berechnen.
+Ausserdem hat er den Logarithmen ihren Namen gegeben.
+
+Um die Genauigkeit von sieben Stellen zu erreichen, musste er von
+einem Wert ausgehen, der nicht weiter als $10^{-7}$ von $1$ entfernt
+ist.
+Bürgi hat mit dem Wert $1+10^{-4}$ eine Genauigkeit von vier Stellen
+erreicht, Napier startete seine Berechnung mit $1-10^{-7}$.
+Er hat also eigentlich Logarithmen zur Basis $1/e$ bestimmt.
+
+Hätte Napier jedoch einfach nur das Verfahren von Bürgi auf die um
+den Faktor $10^3$ höhere Genauigkeit angewendet, hätte er auch $10^3$
+mal mehr und somit über 23 Millionen Multiplikationen durchführen
+müssen, im Laufe derer sich viel zu grosse Rundungsfehler akkumuliert
+hätten.
+Napier hat daher das gesamte Intervall in mehrer grössere Intervall
+unterteilt, indem er mit statt nur den Faktor $a=1-10^{-7}=0.9999999$
+auch noch geometrische Folgen mit den Faktoren $b=1-10^{-5}=0.99999$ und
+$c=1-5\cdot10^{-4}=0.9995$ verwendet hat.
+Mit 4604 Gliedern der Folge $c^k$ konnte er tatsächlich das ganze
+Intervall zwischen $0.1$ und $1$ geometrisch unterteilen.
+Innerhalb jedes Teilintervalls kann dann eine Unterteilung mit
+50 Gliedern der Folge $b^k$ aufteilen.
+Und schliesslich liefern 100 Gleider der Folge $a^k$ eine geometrische
+Unterteilung in jedes dieser Intervalle.
+Auf diese Art kann erreicht werden, dass jeder Wert mit höchstens 4755
+Multiplikationen und damit ohne Kompromittierung der Genauigkeit durch
+Rundungsfehler berechnet werden kann.
+
+Das Interpolationsverfahren, welches Napier zur Bestimmung seiner
+Logarithmen entwickelt hat, hat auch die Entwicklung von Rechenschiebern
+motiviert.
+
+\subsubsection{Dekadische Logarithmen nach Henry Briggs}
+Henry Briggs (1561--1630) hat die Bedeutung der Napierschen
+Logarithmen sofort erkannt und vorgeschlagen, statt der Basis $e$
+die Basis $10$ zu verwenden.
+Der Vorteil der Basis 10 ist, dass Zahlen mit der gleichen
+Mantisse in Gleitkommadarstellung zur Basis 10 Logarithmen haben,
+die sich nur im eine Ganzzahl unterschieden, die gleichzeitig der
+Unterschied der Exponenten ist.
+Dies macht die Verwendung einer Logarithmentabelle sehr viel
+intuitiver.
+
+Briggs hat ausserdem die numersiche Berechnung der Logarithmen
+weiterentwickelt und innerhalb von 7 Jahren 30000 Logarithmen mit
+einer Genauigkeit von 14 Stellen berechnet.
+Die Methoden von Bürgi und Napier gingen davon aus, das Intervall,
+in dem die Logarithmen bestimmt werden sollen, durch Konstruktion
+einer geometrischen Folge zu unterteilen.
+Zum Beispiel hat Bürgi das Intervall von $1$ bis $10$ mit Hilfe von
+23027 Multiplikationen von $1.0001$ zu unterteilen.
+Briggs fragte sich daher, ob sich eine Unterteilung auch in weniger
+Schritten erreichen liesse.
+
+Welchen Faktor $a$ muss man nehmen, wenn man das Intervall von
+$1$ bis $10$ geometrisch in zwei Teilintervalle unterteilen will.
+Der Faktor $a$ muss $a^2=10$ erfüllen, also $a=\sqrt{10}$.
+Somit haben wir in $\sqrt{10}$ einen Wert mit einem genau
+bekannten Zehnerlogarithmus von $0.5$ gefunden.
+
+Durch Iteration dieser Idee kann man durch $n$-faches
+wiederholtes Wurzelziehen die Zahlen mit den bekannten
+Logarithmen $2^{-n}$ bestimmen.
+Durch Darstellung eines Logarithmus im Binärsystem kann
+man dann die zugehörige Zahl durch nur so viele Multiplikationen
+bestimmen, wie Einsen in der Binärdarstellung des Logarithmus
+vorkommen.
+Damit ist der Rechenaufwand für die Berechnung einzelner
+Logarithmen sehr viel kleiner also in den Methoden von Bürgi
+und Napier.
+
+Die Briggssche Idee funktioniert besonders gut im Binärsystem,
+wenn also Logarithmen für Zahlen zwischen $1$ und $2$ bestimmt
+werden müssen.
