aboutsummaryrefslogtreecommitdiffstats
path: root/buch/chapters/010-potenzen/tschebyscheff.tex
diff options
context:
space:
mode:
authorAndreas Müller <andreas.mueller@ost.ch>2022-01-09 17:48:40 +0100
committerAndreas Müller <andreas.mueller@ost.ch>2022-01-09 17:48:40 +0100
commit76667638d447ccdc012590a3ce98235cc9d31035 (patch)
tree730eb2c01d1f4b75d0dd73400e262d642be741ab /buch/chapters/010-potenzen/tschebyscheff.tex
parentIllustration Jacobi-Gewichtsfunktion (diff)
downloadSeminarSpezielleFunktionen-76667638d447ccdc012590a3ce98235cc9d31035.tar.gz
SeminarSpezielleFunktionen-76667638d447ccdc012590a3ce98235cc9d31035.zip
new stuff on tschebyscheff and conic sections
Diffstat (limited to 'buch/chapters/010-potenzen/tschebyscheff.tex')
-rw-r--r--buch/chapters/010-potenzen/tschebyscheff.tex280
1 files changed, 277 insertions, 3 deletions
diff --git a/buch/chapters/010-potenzen/tschebyscheff.tex b/buch/chapters/010-potenzen/tschebyscheff.tex
index be78967..ca6100b 100644
--- a/buch/chapters/010-potenzen/tschebyscheff.tex
+++ b/buch/chapters/010-potenzen/tschebyscheff.tex
@@ -12,6 +12,280 @@ Sie ermöglichen, Interpolationspolynome mit besonders guten
Fehlereigenschaften zu finden, haben aber auch andere Anwendungen
zum Beispiel beim Design von Filtern in der Elektronik.
-\subsection{Motivation}
-\subsection{Rekursionsbeziehung}
-\subsection{Anwendung: Interpolation}
+\subsection{Motivation: Interpolation}
+Nach dem Satz von Weierstrass~\ref{buch:potenzen:satz:weierstrass}
+lässt sich jede stetige Funktion auf einem kompakten Intervall durch
+ein Polynom approximieren.
+
+\subsubsection{Lagrange-Interplationspolynome}
+Eine mögliche Lösung des Problems, solche approximierenden Polynome
+der Funktion $f(x)$
+zu finden, besteht darin, ein Polynom $p(x)$ zu konstruieren, welches
+in einzelnen, Stützstellen genannten Werten $x_0<x_1<\dots<x_n$ der
+unabhängigen Variablen mit $f$ übereinstimmt, also
+\[
+p(x_i) = f(x_i), \quad i=0,\dots,n.
+\]
+Die Konstruktion eines solchen Polynoms geht aus vom Polynome
+\[
+l(x) = (x-x_0)(x-x_1)\cdots(x-x_n),
+\]
+welches an allen Stützstellen verschwindet.
+Daraus lässt sich für jede Stützstelle ein Polynom
+\[
+l_j(x)
+=
+\frac{
+(x-x_0)(x-x_1)\cdots\widehat{(x-x_j)}\cdots(x-x_n)
+}{
+(x_j-x_0)(x_j-x_1)\cdots\widehat{(x_j-x_j)}\cdots(x_j-x_n)
+}
+\]
+konstruieren, wobei $\widehat{(x-x_j)}$ bedeutet, dass dieser Faktor
+weggelassen werden soll.
+Das Polynome $l_j(x)$ hat die Werte
+\begin{align}
+l_j(x_k)
+&=
+\frac{
+(x_k-x_0)(x_k-x_1)\cdots\widehat{(x_k-x_j)}\cdots(x_k-x_n)
+}{
+(x_j-x_0)(x_j-x_1)\cdots\widehat{(x_j-x_j)}\cdots(x_j-x_n)
+}
+=
+\delta_{jk}
+=
+\begin{cases}
+1&\qquad j=k\\
+0&\qquad j\ne k
+\end{cases}
+\label{buch:potenzen:interpolation:lj}
+\end{align}
+auf den Stützstellen.
+Für $j\ne k$ enthält der Zähler von $l_j(x_k)$ den Faktor
+$(x-x_k)$, der für $x=x_k$ verschwindet.
+Daher verschwindet auch $l_j(x)$ für $x=x_k$.
+
+Das sogenannte {\em Lagrange-Interpolationspolynom} ist das Polynom
+\[
+p(x)
+=
+\sum_{j=0}^n f(x_j) l_j(x).
