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authorAndreas Müller <andreas.mueller@ost.ch>2021-10-12 07:44:15 +0200
committerAndreas Müller <andreas.mueller@ost.ch>2021-10-12 07:44:15 +0200
commit09e2c20b0a41a36161547b2628366db1e048eaf8 (patch)
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-rw-r--r--buch/chapters/030-geometrie/flaeche.tex286
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diff --git a/buch/chapters/030-geometrie/flaeche.tex b/buch/chapters/030-geometrie/flaeche.tex
new file mode 100644
index 0000000..468e175
--- /dev/null
+++ b/buch/chapters/030-geometrie/flaeche.tex
@@ -0,0 +1,286 @@
+%
+% flaeche.tex
+%
+% (c) 2021 Prof Dr Andreas Müller, OST Ostschweizer Fachhochschule
+%
+\section{Flächeninhalt
+\label{buch:geometrie:section:flaeche}}
+\rhead{Flächeninhalt}
+Die elementare Definition des Integrals versucht, den Flächeninhalt
+unter dem Graphen der Funktion $y=f(x)$ zu definieren.
+Die Erfahrung zeigt, dass es nicht immer einfach ist, ein Integral in
+geschlossener Form zu berechnen.
+Solche Integrale können auf sinnvolle neue spezielle Funktionen führen.
+
+\subsection{Berechnung des Flächeninhaltes in kartesischen Koordinaten}
+Wir betrachten in diesem Abschnitt nur die Berechnung des
+Flächeninhaltes von Teilgebieten der Ebene $\mathbb{R}^2$
+aus ihrer Berandung.
+Sei $\gamma\colon I \to\mathbb{R}^2$ eine Kurve und
+\[
+a=t_0<t_1<t_2<\dots t_{n-2}<t_{n-1}<t_n=b
+\]
+eine Unterteilung des Intervalls.
+Die Kurve muss ausserdem geschlossen sein, also $\gamma(a)=\gamma(b)$.
+Die Punkte $\gamma(t_i)$ sind die Ecken eines Polygons, das die gesucht
+Fläche approximiert.
+
+Der Flächeninhalt des Polygons kann mit der Schuhbändelformel
+\cite[p.~184]{buch:linalg}
+berechnet werden.
+
+\begin{align*}
+F
+&=
+\sum_{i=0}^{n-1}
+\frac12
+\biggl|\begin{matrix}
+x(t_i) &y(t_i) \\
+x(t_{i+1})&y(t_{i+1})
+\end{matrix}\biggr|
+\approx
+\frac12
+\sum_{i=0}^{n-1}
+\biggl|\begin{matrix}
+x(t_i) &y(t_i) \\
+x(t_{i+1})-x(t_i)&y(t_{i+1})-y(t_i)
+\end{matrix}\biggr|
+\\
+&=
+\frac12
+\sum_{i=0}^{n-1}
+\biggl|\begin{matrix}
+x(t_i) &y(t_i) \\
+\dot{x}(t_{i+1}) (t_{i+1}-t_i)& \dot{y}(t_{i+1}) (t_{i+1}-t_i)
+\end{matrix}\biggr|
+\\
+&=
+\frac12
+\sum_{i=0}^{n-1}
+\biggl|\begin{matrix}
+x(t_i) &y(t_i) \\
+\dot{x}(t_{i+1}) & \dot{y}(t_{i+1})
+\end{matrix}\biggr|
+(t_{i+1}-t_{i})
+\end{align*}
+Die letzte Summe kann als Riemann-Summe und damit als Approximation für
+das Integral
+\[
+F
+\approx
+\frac12
+\int_a^b
+\left|\begin{pmatrix} x(t)&y(t)\\\dot{x}(t)&\dot{y}(t)\end{pmatrix}\right|
+\,dt
+\]
+gesehen werden.
+Der Flächeninhalt des Gebietes, welches von der Kurve $\gamma$
+berandet wird, ist daher
+\begin{equation}
+F
+=
+\frac12
+\int_a^b x(t)\dot{y}(t)-y(t)\dot{x}(t)\,dt.
+\label{buch:geometrie:eqn:flaeche}
+\end{equation}
+
+Die Formel~\eqref{buch:geometrie:eqn:flaeche} gilt auch für nicht
+geschlossene Kurven.
+Sie berechnet dann den Flächeninhalt eines Gebietes, welches von
+der Strecke vom Ursprung zu $\gamma(a)$, der Kurve von $\gamma(a)$ nach
+$\gamma(b)$ und von der Strecke von $\gamma(b)$ zurück zum Nullpunkt
+berandet wird.