+Im Binärsystem ist Division durch $2$ besonders einfach, sie ist
+einfach nur eine Verschiebung des Kommas.
+Auch für die Berechnung der Quadratwurzel gibt es effiziente
+binäre Algorithmen.
+
+
+
+
+
+
diff --git a/buch/chapters/020-exponential/uebungsaufgaben/0.tex b/buch/chapters/020-exponential/uebungsaufgaben/0.tex
index d1a5054..1f908bf 100644
--- a/buch/chapters/020-exponential/uebungsaufgaben/0.tex
+++ b/buch/chapters/020-exponential/uebungsaufgaben/0.tex
@@ -53,7 +53,8 @@ Lösungen, nämlich
x
=
\begin{cases}
-\displaystyle -1-\frac{1}{\log 3} W_0\biggl(-\frac{\log 3}{6}\biggr)&=-0.79011\\
+\displaystyle -1-\frac{1}{\log 3} W_0\biggl(-\frac{\log 3}{6}\biggr)&=-0.79011
+\\[8pt]
\displaystyle -1-\frac{1}{\log 3} W_{-1}\biggl(-\frac{\log 3}{6}\biggr)&=\phantom{-}1.44456.
\end{cases}
\]
diff --git a/buch/chapters/020-exponential/zins.tex b/buch/chapters/020-exponential/zins.tex
index 7dd0431..81c68ef 100644
--- a/buch/chapters/020-exponential/zins.tex
+++ b/buch/chapters/020-exponential/zins.tex
@@ -3,11 +3,302 @@
%
% (c) 2021 Prof Dr Andreas Müller, OST Ostscheizer Fachhochschule
%
-\section{Exponentialfunktion als Grenzwert
+\section{Exponentialfunktion
\label{buch:exponential:section:grenzwert}}
\rhead{Exponentialfunktion als Grenzwert}
+Mit Hilfe von Potenzen und Wurzeln lassen sich die Potenzen $a^x$
+für beliebige rationale Zahlen $x=p/q\in\mathbb{Q}$ als
+\[
+a^x = a^{\frac{p}{q}} = \root{q}\of{a^p}
+\]
+definieren.
+Da $x\mapsto a^x$ stetig ist, ergibt sich daraus auch eine
+stetige Funktion
+$a^{\bullet}\colon \mathbb{R}\to\mathbb{R}:x\mapsto a^x$.
+Dies ist aber als Basis für eine neue spezielle Funktion nicht
+wirklich geeignet, da ausser $x$ auch die Basis variert werden kann.
+Die arithmetischen Eigenschaften der Potenzfunktion erlauben aber,
+jede der Funktionen $a^x$ auf jede andere $b^x$ zurückzuführen.
+Ist $b=a^t$, dann dann ist $b^x = a^{tx}$.
+Es stellt sich damit die Frage, ob es eine bevorzugte Basis gibt.
-\subsection{Permanente Verzinsung}
+\subsection{Zins und Eulerscher Grenzwert}
+Wir ein Kapital $K_0$ mit dem Jahreszinssatz $x=100\%$ verzinst,
+wächst es jedes Jahr um den Faktor $1+x$ an.
+Teilt man die Zinsperiode in kleiner Intervall, zum Beispiel Monate
+oder Tage, und passt auch den Zins entsprechend an, dann wächste
+das Kapitel in einem Jahr auf
+\[
+K = \biggl(1+\frac{x}{12}\biggr)^{12}
+\qquad\text{und}\qquad
+K = \biggl(1+\frac{x}{365}\biggr)^{365}
+\]
+an.
+Für eine Unterteilung in $n$ Zinsperioden ist der Faktor also
+\[
+\biggl(1+\frac{x}{n}\biggr)^n.
+\]
+Diese Beobachtung hat Jacob Bernoulli 1683 dazu geführt, den Grenzwert
+\[
+\lim_{n\to\infty} \biggl(1+\frac1n\biggr)^n
+\]
+zu studieren, die später mit $e$ bezeichnet wurde.
+Später hat Euler gezeigt, dass
+\begin{equation}
+\lim_{n\to\infty}\biggl(1+\frac{x}{n}\biggr)^n
+=
+e^x
+\label{buch:exponential:zins:eulerex}
+\end{equation}
+gilt.
+
+Tatsächlich gilt für ganzzahlige $x$, dass auch die Teilfolge
+mit $n=xm$ konvergiert, dass also
+\begin{align*}
+\lim_{n\to\infty}
+\biggl(1+\frac{x}{n}\biggr)^n
+&=
+\lim_{m\to\infty}
+\biggl(1+\frac{x}{xm}\biggr)^{xm}
+=
+\lim_{m\to\infty}\biggl(1+\frac{1}{m}\biggr)^{xm}
+\intertext{sein muss.