+\]
+Aus der Eigenschaft~\eqref{buch:potenzen:interpolation:lj} folgt, dass
+\[
+p(x_k)
+=
+\sum_{j=0}^n f(x_j) l_j(x_k)
+=
+\sum_{j=0}^n f(x_j) \delta_{jk}
+=
+f(x_k).
+\]
+
+\subsubsection{Fehler des Interpolationspolynoms}
+Der Approximationsfehler des Interpolationspolynoms kann mit der Formel
+\[
+f(x)-p(x)
+=
+l(x) \frac{f^{(n+1)}(\xi)}{(n+1)!}
+\]
+für einen geeigneten Wert $\xi$ mit $x_0 < \xi < x_n$.
+Über die Ableitungen hat man natürlich keine Kontrolle, die einzige
+Möglichkeit, den Fehler möglichst klein zu halten ist daher,
+die Sütztstellen so zu wählen, dass $l(x)$ kleine Funktionswerte hat.
+Stützstellen in gleichen Abständen erweisen sich dafür als ungeeignet,
+da $l(x)$ nahe $x_0$ und $x_n$ sehr stark oszilliert.
+
+\subsection{Definition der Tschebyscheff-Polynome}
+\begin{figure}
+\centering
+\includegraphics[width=\textwidth]{chapters/010-potenzen/images/lissajous.pdf}
+\caption{Lissajous-Figur für zwei Signale $x=\cos t$ und $y=\cos 12t$.
+\label{buch:potenzen:interpolation:lissajous}}
+\end{figure}
+\begin{figure}
+\centering
+\includegraphics[width=\textwidth]{chapters/010-potenzen/images/lissajous-chebyshef.pdf}
+\caption{Das Tschebyscheff-Polynom als Lösung des Interpolationsproblems.
+\label{buch:potenzen:interpolation:lissajous-tschebyscheff}}
+\end{figure}
+Die Aufgabe, geeignete Stützstellen für das Interpolationsproblem zu finden,
+die den Fehler minimieren, ist als gleichbedeutend damit, ein Polynom
+zu finden, dessen Betrag beschränkt ist.
+Eine Lissajous-Figur wie die in
+Abbildung~\ref{buch:potenzen:interpolation:lissajous} erfüllt
+diese Bedinung.
+Sofern sie sich als Polynom ausdrücken lässt, könnte ihre Nullstellen
+das Interpolationsproblem optimal lösen.
+
+In der Lissajous-Figur in
+Abbildung~\ref{buch:potenzen:interpolation:lissajous} ist
+die Funktion $x=\cos t$ und $y=\cos 12t$ dargestellt.
+Wegen $t=\arccos x$
+Als Funktion von $x$ ist daher
+\[
+y(x) = \cos(nt)=\cos(n\arccos x).
+\]
+Tatsächlich ist aus der Theorie der trigonometrischen Funktionen
+bekannt, dass die Kosinus eines Vielfachen des Winkels immer
+als Polynom des Kosinus des Winkels dargestellt werden können.
+
+\begin{definition}
+\label{buch:potenzen:def:tschebyscheff}
+Das Polynom
+\[
+T_n(x)
+=
+\cos (n\arccos x),
+\qquad
+x\in[-1,1]
+\]
+heisst
+{\em Tschebyscheff-Polynom (erster Art)} vom Grad $n$.
+\end{definition}
+Die Tschebyscheff-Polynome eignen sich auch hervorragend
+dafür, Eigenschaften spezieller Funktionenfamilien zu
+illustrieren.
+Es wird sich zeigen, dass die Tschebyscheff-Polynome
+Lösungen einer speziellen Differentialgleichung sind und
+bezüglich eines in Kapitel~\ref{buch:chapter:orthogonalitaet}
+definierten Skalarproduktes von Funktionen orthonormiert sind.
+
+\subsection{Rekursionsbeziehungen
+\label{buch:potenzen:tschebyscheff:rekursionsbeziehungen}}
+Es ist etwas mühsam, einen Ausdruck von $T_n(x)$ direkt aus
+trigonometrischen Identitäten herzuleiten.
+In diesem Abschnitt soll daher eine Rekursionsbeziehung
+hergeleitet werden.