+
+\begin{beispiel}
+Der Flächeninhalt eines Kreissektors mit Öffnungswinkel $\alpha$ ist
+kann mit Hilfe der Parametrisierung
+\[
+\gamma
+\colon
+[0,\alpha] \to \mathbb{R}^2
+:
+t\mapsto \begin{pmatrix}r\cos t\\ r\sin t\end{pmatrix}
+\]
+berechnet werden.
+Das Integral~\eqref{buch:geometrie:eqn:flaeche} wird dann zu
+\begin{align*}
+F
+&=
+\frac12
+\int_0^\alpha r\cos t \cdot r\cos t - r\sin t \cdot (-r\sin t)\,dt
+\\
+&=
+\frac{r^2}2
+\int_0^\alpha
+\cos^2t + \sin^2t\,dt
+=
+\frac{r^2\alpha}2,
+\end{align*}
+wie erwartet.
+\end{beispiel}
+
+\subsubsection{Flächeninhalt in Polarkoordinaten}
+Ist die Kurve in Polarkoordinaten durch die Funktion
+$\varphi\mapsto r(\varphi)$ gegeben, dann kann man $\varphi$ als
+Parameter verwenden.
+Die Determinante in der Flächenformel wird
+\begin{align*}
+\biggl|
+\begin{matrix}
+x(t_i)& y(t_i)\\
+\dot{x}(t_i)& \dot{y}(t_i)
+\end{matrix}
+\biggr|
+&=
+\biggl|
+\begin{matrix}
+r(\varphi)\cos\varphi&r(\varphi)\sin\varphi\\
+-r(\varphi)\sin\varphi+r'(\varphi)\cos\varphi
+ &r(\varphi)\cos\varphi+r'(\varphi)\sin\varphi
+\end{matrix}
+\biggr|.
+\end{align*}
+Der Integrand in der Flächenformel wird dann
+\[
+\frac12\bigl(
+r(\varphi)^2 \cos^2\varphi +r(\varphi)r'(\varphi)\cos\varphi\sin\varphi
++
+r(\varphi)^2 \sin^2\varphi -r(\varphi)r'(\varphi)\sin\varphi\cos\varphi
+\bigr)
+=
+\frac{r(\varphi)^2}2
+\]
+und die Fläche kann mit
+\[
+F(\alpha,\beta)=\int_\alpha^\beta \frac{r(\varphi)^2}{2}\,d\varphi
+\]
+berechnet werden.
+
+\subsection{Flächeninhalt von Ellipsen und Hyperbeln}
+Ellipsen und Hyperbeln sind besonders einfach zu parametrisieren und
+damit ist auch die Fläche, die von Ellipsen oder Hyperbeln berandet
+wird, besonders einfach zu berechnen.
+
+\subsubsection{Ellipse}
+Für die Ellipse mit der Gleichung
+\[
+\frac{x^2}{a^2}+\frac{y^2}{b^2}=1
+\]
+kann man mit der Parametrisierung
+\[
+\gamma\colon
+[0,2\pi] \to \mathbb{R}^2
+:
+t \mapsto \begin{pmatrix}a\cos t\\ b\sin t\end{pmatrix}
+\]
+beschreiben.
+Einen Sektor zwischen den Winkeln $\alpha$ und $\beta$
+\begin{align*}
+F
+&=
+\int_\alpha^\beta a\cos t \cdot b\cos t-b\sin t\cdot (-a\sin t)\,dt
+\\
+&=
+ab
+\int_\alpha^\beta \cos^2 t + \sin^2 t\,dt
+=ab(\beta-\alpha).
+\end{align*}
+Dieses Resultat ist auch rein geometrisch leicht nachzuvollziehen:
+Der Sektor entsteht dadurch, dass man ein Kreissektor mit Radius $a$
+entlang der $y$-Achse um den Faktor $b/a$ gestaucht wird.
+Aus dem Flächeninhalt $a^2(\beta-\alpha)$ des Kreissektors wird dann
+der Flächeninhalt $a^2(\beta-\alpha)\cdot \frac{b}{a}=ab(\beta-\alpha)$.