+Da die Funktion $a\mapsto a^x$ stetig ist, folgt weiter}
+&=\biggl(\lim_{m\to\infty}\biggl(1+\frac1m\biggr)^m\biggr)^x.
+\end{align*}
+Ähnlich kann man für einen Bruch $x=p/q$ vorgehen.
+Dazu berechnet man die $q$-te Potenz, wobei man wieder verwenden kann,
+dass, die Funktion $a\mapsto a^q$ stetig ist.
+So bekommt man
+\begin{align*}
+\biggl(
+\lim_{n\to\infty}
+\biggl(1+\frac{x}{n}\biggr)^n
+\biggr)^q
+&=
+\lim_{n\to\infty}
+\biggl(+\frac{p}{qn}\biggr)^{nq}
+=
+\lim_{m\to\infty}
+\biggl(1+\frac{p}{m})
+\biggr)^m
+=
+e^p.
+\end{align*}
+Zieht man jetzt die $q$-te Wurzel, bekommt man
+\[
+\lim_{n\to\infty}\biggl(1+\frac{x}{n}\biggr)^n = e^{\frac{p}{q}}.
+\]
+Da auch die Potenzfunktion $x\mapsto a^x$ stetig ist, folgt schliesslich,
+dass für beliebige reelle $x\in\mathbb{R}$ die
+Formel~\eqref{buch:exponential:zins:eulerex} gilt.
+
+\subsubsection{Approximation durch Jost Bürgi}
+Jost Bürgi, Uhrmacher und Mathematiker aus Lichtensteig,
+war einer der Erfinder der Logartihmen, für die er allerdings
+noch keinen Namen hatte.
+Er berechnete eine Tabelle aller Werte von
+\[
+10^8\cdot(1+10^{-4})^n.
+\]
+Schreibt man
+\[
+(1+10^{-4})^n
+=
+\biggl(1+\frac{1}{10000}\biggr)^{1000\cdot n\cdot10^{-4}},
+\]
+dann erkennt man, dass Bürgi die Potenzen der Approximation
+\[
+\biggl(1+\frac{1}{1000}\biggr)^{1000}
+=
+2.7181459
+\approx
+2.7182818
+\]
+von $e$ berechnet hat.
+Die Wahl dieser Basis hat keine Auswirkungen auf die Genauigkeit
+der Anwendung seiner Tabellen, da jede andere Basis genauso.
+
+\subsubsection{Störungen des Eulerschen Grenzwertes}
+Der Grenzwert~\eqref{buch:exponential:zins:eulerex}
+bleibt unverändert, wenn man den Term $x$ um einen zusätzlichen
+Summanden $x_n$ modifiziert, der schnell genug gegen $0$ geht.
+
+\begin{lemma}
+\label{buch:exponential:zins:perturbedeulerlimit}
+Sei $x_n$ eine Folge $x_n\in\mathbb{R}$, die gegen $0$ konvergiert.
+Dann gilt
+\[
+\lim_{n\to\infty}\biggl(1+\frac{x+x_n}{n}\biggr)^n
+=
+\lim_{n\to\infty}\biggl(1+\frac{x}{n}\biggr)^n
+=
+e^x.
+\]
+\end{lemma}
+
+\begin{proof}[Beweis]
+Für $\varepsilon>0$ gibt es ein $N$ derart, dass
+\( |x_n| < \varepsilon \)
+für alle $n>N$.
+Da
+\[
+\biggl(
+1+\frac{x-\varepsilon}{n}
+\biggr)^n
+<
+\biggl(
+1+\frac{x+x_n}{n}
+\biggr)^n
+<
+\biggl(
+1+\frac{x+\varepsilon}{n}
+\biggr)^n
+\]
+folgt
+\[
+e^{x-\varepsilon}
+\ge
+\lim_{n\to\infty}
+\biggl(
+1+\frac{x+x_n}{n}
+\biggr)^n
+\le
+e^{x+\varepsilon}.
+\]
+Da dies für alle $\varepsilon$ gilt, und die Funktion $x\mapsto e^x$
+stetig ist, folgt
+\[
+\lim_{n\to\infty} \biggl(1+\frac{x+x_n}{n}\biggr)^n
+=
+e^x,
+\]
+die Behauptung des Lemmas.
+\end{proof}
+
+\subsubsection{Funktionalgleichung}
+Die Definition der Exponentialfunktion als Potenz $e^x$
+hat automatisch zur Folge,
+dass für beliebige reelle Zahlen
+die Funktionalgleichung
+\[
+e^x\cdot e^y
+=
+e^{x+y}
+\]
+gilt.
+Dies kann jedoch auch direkt aus dem
+Grenzwert~\eqref{buch:exponential:zins:eulerex}
+abgeleitet werden.