+Später in Abschnitt~\ref{buch:orthogonal:subsection:rekursionsrelation}
+wird gezeigt, dass solche Rekursionsbeziehungen eine Begleiterscheinung
+orthogonaler Polynome sind.
+
+\subsubsection{Drei-Term-Rekursion für die Tschebyscheff-Polynome}
+Mit der Abkürzung $y=\arccos(x)$ oder $x=\cos(y)$ bekommt man aus
+der Definition~\label{buch:potenzen:def:tschebyscheff}
+der Tschebyscheff-Polynome
+\begin{align*}
+xT_n(x)
+&=
+\cos(y)\cdot \cos(ny)
+\\
+&=
+\frac12\bigl(
+\cos((n+1)y) + \cos((n-1)y)
+\bigr)
+\\
+x\,T_n(x)
+&=
+\frac12 T_{n+1}(x) + \frac12 T_{n-1}(x).
+\end{align*}
+Auflösen nach $T_{n+1}(x)$ ergibt
+\begin{equation}
+T_{n+1}(x) = 2x\,T_n(x)-T_{n-1}(x),
+\quad T_1(x)=x, T_0(x)=1
+\label{buch:potenzen:tschebyscheff:eqn:rekursion}
+\end{equation}
+Damit können die Tschebyscheff-Polynome sehr effizient berechnet werden:
+\begin{equation}
+\begin{aligned}
+T_0(x)
+&=1
+\\
+T_1(x)
+&=
+x
+\\
+T_2(x)
+&=
+2x^2-1
+\\
+T_3(x)
+&=
+4x^3-3x
+\\
+T_4(x)
+&=
+8x^4-8x^2+1
+\\
+T_5(x)
+&=
+16x^5-20x^3+5x
+\\
+T_6(x)
+&=
+32x^6-48x^4+18x^2-1
+\\
+T_7(x)
+&=
+64x^7-112x^5+56x^3-7x
+\\
+T_8(x)
+&=
+128x^8-256x^6+160x^4-32x^2+1
+\end{aligned}
+\end{equation}
+Die Rekursionsformel
+\eqref{buch:potenzen:tschebyscheff:eqn:rekursion}
+kann auch dazu verwendet werden, Werte der Tschebyscheff-Polynome
+sehr effizient zu berechnen.
+
+\subsubsection{Multiplikationsformel}
+Aus der Definition mit Hilfe trigonometrischer Funktionen
+lässt sich auch eine Multiplikationsformel ableiten.
+
+\begin{satz}
+Es gilt
+\begin{align}
+T_m(x)T_n(x)&=\frac12\bigl(T_{m+n}(x) + T_{m-n}(x)\bigr)
+\label{buch:potenzen:tschebyscheff:mult1}
+\\
+T_{mn}(x) &= T_m(T_n(x)) = T_n(T_m(x))
+\label{buch:potenzen:tschebyscheff:mult2}
+\end{align}
+für alle natürlichen $m$ und $n$.
+\end{satz}
+
+In \eqref{buch:potenzen:tschebyscheff:mult1} können negative Indizes
+auftreten, wenn $n>m$ ist.
+In solchen Fällen ist aber $T_{-n}(x)$ als
+\[
+T_{-n}(x)
+=
+\cos(-n\arccos(x))
+=
+\cos(n\arccos(x))
+=
+T_n(x),
+\]
+da die Kosinus-Funktion gerade ist.
+
+\begin{proof}[Beweis]
+Zunächst ist wieder mit der Abkürzung $t=\arccos x$
+\begin{align*}
+T_m(x)T_n(x)
+&=
+\cos mt \cos nt
+=
+\frac12\bigl(\cos((m+n)t)+\cos((m-n)t)\bigr)
+=
+\frac12\bigl(
+T_{m+n}(x) + T_{m-n}(x)
+\bigr),
+\end{align*}
+dies beweist~\eqref{buch:potenzen:tschebyscheff:mult1}.
+
+Für \eqref{buch:potenzen:tschebyscheff:mult2} rechnet man
+\[
+T_m(T_n(x))
+=
+\underbrace{\cos(m\arccos(}_{\displaystyle T_m(}\underbrace{\cos(n\arccos x)}_{\displaystyle T_n(x)}\underbrace{))}_{\displaystyle)}
+=
+\cos(mn\arccos x)
+=
+T_{mn}(x).
+\]
+Damit ist auch \eqref{buch:potenzen:tschebyscheff:mult2} bewiesen.
+\end{proof}
+
+