+
+\subsubsection{Hyperbel}
+\begin{figure}
+\centering
+\includegraphics{chapters/030-geometrie/images/hyperbelflaeche.pdf}
+\caption{Das Argument $t$ der hyperbolischen Funktionen ist der Inhalt
+des krummlinig berandeten Dreiecks, bestehend aus der Strecke
+vom Nullpunkt $O$ zum Punkte $(1,0)$, dem Hyperbelbogen bis zum
+Punkt $\gamma(t)=(\cosh t,\sinh t)$ und schliesslich der Strecke
+von $\gamma(t)$ zurück zum Nullpunkt.
+\label{buch:geometrie:fig:hyperbelflaeche}}
+\end{figure}
+Die hyperbolischen Funktionen geben eine einfache Parametrisierung
+der in Abbildung~\ref{buch:geometrie:fig:hyperbelflaeche}
+dargestellten Hyperbel mit der Gleichung
+\(
+x^2-y^2=1
+\).
+Der in der Abbildung blau hervorgehobene Flächeninhalt ist der Wert
+des Integrals
+\begin{align*}
+F(t)
+&=
+\int_0^t
+\biggl|
+\begin{matrix}
+\cosh s&\sinh s\\
+\sinh s&\cosh s
+\end{matrix}
+\biggr|
+\,ds
+=
+\int_0^t
+\cosh^2s-\sinh^2s\,ds
+=
+\int_0^t ds = t.
+\end{align*}
+Das Argument $t$ der hyperbolischen Funktionen ist also der Flächeninhalt
+des von der Hyperbel krummlienig berandeten Dreiecks.
+Daher heissen die Umkehrfunktionen der hyperbolischen Funktionen
+$\operatorname{arsinh}y$ und $\operatorname{arcosh}x$, Abkürzung
+für {\em area cuius sinus hyperbolicus $y$ est}, Fläche, deren zugehöriger
+Wert des Sinus hyperbolicus $y$ ist.
+
+\subsubsection{Fokalgleichung in Polarkoordinaten}
+\begin{figure}
+\centering
+\includegraphics{chapters/030-geometrie/images/polargleichung.pdf}
+\caption{Polargleichung der Kegelschnitte mit konstantem Wert für den
+Parameter $p$ und verschiedene Werte der Exzentrizität $\varepsilon$.
+Der Kreis (rot) hat Exzentrizität $\varepsilon=0$,
+die Parabel (blau) hat $\varepsilon=1$.
+Für $0<\varepsilon<1$ entstehen Ellipsen, die im blauen Bereich liegen,
+für $\varepsilon>1$ entstehen Hyperbeln, die im grün hinterlegten Teil
+der Ebene liegen.
+\label{buch:geometrie:fig:polargleichung}}
+\end{figure}
+Das zweite Keplersche Gesetz über Planetenbahnen besagt, dass sich ein
+Planet auf seiner elliptischen Bahn um die Sonne so bewegt, dass
+sein Radiusvektor in gleichen Zeiten gleiche Flächen überstreicht.
+Die bisher verwendete Parametrisierung hat den Mittelpunkt der Ellipse
+im Nullpunkt, nach dem ersten Keplerschen Gesetz ist aber müssen
+wir eine Parametrisierung verwenden so, dass der Brennpunkt im
+Ursprung liegt.
+In Polarkoordinaten ist
+\begin{equation}
+r(\varphi) = \frac{p}{1+\varepsilon \cos\varphi}
+\label{buch:geometrie:eqn:polargleichung}
+\end{equation}
+die sogenannte {\em Polargleichung} für die Kegelschnitte.
+Für $\varepsilon=0$ wird $r(\varphi)=p$ konstant, die Gleichung
+beschreibt in diesem Fall einen Kreis.
+Für $\varepsilon=1$ entsteht eine Parabel.
+Werte zwischen $0$ und $1$ parametrisieren Ellipsen mit verschiedener
+Exzentrizität, Werte grösser als $1$ führen auf Hyperbeln.
+Abbildung~\ref{buch:geometrie:fig:polargleichung} zeigt alle vier Fälle.
+
+Die zwischen den Polarwinkeln $\alpha$ und $\beta$ überstrichene Fläche
+wird durch das Integral
+\[
+F(\alpha,\beta)
+=
+\int_\alpha^\beta
+\frac{r(\varphi)^2}2
+\,d\varphi
+=
+\frac12 \int_\alpha^\beta
+\frac{p^2 \,d\varphi}{(1+\varepsilon\cos\varphi)^2}
+\]
+Das Integral kann in geschlossener Form angegeben werden, die Formeln
+sind aber ziemlich kompliziert und für uns hier nicht weiter nützlich.
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+