+Dazu rechnet man
+\begin{align*}
+\lim_{n\to\infty}\biggl(1+\frac{x}{n}\biggr)^n
+\cdot
+\lim_{m\to\infty}\biggl(1+\frac{x}{m}\biggr)^m
+&=
+\lim_{n\to\infty}
+\biggl(
+\biggl(1+\frac{x}{n}\biggr)
+\biggl(1+\frac{y}{n}\biggr)
+\biggr)^n
+\\
+&=
+\lim_{n\to\infty}
+\biggl( 1+\frac{x+y}{n}+\frac{xy}{n^2} \biggr)^n
+\\
+&=
+\lim_{n\to\infty}
+\biggl( 1+\frac{x+y+xy/n}{n}\biggr)^n.
+\intertext{Der Term $x_n=xy/n$ konvergiert gegen $0$, daher ist nach dem
+Lemma~\ref{buch:exponential:zins:perturbedeulerlimit}
+}
+&=
+e^{x+y}.
+\end{align*}
+Damit ist die Funktionalgleichung bewiesen.
+
+\subsection{Potenzreihe}
+Die übliche Definition der Exponentialfunktion verwendet eine Potenzreihe.
+
+\begin{definition}
+\label{buch:exponential:zins:exppotenzreihe}
+Die Potenzreihe
+\[
+\exp(x)
+=
+\sum_{k=0}^\infty \frac{x^k}{k!}
+\]
+definiert eine Funktion $\exp\colon \mathbb{C}\to\mathbb{C}$.
+\end{definition}
+
+\subsubsection{Funktionalgleichung}
+Auch für die Potenzreihendefinition lässt sich die Funktionalgleichung
+direkt zu verifizieren.
+Das Produkt von $\exp(x)$ und $\exp(y)$ ist
+\begin{align*}
+\exp(x)\cdot\exp(y)
+&=
+\sum_{k=0}^\infty \frac{x^k}{k!}
+\cdot
+\sum_{l=0}^\infty \frac{y^l}{l!} .
+\intertext{Fasst man die Terme vom Grad $n$ zusammen, erhält man}
+&=
+\sum_{n=0}^\infty
+\sum_{k=0}^n
+\frac{1}{k!(n-k)!}
+x^ky^{n-k}.
+\intertext{Durch Erweitern mit $n!$ wird daraus}
+&=
+\sum_{n=0}^\infty
+\frac{1}{n!}
+\sum_{k=0}^n
+\frac{n!}{k!(n-k)!}
+x^ky^{n-k}.
+\intertext{Der Quotient von Fakultäten ist der Binomialkoeffizient, so
+dass die Summe mit dem Binomialsatz vereinfacht werden kann:}
+&=
+\sum_{n=0}^\infty
+\frac{1}{n!}
+\sum_{k=0}^n
+\binom{n}{k}
+x^ky^{n-k}
+=
+\sum_{n=0}^\infty
+\frac{1}{n!}
+(x+y)^n
+=
+\exp(x+y),
+\end{align*}
+damit ist die Funktionalgleichung nachgewiesen und es wird klar, dass
+$\exp(x)$ eine Funktion der Form $a^x$ ist.
+
+\subsubsection{$\exp(x)$ und $e^x$}
+Die Tatsache, dass $\exp(x)$ die Funktionalgleichung erfüllt, reicht
+nicht aus um zu zeigen, dass $\exp(x)$ und $e^x$ dasselbe sind,
+da jede beliebige Funktion $a^x$ diese Eigenschaft hat.
+Wir können nur schliessen, dass $\exp(x)=\exp(1)^x$.
+Wenn wir zeigen wollen, dass $\exp(x)$ und $e^x$ dasselbe sind, dann
+müssen wir zeigen, dass $e=\exp(1)$ gilt.
+Dazu formen wir den Eulerschen Grenzwert wie folgt um:
+\begin{align*}
+e=\biggl(1+\frac1n\biggr)^n
+&=
+\sum_{k=0}^n \binom{n}{k} \frac{1}{n^{n-k}}
+=
+\sum_{k=0}^n \frac{1}{k!} \frac{n(n-1)\cdots(n-k+1)}{n^{n-k}}
+\\
+&=
+\sum_{k=0}^n \frac{1}{k!}
+\underbrace{\frac{n}{n}}_{\displaystyle \downarrow\atop\displaystyle 1}
+\cdot
+\underbrace{\frac{n-1}{n}}_{\displaystyle\downarrow\atop\displaystyle 1}
+\cdots
+\underbrace{\frac{n-k+1}{n}}_{\displaystyle\downarrow\atop\displaystyle 1}
+\to
+\sum_{k=0}^\infty \frac{1}{k!}
+=
+\exp(1)
+\end{align*}
+Damit ist gezeigt, dass $e=\exp(1)$ und damit auch $e^x=\exp(x)$ ist.
-\subsection{Eulerscher Grenzwert}